Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1171 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Dirk Toepffer (CDU), eingegangen am 12.11.2013 Ist Verkehrsminister Olaf Lies frei in seiner Amtsführung? Laut Bericht der Oldenburger Nordwest-Zeitung vom 16. Oktober 2013 werfen Gegner der geplanten Küstenautobahn A 20 Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) vor, Lobbyarbeit für den Bau der Autobahn zu betreiben. Anlass für die Kritik ist, dass Lies kürzlich als Stellvertreter im Parlamentarischen Beirat des Fördervereins Pro A 20 bestätigt wurde. In der Hannoverschen Allgemeine Zeitung vom 16. Oktober 2013 wird die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion Susanne Menge mit den Worten zitiert: „Lies befinde sich in einem ‚schwierigen Rollenkonflikt’, da er auf den Koalitionsvertrag verpflichtet sei. ‚Ich würde ihm empfehlen, sich aus dieser Gruppierung zurückzuziehen’, betont Menge.“ Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Teilt die Landesregierung die Kritik der Landtagsabgeordneten Susanne Menge? 2. Ist Minister Lies durch den Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 19. Februar 2013 dazu verpflichtet, sich aus dem Beirat des Fördervereins zurückzuziehen, oder hält die Landesregierung einen solchen Schritt für geboten bzw. empfehlenswert? 3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die rot-grüne Koalitionsvereinbarung Kabinettsmitgliedern eine besondere Zurückhaltung beim Engagement für die weiteren Planungen der Küstenautobahn A 20 auferlegt? 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Mitgliedschaft von Olaf Lies im Parlamentarischen Beirat des Fördervereins Pro A 20? 5. Welche sonstigen Mitgliedschaften der Ministerinnen und Minister bestehen in Beiräten von Fördervereinen, Interessenverbänden und vergleichbaren Organisationen? 6. Welche Verhaltensregeln für Ministerinnen und Minister gelten in Bezug auf die Mitgliedschaft in Beiräten von Fördervereinen, Interessenverbänden und vergleichbaren Organisationen? 7. Kann die Landesregierung ausschließen, dass die Mitgliedschaft in Beiräten von Fördervereinen , Interessenverbänden und vergleichbaren Organisationen die Unabhängigkeit der Amtsführung gefährden? 8. Wie definiert die Landesregierung „Lobbyismus“? 9. Gibt es nach Auffassung der Landesregierung „gute“ und „schlechte“ Lobbyisten? 10. Wann wird das in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung angekündigte „verpflichtende Lobbyregister “ eingeführt? (An die Staatskanzlei übersandt am 19.11.2013 - II/725 - 500) 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1171 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 20.01.2014 für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Z3-01424/0020/500/Amtsführung - Gemäß Artikel 34 Abs. 2 Niedersächsische Verfassung dürfen die Mitglieder der Landesregierung „kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung noch dem Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören. Die Landesregierung kann Ausnahmen zulassen, insbesondere für die Entsendung in Organe von Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist. Jede Ausnahme ist dem Landtag mitzuteilen.“ § 5 Abs. 1 Niedersächsisches Ministergesetz wiederholt diese Vorschrift - bis auf kleinere, hier unerhebliche Nuancen. Die Verbotsregelung ist vom Wortlaut her sanktionslos und somit eine schlichte Inkompatibilitätsregelung , die organschaftliche oder wirtschaftliche Unvereinbarkeiten eines Regierungsmitglieds regelt . Sie ist zudem gegenständlich beschränkt. Die Verwendung der in den Vorschriften konkret aufgeführten Begriffe zur Regelung der wirtschaftlichen Unvereinbarkeit, nämlich das besoldete Amt, das Gewerbe, der Beruf und die Angehörigkeit zu einer Leitung oder dem Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens, sollen einen in sich abgeschlossenen Regelungsbereich erfassen und gerade nicht pauschale oder umfassende