Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1173 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Dr. Stefan Birkner, Jörg Bode und Christan Grascha (FDP), eingegangen am 05.11.2013 Gewaltenteilung, Oppositionsrechte und Parteienfinanzierung Artikel 7 der Niedersächsischen Landesverfassung definiert die Rolle des Landtags: „Der Landtag ist die gewählte Vertretung des Volkes. Seine Aufgaben sind es insbesondere, die gesetzgebende Gewalt auszuüben, über den Landeshaushalt zu beschließen, die Ministerpräsidentin oder den Ministerpräsidenten zu wählen, an der Regierungsbildung mitzuwirken und die vollziehende Gewalt nach Maßgabe dieser Verfassung zu überwachen.“ Das Prinzip der Gewaltenteilung findet hier maßgeblich Niederschlag. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Teilnahme der Fraktionsvorsitzenden von SPD und Bündnis 90/Die Grünen an den Sitzungen des Kabinetts, insbesondere vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung in Exekutive und Legislative? 2. Wie trägt die Landesregierung der Verpflichtung zur vertraulichen Beratung von Personalentscheidungen im Kabinett Rechnung, wenn gleichzeitig die Vorsitzenden der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen - frei gewählte Landtagsabgeordnete, die nicht weisungsgebunden sind - anwesend sind? 3. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage des Parlamentarischen Geschäftsführers der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Helge Limburg, er betrachte sich als sogenannten Regierungsabgeordneten , und welches Verständnis zur Trennung von Exekutive und Legislative legt diese Wortwahl nahe? 4. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass die Chancengleichheit der Oppositionsfraktionen, die die Landesverfassung in Artikel 19 Abs. 2 Satz 1 verlangt, verwirklicht wird, angesichts des möglichen Zugangs der Fraktionsvorsitzenden von SPD und Bündnis90/Die Grünen zu Informationen aus dem Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung qua Teilnahme an den Kabinettssitzungen und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass diese Informationen durch die Oppositionsfraktionen nicht erfragt werden dürfen? 5. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass niedersächsische Staatssekretäre - Landesbeamte auf Lebenszeit -, die zugleich Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen sind, durch Beschluss von Parteigremien verpflichtet wurden, einen bestimmten Anteil ihrer staatlichen Bezüge an die Partei zu spenden (vgl. HAZ, 04.11.2013 „Staatssekretäre zahlen nicht“)? 6. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung bezüglich vergleichbarer Regelungen über verpflichtende Zahlungen an Parteien für andere politische Beamte vor, beispielsweise die Polizeipräsidenten oder etwa die neuen Regionalbeauftragten? 7. Stellt die Landesregierung den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Kabinettstagesordnung , die Kabinettsvorlagen und das Kabinettsprotokoll vor bzw. nach den Sitzungen zur Verfügung? 8. Falls ja, welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Kabinettstagesordnung, die Kabinettsvorlagen und das Kabinettsprotokoll allen Fraktionen zeitgleich zur Verfügung zu stellen, um die verfassungsmäßig garantierte Chancengleichheit der Oppositionsfraktionen zu gewährleisten? 9. Falls ja, wie bewertet die Landesregierung dieses Zur-Verfügung-Stellen vor dem Hintergrund, dass bei einer Aktenvorlage an einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss oder an 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1173 einen Ausschuss auf Grundlage der Verfassung derartige Unterlagen nicht bzw. nur vertraulich zur Verfügung gestellt werden dürfen? (An die Staatskanzlei übersandt am 13.11.2013 - II/725 - 491) Antwort der Landesregierung Niedersächsische Staatskanzlei Hannover, den 20.01.2014 - 201-01401/03-14 - Die Kleine Anfrage wird namens der Landesregierung wie folgt beantwortet: Zu 1: Die Landesregierung hält dies angesichts der konkreten Ausgestaltung der Teilnahme nicht für problematisch. Die Gestaltungsziele der Landesregierung stimmen grundsätzlich mit denen