Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1200 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Hermann Grupe (FDP), eingegangen am 08.01.2013 Wie steht die Landesregierung zu Glyphosat? Glyphosat ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Phosphonate und wird als Hauptkomponente einiger Breitbandherbizide zur Unkrautbekämpfung eingesetzt. In den vergangenen Wochen kam Glyphosat aufgrund eines Videos des Naturschutzverbandes BUND, in dem der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit Kindermord gleichgesetzt wird, vermehrt in die Schlagzeilen. Zuletzt hat das Bundesamt für Risikobewertung den Einsatz von Glyphosat neu bewertet und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass das Mittel keine schädigende Wirkung auf die Tiergesundheit habe. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Einschätzung des Bundesamts für Risikobewertung zu Glyphosat? 2. Wie bewertet die Landesregierung das Mittel Glyphosat? 3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass Glyphosat trotz der Einschätzung des Bundesamts für Risikobewertung verboten werden sollte und, wenn ja, aus welchen Gründen? 4. Wie bewertet die Landesregierung das Video des BUND über Glyphosat? 5. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass Kampagnen wie die Kampagne des BUND gegen Glyphosat berechtigt sind? 6. Welche Möglichkeiten haben Betriebe, um sich vor den Folgen solcher Kampagnen zu schützen ? (An die Staatskanzlei übersandt am 15.01.2014 - II/725 - 563) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 02.02.2014 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 104-01425/3-340 - Glyphosat (chemische Bezeichnung: N-(Phosphonomethyl)glycin) ist weltweit einer der am meisten eingesetzten Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln und wird u. a. in der Landwirtschaft und im Gartenbau zur Bekämpfung von Wildkräutern eingesetzt. Glyphosathaltige Mittel werden in großem Maßstab in vielen Regionen der Welt angewendet. Oft geschieht das dort, wo Pflanzen angebaut werden, die gegen diese Mittel gentechnisch mit einer Resistenz ausgestattet werden. Auch in Deutschland werden ca. 5 000 t/a glyphosathaltiger Mittel abgesetzt (2011: 5 359 t). Für die Bewertung des Wirkstoffs sind in Deutschland die Bewertungsstellen des Bundes zuständig . Das Bewertungsverfahren koordiniert das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) unter Einbeziehung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) für Fragen der Gesundheit von Mensch und Tier, des Julius-Kühn-Instituts für Fragen der Wirksamkeit sowie nicht zu vertretender Auswirkungen auf Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse und Bienen sowie des Um- 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1200 weltbundesamts zur Vermeidung von Schäden durch die Belastung des Naturhaushaltes sowie durch Abfälle. Inzwischen wurde ein Entwurf eines Bewertungsberichts über die Neubewertung des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat durch die Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geleitet. Im Rahmen der aktuellen Bewertung wird den Bewertungsstellen - insbesondere dem BfR - von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und verschiedenen Einrichtungen vorgeworfen, in Publikationen beschriebenen Wirkungen von Glyphosat nicht hinreichend nachgegangen zu sein oder diese nicht verfolgt zu haben. Hierzu gehören beschriebene gesundheitliche Effekte (z. B. angebliche Missbildungen bei Kindern in Südamerika infolge des Kontakts mit glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln , die Beeinflussung von Mikroorganismen oder die Verminderung der Aufnahme von Metallionen in Pflanzen über den Wurzelbereich infolge einer sogenannten Chelatbildung - einer Komplexierung von Metallionen). Außerdem liegen Hinweise darauf vor, dass Glyphosat vermutlich über damit belastete Nahrung oder belastete Futtermittel auch im Blut von Mensch und Tier aufgefunden wird. Auch der Deutsche Bundestag hat sich mit Fragen der Risikobewertung und der Zulassung im Rahmen von Kleinen Anfragen von Abgeordneten und der Fraktion Bündnis90/Die Grünen befasst (BT-Drs. 17/7168; BT-Drs. 17/14291). Das Thema wurde im Jahr 2013 darüber hinaus auch in die Beratungen der Umweltministerkonferenzen (UMK) sowie in der Agrarministerkonferenz (AMK) im August 2013 eingebracht. Mit den Beschlüssen beider Gremien wurde der Bund gebeten, ihnen spätestens zu den Frühjahreskonferenzen 2014 über die Ergebnisse der Neubewertung zu berichten. Ergänzend erging die Bitte von zehn Ländern (einschließlich Niedersachsen) an den Bund sicherzustellen, dass die aktuellen Studien zur Wirkung von Glyphosat auf Mensch und Tier bei der anstehenden Neubewertung berücksichtigt werden. Außerdem hat die Herbst-UMK den Bund um Angaben zur Exposition gebeten. Der Bericht der Bundesregierung zu AMK/UMK ist vor einer abschließenden Bewertung abzuwarten. Auch der Bundesrat hat sich mit Themenfeldern der Anwendung von glyphosathaltigen Mitteln im Rahmen der Beratung zur „Vierten Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung “ mit Glyphosat befasst (Beschluss - Entschließung des Bundesrats, Drucksache 704/13 vom 08.11.2013). Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Glyphosat wird im Rahmen der EU-Wirkstoffprüfung turnusgemäß hinsichtlich seiner Risiken für Gesundheit und Umwelt sowie seiner Wirksamkeit neu bewertet. Das BfR bewertet die gesundheitlichen Risiken, die für Anwender, für unbeteiligte Dritte bei der Anwendung von dem Wirkstoff Glyphosat und von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln ausgehen sowie das gesundheitliche Risiko, das für Verbraucher von Pflanzenschutzmittelrückständen in und auf Lebensmitteln ausgeht . Das BfR hat hierfür nach eigenen Angaben mehr als 150 neue toxikologische Originalstudien und über 900 neu in wissenschaftlichen Zeitschriften publizierte Studien berücksichtigt. Die Landesregierung geht davon aus, dass das BfR - wie die anderen Bewertungsstellen auch - seine Prüfungen unabhängig und nach den gesetzlichen Vorgaben durchführt. Glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel werden in unterschiedlichen Formen und mit verschiedenen Beistoffen ausgebracht, die zum Teil nicht bekannt sind, da sie unter die gesetzlich festgelegten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse fallen. Bestimmte Beistoffe, wie z. B. POE-Tallowamine (polyethoxylierte Alkylamine), haben eine höhere Toxizität als Glyphosat. Eine toxikologische Bewertung der Tallowamine wurde vom BfR nicht in den Bericht integriert. Diese fehlende Bewertung der Tallowamine kritisiert die Landesregierung deutlich, da das gesundheitliche Risiko für Mensch und Tier nicht abschließend bewertet werden kann. 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1200 Zu 2: Der Wirkstoff Glyphosat wird gerade im Ackerbau sehr häufig eingesetzt. Die pfluglose bzw. bodenschonende Bodenbearbeitung wurde im vorliegenden Umfang erst durch den erhöhten Einsatz von Glyphosat möglich. Unabhängig von den möglichen Risiken beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln führt Glyphosat in diesem Fall zu einer bodenschonenden Bearbeitung der Ackerflächen. Zu 3: Sollte Glyphosat von der EU weiter zugelassen werden, hat die Landesregierung keine rechtliche Grundlage, den Einsatz zu verbieten. Daher stellt sich diese Frage der Landesregierung nicht. Nach dem Pflanzenschutzgesetz ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln allerdings auf das „notwendige Maß“ zu beschränken. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass diese Einschränkung nicht in allen Fällen eingehalten wird. Es kann nicht sein, dass Glyphosat routinemäßig zur Abreifebeschleunigung (Sikkation) und damit zur Arbeitserleichterung eingesetzt wird. Daher muss der Einsatz zur Sikkation mit der erneuten Zulassung bzw. bei der künftigen Anwendung deutlich eingeschränkt werden. Des Weiteren schließt sich die Landesregierung dem Beschluss (Nr. 4) des Bundesrates vom 8. November 2013 (BR-Drs.704/13 [Beschluss]) an, wonach die Bundesregierung gebeten wird, zeitnah die rechtlichen Grundlagen für ein Verbot der Anwendung glyphosathaltiger Herbizide im Haus- und Kleingartenbereich zu schaffen. Zu 4: Bei dem genannten Video wurden virtuell hunderte Babys in die Erde verpflanzt und ein Flugzeug hat anschließend einen tödlichen Sprühnebel verteilt. Nachdem das Video in der öffentlichen Diskussion stark kritisiert wurde, hat die Naturschutzorganisation BUND dieses Video aus dem Netz genommen. Das Video entspricht in keiner Weise den Vorstellungen der Landesregierung über eine sachgerechte Darstellung von Kritikpunkten an der Verwendung von Glyphosat. Zu 5: Umweltorganisationen haben das Recht, kritische Berichte und Kampagnen zu den unterschiedlichsten Themen zu veröffentlichen. Das angesprochene Video hält auch die Landesregierung, wie bereits erwähnt, für unangemessen. Zu 6: Einzelne Betriebe oder Personen haben keine Möglichkeit, Kampagnen zu verhindern. Durch eine sachliche Darstellung der Fakten in den Medien kann der Glaubwürdigkeit fragwürdiger Meldungen entgegengewirkt werden. Christian Meyer 3 (Ausgegeben am ) (Ausgegeben am 17.02.2014) Drucksache 17/1200 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Hermann Grupe (FDP), eingegangen am 08.01.2013 Wie steht die Landesregierung zu Glyphosat? Antwort der Landesregierung