Untersagungen enthalten. Der (Verfassungs -)Gesetzgeber verfolgt mit diesem unter Ausnahmevorbehalt gesetzten Verbot zwar die Vermeidung möglicher Interessenkollisionen und Befangenheiten, hat dabei aber nur bestimmte Tätigkeiten oder Zugehörigkeiten durch das Verbot erfasst und insbesondere keine tiefgreifende Beschränkung der Grundrechte von Angehörigen der Landesregierung vorgenommen. Um dem dargestellten Sinn und Zweck der Vorschriften zu entsprechen, ist der Begriff „Aufsichtsrat “ in Artikel 34 Niedersächsische Verfassung, § 5 Niedersächsisches Ministergesetz weit auszulegen und umfasst mithin auch solche Gremien, die nicht als „Aufsichtsrat“ bezeichnet sind, aber vergleichbare „Aufsichtsfunktionen“ bzw. Einflussnahmemöglichkeiten eröffnet. Die Unentgeltlichkeit der Wahrnehmung ist hierbei unerheblich für die Bewertung. Ein Regierungsmitglied darf allerdings schon vom Wortlaut der Vorschrift her solchen Unternehmen in deren Leitung oder Aufsichtsrat ohne Ausnahmegenehmigung angehören, die nicht auf Erwerb ausgerichtet sind. Nach § 6 Abs. 2 Gemeinsame Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen sollen Mitglieder der Landesregierung nur dann in Leitungs- oder Aufsichtsgremien von Einrichtungen , Vereinen oder ähnlichen Organisationen mitwirken, wenn Interessenkonflikte in Bezug auf ihr Amt ausgeschlossen werden können. Die Aufgaben von Beiräten sind in aller Regel andere als die von Aufsichtsräten. Solche Gremien haben rein beratende bzw. die Meinungsbildung lediglich fördernde Funktion, die sie von Aufsichtsräten oder vergleichbaren Funktionsgremien deutlich unterscheiden. Die Zugehörigkeit bzw. Mitgliedschaft in solchen Gremien fällt aus den genannten Gründen mithin nicht dem Anwendungsbereich von Artikel 34 Niedersächsische Verfassung, § 5 Niedersächsisches Ministergesetz. Eine Ausnahmegenehmigung hierfür ist deshalb nicht erforderlich. Das würde sogar bei auf Erwerb gerichteten Unternehmen gelten. § 5 Abs. 3 Niedersächsisches Ministergesetz regelt die Abführungspflicht für an ein Mitglied der Landesregierung „im Zusammenhang mit seiner Zugehörigkeit zur Landesregierung“ gezahlte Vergütungen selbst in den Fällen, in denen es einem Beirat angehört. Das gilt ausweislich des insoweit eindeutigen Wortlauts aber nicht für die Beiratszugehörigkeit in privater Funktion. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Nein. 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1171 Zu 2: Nein. Zu 3: Nein. Zu 4 und 5: Dienstlich begründete Beiratsmitgliedschaften eines Mitglieds der Landesregierung, also solche „im Zusammenhang mit seiner Zugehörigkeit zur Landesregierung“, sind anzugeben und bestehen in folgenden Fällen: Frau Ministerin Heiligenstadt ist Mitglied im Kuratorium des nifbe (Niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung e. V.), Vorstandsmitglied im Verein n-21 (Schulen in Niedersachsen online e. V.) und Vorsitzende des Stiftungsrates der „Stiftung Niedersächsischer Gedenkstätten “. Frau Ministerin Rundt ist Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung Familie in Not, Vorsitzende des Landesarbeitskreises für Arbeitssicherheit beim MS, Vorsitzende des Instituts für Bauforschung e. V., Mitglied des Kuratoriums der Landesstiftung „Kinder von Tschernobyl“. Herr Minister Lies ist Mitglied im Beirat der Bundesnetzagentur sowie im Eisenbahninfrastrukturbeirat bei der Bundesnetzagentur. Herr Minister Pistorius ist Vorsitzender des Stiftungsrats der Niedersächsischen Lotto-SportStiftung . Herr Minister Wenzel ist stellvertretendes Mitglied im Beirat der Bundesnetzagentur. Die Landesregierung führt zu privat begründeten Beiratsmitgliedschaften eines Regierungsmitglieds aus den in den Vorbemerkungen aufgeführten Gründen keine Liste. Solche privat begründeten Beiratsmitgliedschaften sind nicht von den Anzeige- und Genehmigungspflichten des Ministerrechts erfasst. Die Landesregierung hat daher nur freiwillig mitgeteilte Angaben