der sie tragenden Fraktionen überein. Zur Erreichung dieser Ziele ist ein aufeinander abgestimmtes Vorgehen von Exekutive und Legislative in vielen Bereichen erforderlich. Die Teilnahme der Fraktionsvorsitzenden an den Sitzungen des Kabinetts unterstützt den hierzu notwendigen Informationsaustausch . Allen Teilnehmern an den Sitzungen - insbesondere auch den Kabinettsmitgliedern, die gleichzeitig über ein Abgeordnetenmandat im Landtag verfügen - sind die unterschiedlichen Funktionen von Exekutive und Legislative bewusst. Ein Verstoß gegen Normen, die die Gewaltenteilung ausgestalten, insbesondere Artikel 2 und 7 der Niedersächsischen Verfassung, ist nicht ersichtlich. Eine Länderumfrage hat ergeben, dass die regelmäßige Teilnahme der Vorsitzenden der die Landesregierung tragenden Fraktionen an den Kabinettssitzungen in sieben weiteren Ländern der Staatspraxis entspricht. Zu 2: Über die Personalentscheidungen wird eine gesonderte vorbereitende Unterlage erstellt. Diese wird den Fraktionsvorsitzenden nicht zur Verfügung gestellt. Im Übrigen sind sich diese der besonderen Sensibilität und Vertraulichkeit von Personalentscheidungen bewusst. Zu 3: Eine Internetrecherche ergibt, dass „Regierungsabgeordneter“ in verschiedenen Presseorganen als Gegenbegriff zu „Oppositionsabgeordneter“ verwendet wird. Im Übrigen beteiligt sich die Landesregierung nicht an Spekulationen zur Ausdeutung von Aussagen von Parlamentariern. Zu 4: Die Landesregierung trifft sowohl bei der Zulassung von weiteren Teilnehmern an Kabinettssitzungen als auch bei der Entscheidung über die Herausgabe von Unterlagen nach Artikel 24 Abs. 3 NV sachgerechte Entscheidungen im Einzelfall. Die Teilnahme der Vorsitzenden der die Regierung tragenden Fraktionen an Kabinettssitzungen ist zur frühzeitigen Abstimmung sinnvoll, um gemeinsame Gestaltungsziele zu erreichen. Dieses gemeinsame Gestaltungsinteresse gibt es strukturell mit den Oppositionsfraktionen in aller Regel nicht. Artikel 19 Abs. 2 Satz 1 NV gewährleistet die Chancengleichheit aller Fraktionen „in Parlament und Öffentlichkeit“. Diese beiden Bereiche sind bei der Zulassung zu Kabinettssitzungen nicht berührt. Zu 5: Die Landesregierung bewertet Beschlüsse von Parteigremien grundsätzlich nicht. 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1173 Zu 6: Die Landesregierung wahrt die Trennung von Regierungs-/Verwaltungstätigkeit einerseits und Parteitätigkeit andererseits. Das hat auch Auswirkungen darauf, was „der Landesregierung vorliegende Kenntnisse“ sind. „Kenntnisse der Landesregierung“ sind nicht private Kenntnisse von Mitgliedern der Landesregierung oder Angehörigen der Verwaltung über Parteiinterna, sondern die Kenntnisse, die der Landesregierung oder der ihnen nachgeordneten Verwaltung in deren amtlicher Funktion vorliegen. Die besoldungsrechtlichen Regelungen in Niedersachsen sehen keine Verpflichtung von politischen Beamtinnen oder Beamten vor, Teile ihrer Bezüge an politische Parteien abzuführen. Die Parteien müssen parteiinterne Regelungen über besondere Zahlungspflichten einzelner Mitglieder nicht gegenüber der Landesregierung offenlegen. Daher hat die Landesregierung nach den oben genannten Maßstäben über entsprechende Regelungen keine Kenntnis. Zu 7: Die Landesregierung stellt den Vorsitzenden der sie tragenden Fraktionen die Kabinettstagesordnung und die Kabinettsvorlagen vor den Kabinettssitzungen und das Kabinettsprotokoll jeweils danach zur Verfügung. Dies erfolgt unter der Maßgabe, diese Unterlagen vertraulich zu behandeln. Zu 8: Keine, zumal die Chancengleichheit der Fraktionen „in Parlament und Öffentlichkeit“ (Artikel 19 Abs. 2 Satz 1 NV) hier nicht berührt ist. Zu 9: Wie die Antwort auf Frage 7 zeigt, ist die Vertraulichkeit vertraulich zu behandelnder Unterlagen in jedem Fall gewährleistet. Dr. Jörg Mielke Chef der Staatskanzlei 3 (Ausgegeben am 28.01.2014) Drucksache 17/1173 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Dr. Stefan Birkner, Jörg Bode und Christan Grascha (FDP), eingegangen am 05.11.2013 Gewaltenteilung, Oppositionsrechte und Parteienfinanzierung Antwort der Landesregierung