Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1228 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner und Dr. Marco Genthe (FDP), eingegangen am 21.11.2013 Sanierung von Industriebrachen Die Gemeinde Weyhe im Landkreis Diepholz hat jeweils in den Jahren 2011, 2012 und 2013 anlässlich einer Sanierungsmaßnahme des Ortskerns Leeste Anträge für Fördermittel aus dem Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ des Bundes und des Landes Niedersachsen gestellt. Zwischenzeitlich hat sich die Situation jedoch verschlechtert. Die Sanierungsmaßnahme im Zuge der städteplanerischen Überarbeitung des Ortskerns Leeste ist umfangreicher geworden, da zusätzlich zu der Industriebrache „Mühle Landwehr“ am Bahnhof Leeste auch der Bereich „Mostereibetrieb der Fa. Döhle“ weitestgehend ungenutzt ist. Nun ist die gesamte Fläche um den Bahnhof Leeste sanierungsbedürftig. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung bezüglich o. g. Brachflächen, insbesondere hinsichtlich etwaiger Altlasten? 2. Wer ist nach Auffassung der Landesregierung für die Sanierung der Flächen am Ende verantwortlich , insbesondere wenn private Eigentümer eine Sanierung entweder nicht angehen wollen oder insolvent sind? 3. Welches Weyher Gemeindeorgan hat sich wann und mit welchem Ergebnis an die Landesregierung gewandt? 4. Welche Fördermittel stehen für die Revitalisierung von Industriebrachen, insbesondere der o. g., aktuell zur Verfügung? 5. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um etwaige Fördermittel in Anspruch nehmen zu können? 6. Wer ist antragsberechtigt, und welche Behörden stehen Antragstellern beratend zur Seite? 7. Beabsichtigt die Landesregierung, den Flächenfraß in Niedersachsen einzuschränken, indem den Kommunen finanziell geholfen wird, Industriebrachen aufzukaufen oder zu sanieren, um sie wieder einer städtebaulich sinnvollen Verwendung zuzuführen? 8. In welchem Umfang sollen nach den Planungen der Landesregierung auch in der kommenden EU-Förderperiode europäische Mittel für das Brachflächenrecycling in Niedersachsen eingesetzt werden? (An die Staatskanzlei übersandt am 09.12.2014 - II/725 - 520) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 17.02.2014 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - Ref17-01425/17/7/04-0003 - Der Begriff der Sanierungsmaßnahme wird in den Aufgabengebieten des Städtebaus und der Bearbeitung von Altlasten mit unterschiedlichem Inhalt verwendet. Auf beiden Feldern bestehen Förderangebote für Sanierungsmaßnahmen gemäß dem jeweiligen Begriffsverständnis. Soweit im Zuge städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen Flächen mit Bodenkontaminationen bearbeitet werden, 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1228 existiert eine gewisse Schnittmenge zwischen den beiden Begriffen und auch hinsichtlich der Förderangebote . Im Rahmen des Bund-Länder-Programms zur Städtebauförderung unterstützt das Land Gesamtmaßnahmen der Kommunen zur städtebaulichen Erneuerung. Grundlage dieser Maßnahmen ist stets ein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept. Einzelmaßnahmen, die darauf abzielen, eine Industriebrache zu sanieren und die Fläche einer neuen städtebaulichen Nutzung zuzuführen, sind in diesem Zusammenhang grundsätzlich förderfähig. Bei Aufnahme in das Förderprogramm können der Kommune Städtebauförderungsmittel (je zur Hälfte Bundes- und Landesmittel) in Höhe von zwei Dritteln der unrentierlichen Kosten der Gesamtmaßnahme zur Verfügung gestellt werden, die Kommune hat einen Eigenanteil von einem Drittel zu leisten. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Altlastenverdachtsflächen werden in einem Kataster beim Landkreis Diepholz aufgrund ihrer früheren oder heutigen gewerblichen Nutzung erfasst. Mit dieser Erfassung ist nicht ohne Weiteres eine genauere Bewertung der einzelnen Fläche verbunden. In dem betroffenen Gebiet werden ein Altstandort (Mühle Landwehr, Ladestraße 3) und eine Verdachtsfläche (Mosterei Firma Döhle, Leester Str. 87) geführt. Bei dem Altstandort haben die Gemeinde Weyhe und die Firma Landwehr auf Grundlage einer Verfügung des Landkreises vom 03.01. bzw. 20.02.1996 eine Bodensanierung von Mineralölkohlenwasserstoffen (MKW) westlich des Mühlengebäudes durchgeführt. Als Schadensquelle gilt eine Tankanlage unterhalb des Mühlengebäudes. Der Schaden konnte nicht abschließend saniert werden , weil andernfalls die Standsicherheit des