zusammengetragen , soweit solche Mitgliedschaften nicht bereits aus anderen öffentlich zugänglichen Quellen, z. B. Landtagshandbuch, bekannt sind. Nachfolgende Angaben erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Herr Ministerpräsident Weil gehört als Privatperson dem Kuratorium der Robert-Enke-Stiftung an. Frau Ministerin Niewisch-Lennartz ist Mitglied im Vorstand des Evangelisch-Lutherischen Diakoniewerks St. Aegidien. Frau Ministerin Heiligenstadt ist Mitglied im Kuratorium des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung . Seit Oktober 2013 ist Frau Ministerin Heiligenstadt zudem Mitglied im Kuratorium der Niedersächsischen Kinderturnstiftung. Herr Minister Wenzel ist Mitglied in den Beiräten der Bildungsregion Göttingen und des Fördervereins Palliativzentrum Göttingen, die ausschließlich lokale Bedeutung haben. Herr Minister Pistorius wird künftig dem Kuratorium der Robert-Enke-Stiftung angehören. Darüber hinausgehend sieht die Landesregierung von einer Auskunft ab. Sie braucht dem Auskunftsverlangen nicht zu entsprechen, weil Mitglieder der Landesregierung auch ein Privatleben haben, das geschützt ist. Es handelt es sich dabei um durch Artikel 24 Abs. 3 Niedersächsische Verfassung geschützte Rechte Dritter, die auch für Mitglieder der Landesregierung gelten. Einer Bekanntgabe ohne Zustimmung des jeweiligen Regierungsmitglieds steht das Grundrecht aus Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz auf informationelle Selbstbestimmung entgegen. Hiernach hat auch ein Regierungsmitglied, soweit es sich privat betätigt, grundsätzlich keine Pflicht, private Vereins- oder auch Beiratsmitgliedschaften in Fördervereinen, Interessenverbänden oder vergleichbaren Organisationen zu offenbaren. Das ist indes das Ziel der pauschal gehaltenen Frage 5. Die Frage braucht mithin insoweit nicht beantwortet zu werden. 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1171 Aus den oben dargelegten Gründen beurteilt die Landesregierung auch nicht die Mitgliedschaft oder Beiratsmitgliedschaft einzelner Mitglieder der Landesregierung in privaten Fördervereinen, Interessenverbänden oder vergleichbaren Organisationen. Zu 6: Siehe Vorbemerkungen. Zu 7: Jedes Mitglied der Landesregierung ist aufgrund seiner individuellen Persönlichkeit in unterschiedlichen Gremien engagiert (z. B. Parteien, Gewerkschaften, sonstige Organisationen). Eine von diesen Interessen vollständige Unabhängigkeit ist weder geboten noch erwünscht. Unbeschadet davon beachtet jedes Regierungsmitglied in eigener Verantwortung die mit der Amtsführung verbundenen Pflichten, insbesondere die der Unbefangenheit der Amtsführung. Sofern sich aus einem Sachverhalt im Einzelfall die konkrete Besorgnis einer Befangenheit im Rechtssinn ergeben sollte, wird hierauf angemessen reagiert. Zu 8 und 9: Die Landesregierung legt generell Wert darauf, im Rahmen der Gestaltungs- und Entscheidungsprozesse die sachlichen Argumente aller Beteiligten und Betroffenen zu erfahren. Dies führt zur Beilegung von Konflikten, da auf diese Weise gemeinsame Interessen herausgearbeitet und die Herbeiführung von Kompromissen ermöglicht werden. Die Landesregierung macht hierbei keinen Unterschied zwischen den Interessenvertretern aller Gruppierungen der Gesellschaft. Damit will die Landesregierung eine Beeinflussung durch einseitige Interessenvertretung vermeiden und ausschließen , dass mit ausgewählten Interessensvertretern Vereinbarungen auf der Basis von Leistung und Gegenleistung erfolgen. Die Landesregierung sieht daher keine Notwendigkeit, eine Definition des Begriffs „Lobbyismus“ vorzunehmen. Zu 10: Hierzu ist die Meinungsbildung der Landesregierung noch nicht abgeschlossen. Olaf Lies 4 (Ausgegeben am 28.01.2014) Drucksache 17/1171 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Dirk Toepffer (CDU), eingegangen am 12.11.2013 Ist Verkehrsminister Olaf Lies frei in seiner Amtsführung? Antwort der Landesregierung