Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1187 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Hermann Grupe, Dr. Gero Hocker, Hillgriet Eilers, Jan-Christoph Oetjen und Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 21.11.2013 Miesmuschelfischerei im Wattenmeer Die Muschelfischerei hat in Niedersachsen eine lange Tradition. Bereits im 19. Jahrhundert gab es erste Nachweise für eine gewerbliche Muschelfischerei für den Fremdbedarf. Im Jahre 2011 stellten vier niedersächsische Muschelfischerbetriebe einen Antrag auf Zertifizierung ihrer Ernte nach dem international anerkannten MSC-Standard für nachhaltige Fischerei. Die nun erfolgte Anerkennung dieser Zertifizierung wird von Naturschutzverbänden angezweifelt. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Miesmuschelfischerei im Wattenmeer? 2. Wie bewertet die Landesregierung die Anerkennung der niedersächsischen Miesmuschelfischerei über das MSC-Gütesiegel als umweltverträgliche, nachhaltige Nutzung? 3. Welche Regelungen gibt es für eine nachhaltige Zertifizierung der Fischerei in geschützten Gebieten? 4. Gibt es nach Meinung der Landesregierung umwelt- und wattenmeerfreundliche Fischereitechniken , die eine wirtschaftliche und EU-konforme Zukunft haben, und, wenn ja, welche? 5. Welche Forschungsprojekte zur Erforschung umwelt- und wattenmeerfreundlicher Fischereitechniken gibt es in Niedersachsen? 6. Welche Potenziale sieht die Landesregierung bei der Nutzung von Offshorewindparks für die Miesmuschelzucht? 7. Wie wird sich die Förderung aus dem europäischen Fischereifonds in der kommenden Förderperiode entwickeln? (An die Staatskanzlei übersandt am 09.12.2013 - II/725 - 517) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 27.01.2014 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 102-65438 (192) - Die Kleine Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die niedersächsische Miesmuschelfischerei findet überwiegend im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer statt. Die rechtlichen Voraussetzungen hierfür sind im Fischereirecht (§ 17 Niedersächsisches Fischereigesetz und § 8 Niedersächsische Küstenfischereiordnung) und im Gesetz über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ (NWattNPG) verankert. § 9 Absatz 2 NWattNPG erlaubt die Anlage von Miesmuschelkulturen in bestimmten Gebieten. Die Besatzmuschelfischerei ist nur im Rahmen eines Bewirtschaftungsplans zulässig und unter Beachtung des 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1187 Schutzzwecks dieses Gesetzes. Der Bewirtschaftungsplan enthält Maßgaben und Einschränkungen einschließlich Gebietssperrungen, die die Nachhaltigkeit der Fischerei sicherstellen. Die Landesregierung bewertet die Miesmuschelfischerei im niedersächsischen Küstengewässer unter dem derzeitigen Managementschema als nachhaltige Nutzung. Zu 2: Die Landesregierung begrüßt, dass die vier niedersächsischen Muschelfischereibetriebe die Nachhaltigkeit ihrer Fischerei im Rahmen der Zertifizierung durch den Marine Stewardship Council (MSC) überprüfen ließen. Der erfolgreiche Abschluss dieser Zertifizierung bestätigt die unter Frage 1 dargestellte Bewertung der Landesregierung. Zu 3: Die Nachhaltigkeitszertifizierung einer Fischerei nach den Regeln des MSC erfolgt weltweit nach demselben Standard, der die Auswirkungen einer Fischerei auf die Zielart und das Ökosystem sowie die Effektivität des Fischereimanagements bewertet. Dabei wird nicht zwischen Fischereien in Schutzgebieten und Fischereien außerhalb von Schutzgebieten differenziert. Zu 4: Die gegenwärtig im Wattenmeer betriebenen Techniken der Muschelfischerei stehen nicht im Konflikt mit nationalem oder europäischem Recht. Sie sind wirtschaftlich erfolgreich und werden von der Landesregierung unter dem gegenwärtigen Management als umwelt- und wattenmeerverträglich und somit als zukunftsfähig bewertet. Zu 5: Das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz fördert gegenwärtig mit Landesmitteln und Mitteln aus dem Europäischen Fischereifonds gemeinsam mit Schleswig-Holstein und den deutschen Krabbenfischereibetrieben das Forschungsprojekt CRANNET , in dem die Auswirkungen verschiedener Maschenweiten und –formen auf die Fang und den unerwünschten Beifang in der Krabbenfischerei untersucht werden. Am Ende des Projektes soll eine eindeutige Empfehlung für ökologisch und ökonomisch optimierte Netze stehen. Zu 6: Für die Nutzung von Offshorewindparks für die Miesmuschelzucht besteht zwar ein wissenschaftlich -technisches Potenzial, die Realisierung dieses Potenzials hält die Landesregierung jedoch vor allem aus wirtschaftlichen Erwägungen für unwahrscheinlich: 1. Die Windparks werden küstenfern und seegangsexponiert errichtet. Der finanzielle Aufwand zur Einrichtung und Betreuung der Zuchtanlagen wäre erheblich, da u. a. neue Schiffe durch die Muschelfischereibetriebe angeschafft werden müssten. Die derzeit in Fahrt befindlichen Muschelfischereifahrzeuge sind für Arbeiten im Wattenmeer ausgelegt und haben einen sehr geringen Tiefgang. Durch die Wind- und Seebedingungen bei den Offshorewindparks sind tiefergehende Schiffe erforderlich, um eine Lagestabilität bei den Arbeiten an den Muschelzuchtanlagen zu erreichen. 2. Muschelkulturen an Langleinen müssen häufig überprüft werden und der Markt muss über einen langen Zeitraum des Jahres verlässlich mit Frischmuscheln versorgt werden können. Dafür ist neben einer geringen Entfernung zu den Anlandehäfen auch ein möglichst geschützter Standort erforderlich, den die Offshorewindparks nicht bieten. 3. Sofern die Muschelzuchtanlagen an den Gründungselementen der Windkraftanlagen angebracht werden sollen, muss nach Auskunft des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie die Standfestigkeit durch eine Klassifizierungsgesellschaft zertifiziert werden. Dieser finanzielle Aufwand wäre vom Betreiber der Muschelzuchtanlagen zu leisten. 4. Ein weiteres Hemmnis für den wirtschaftlichen Betrieb der Miesmuschelzucht an den Standorten der Offshorewindparks liegt an der verstärkten Ausbildung von toxischen Algenblüten in den küstenfernen Bereichen, die zu Vermarktungssperren führen könnten. 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1187 Zu 7: Diese Frage kann zurzeit noch nicht beantwortet werden, da bislang weder der Verordnungstext für den Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) vorliegt noch die Verteilung der finanziellen Mittel auf die Bundesländer vorgenommen wurde. Christian Meyer (Ausgegeben am ) 3 Drucksache 17/1187 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Hermann Grupe, Dr. Gero Hocker, Hillgriet Eilers, Jan-Christoph Oetjen und Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 21.11.2013 Miesmuschelfischerei im Wattenmeer Antwort der Landesregierung