Mühlengebäudes gefährdet worden wäre. Die Ausbreitung der MKWs im Grundwasser wird langjährig durch ein Monitoring gutachterlich überwacht. Im Laufe der Zeit erfolgte eine Rekontamination der sanierten Bereiche westlich des Mühlengebäudes . Nach erneuter Messung von Ölphase in den Messstellen am Mühlengebäude wurde 2005 ein Sanierungsbrunnen zur Abschöpfung der Ölphase errichtet und betrieben. Nach der Übernahme der Firma Landwehr durch die Firma GS-AGRI (seit circa 2009), wird seit 2011 eine neue Anlage zur Sanierung der Ölphase und zur Grundwassersicherung betrieben. Eine Ausbreitung des Schadens auf weitere Grundstücke über das Grundwasser wurde nicht festgestellt. Mit dem Eigentümer ist vereinbart, dass bei einem seit 2006 in Aussicht gestellten Abriss des Mühlengebäudes eine Sanierung der Schadensquelle und der Bodenverunreinigungen erfolgt. Dies betrifft auch MKW-Kontaminationen im westlich und südlich des Mühlengebäudes liegenden Grundstückteil der Firma Landwehr und eine Teilfläche unterhalb der gemeindeeigenen Ladestraße. Neben dem bekannten Schaden gibt es weitere altlastenverdächtige Bereiche auf dem Grundstück, die bisher nicht näher untersucht wurden. Die Verdachtsfläche Mosterei Firma Döhle wurde aufgrund ihrer Branchenzuordnung als bedingt altlastenrelevant eingestuft. Bisher wurden keine Altlastenuntersuchungen durchgeführt. Zu 2: Zu Sanierungsmaßnahmen nach dem Bodenschutzrecht können gemäß § 4 Abs. 3 bis 6 BundesBodenschutzgesetz (BBodSchG) verschiedene Pflichtige herangezogen werden, insbesondere der Verursacher der Altlast, sein Gesamtrechtsnachfolger und der Eigentümer. Diese Verpflichtung ist im Falle der Verweigerung durch eine Anordnung der unteren Bodenschutzbehörde durchsetzbar (§ 10 Abs. 1 BBodSchG). Eine solche Anordnung kann wiederum gemäß den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsrechts in die Tat umgesetzt werden. Sofern keiner der in § 4 BBodSchG genannten Verantwortlichen herangezogen werden kann - z. B. wegen Insolvenz und/oder ungeklärter Verursachung - muss unter sorgfältiger Würdigung der Gefahrenlage entschieden werden, ob eine Sanierung von Altlasten im Wege der Ersatzvornahme mit öffentlichen Mitteln erfolgt. Zuständig für die Durchführung einer Ersatzvornahme im Altlastenbereich ist die jeweilige untere Bodenschutzbehörde. Die untere Bodenschutzbehörde hat die Mög- 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1228 lichkeit, im Rahmen der Förderrichtlinie Altlasten-Gewässerschutz beim Land Fördermittel zur Durchführung einer Ersatzvornahme zu beantragen. Die Förderquote beträgt bis zu 55 %. Die Förderrichtlinie ist bis Ende 2015 befristet. Zu 3: Die Gemeinde Weyhe hat die Maßnahme „Ortskern Leeste“ erstmals zum Programmjahr 2011 zur Aufnahme in das Städtebauförderungsprogramm - Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ - angemeldet. Ziel dieser Maßnahme ist die Stärkung des Ortskerns als Einzelhandelsstandort. Dazu sollen öffentliche Straßen und Plätze im Bereich der „Leester Straße“ umgestaltet werden, außerdem ist eine Neuordnung und Entwicklung der derzeit brachliegenden Fläche am „Alten Bahnhof Leeste“ geplant . Im Sommer 2010 fand in Leeste eine Ortsbesichtigung statt, an der u. a. Vertreter der Gemeinde Weyhe und des für das Städtebauförderungsprogramm zuständigen MS teilnahmen. Dabei ergab sich, dass die Maßnahme grundsätzlich die Voraussetzungen zur Aufnahme in das o. g. Förderprogramm erfüllt. Sie konnte jedoch nicht berücksichtigt werden. Zum Einen bestand im Vergleich zu anderen Antragstellern keine besondere Dringlichkeit der Sanierung, zum Anderen konnten der Gemeinde keine Fördermittel für den gesamten von ihr vorgesehenen Durchführungszeitraum von 2010 bis 2018 in Aussicht gestellt werden, da das Programm seitens des Bundes auf eine Laufzeit von acht Jahren (2008 bis 2015) befristet ist. Auch die Anmeldungen 2012 und 2013 konnten nicht berücksichtigt werden. Die Erfolgsaussichten der Anmeldung zum Programmjahr 2014 können derzeit noch nicht beurteilt werden. Der Bund hat noch keine Entscheidung darüber getroffen, ob das Programm über das Jahr 2015 hinaus fortgeführt wird. Außerdem steht die Höhe der Bundesmittel für das Programmjahr 2014 noch nicht fest, da der Bundeshaushalt 2014 voraussichtlich erst im Juli verabschiedet wird. Dadurch wird sich auch die Vorlage der Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung, die u. a. die Aufteilung der Mittel auf die einzelnen Förderprogramme und die Länder regelt, verzögern, sodass die Aufstellung des Städtebauförderungsprogramms des Landes erst im Sommer möglich sein dürfte. Zu 4: In der Städtebauförderung gibt es kein Kontingent von Fördermitteln für die Revitalisierung von Industriebrachen , da Fördergegenstand stets die städtebauliche Gesamtmaßnahme ist, bei der die Brachflächensanierung lediglich eine von mehreren Einzelmaßnahmen sein kann. Im Programmjahr 2013 stellte das Land Niedersachsen für die Städtebauförderung Mittel in Höhe von rund 62,7 Mio. Euro (Bundes- und Landesmittel) zur Verfügung. Zur Höhe der Fördermittel für das Programmjahr 2014 ist noch keine Aussage möglich; insoweit wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Ein Einsatz von Fördermitteln des Landes zur Altlastensanierung ist im o. g. Altstandort der Firma Landwehr nicht möglich, da ein solventes Privatunternehmen als Eigentümer die Verantwortung trägt. Zudem steht das Förderangebot zum Brachflächenrecycling aufgrund des Wechsels von einer EU-Förderperiode zur nächsten aktuell nicht zur Verfügung (siehe Antworten zu den Fragen 5 bis 8). Zu 5 und 6: Fördermittel im Rahmen der Förderrichtlinie Altlasten-Gewässerschutz stehen ausschließlich Kommunen zur Verfügung. Der konkrete Inhalt der Richtlinie ist mit Runderlass des MU v. 30.01.2012 (Nds. MBl. S. 171, geändert durch Erl. d. MU v. 18.03.2013, Nds. MBl. S. 291) veröffentlicht worden. Im Rahmen der Förderung aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) bestand bis zum Ende der Förderperiode 2007 bis 2013 ein Angebot gemäß der Brachflächen- und Altlasten-Förderrichtlinie (RdErl. d. MU v. 11.09.2007, Nds. MBl. S. 409, zuletzt geändert durch Erl. v. 03.09.2009, Nds. MBl. S. 858). Nach dem letzten Antragsstichtag am 30.09.2013 werden auf der 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1228 Basis dieser Regelung die anhängigen Verfahren zu Ende geführt. Eine Fortführung in der Förderperiode 2014 bis 2020 ist geplant (siehe Antwort zu Frage 8). Im Rahmen der EFRE-Förderung erfolgt eine Beratung durch die NBank mit Unterstützung des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Hildesheim. Bei der Förderrichtlinie Altlasten-Gewässerschutz steht das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim für Beratungen zur Verfügung. Im Rahmen des Städtebauförderprogramms sind ausschließlich Kommunen antragsberechtigt. Die Anmeldungen zur Aufnahme in das Städtebauförderungsprogramm sind beim MS über die örtlich zuständigen Ämter für regionale Landesentwicklung, die zum 01.01.2014 die bisherigen Aufgaben der Regierungsvertretungen in der Städtebauförderung übernommen haben, einzureichen. Dort können sich die Kommunen auch beraten lassen. Für die Gemeinde Weyhe (Landkreis Diepholz) ist das Amt für regionale Landesentwicklung LeineWeser in Hildesheim (derzeit noch in Hannover ansässig) zuständig. Einzelheiten zu den Antragsfristen und den vorzulegenden Unterlagen werden in der voraussichtlich im zweiten Quartal 2014 zu erwartenden Ausschreibung des Städtebauförderungsprogramms 2015 im Niedersächsischen Ministerialblatt veröffentlicht. Zu 7 und 8: Im Rahmen der EFRE-Förderung ab 2014 ist eine neue Förderrichtlinie zur Sanierung von Industrie - und Gewerbebrachen vorgesehen. Hier können auch Private einen Antrag stellen. Förderfähig sind im Rahmen der EFRE-Förderung nur Vorhaben, zu denen ein Verantwortlicher nach dem Bodenschutzrecht oder auf anderer Rechtsgrundlage nicht herangezogen werden kann. Hierzu sollen in der Förderperiode von 2014 bis 2020 insgesamt 22 Mio. Euro aus Mitteln der EU zur Verfügung gestellt werden. Die bis 2015 geltende Förderrichtlinie Altlasten-Gewässerschutz ermöglicht eine Unterstützung notwendiger Maßnahmen zur Gefahrenabwehr auch dann, wenn eine Kommune Eigentum an dem betroffenen Objekt besitzt, sofern dies nicht zu einem unangemessenen Vorteil für den früheren Eigentümer führt und der Verursacher nicht belangt werden kann. Die Landesregierung will den Flächenverbrauch reduzieren und Brachflächennutzung und Revitalisierung verstärkt in den Mittelpunkt stellen. Die Förderinstrumente sollen auf eventuelle Zersiedelung hin überprüft werden. Stefan Wenzel 4 (Ausgegeben am 25.02.2014) Drucksache 17/1228 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner und Dr. Marco Genthe (FDP), eingegangen am 21.11.2013 Sanierung von Industriebrachen Antwort der Landesregierung