Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1242 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Hermann Grupe (FDP), eingegangen am 09.01.2014 Wie wirkt sich die neue Gebührenordnung bei Lebensmittelkontrollen aus? Die Gebühren für Lebensmittelkontrollen sollen nach Plänen des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im kommenden Jahr steigen. Zudem sollen diese Gebühren in Zukunft von den kontrollierten Betrieben statt wie bisher aus Steuermitteln finanziert werden. Landwirtschaftsminister Meyer verteidigt diese Änderung gegenüber der Presse damit, dass er „mit der Novelle der Gebührenordnung mehr Gerechtigkeit und zurück zum Verursacherprinzip“ (Neue Presse vom 17.12.2013) wolle. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie wird die neue Gebührenordnung konkret aussehen? 2. Wie rechtfertigen sich die Gebühren bei konkreten Futtermitteluntersuchungen, beispielsweise nach Aflatoxin oder Dioxin? 3. Auf welcher Grundlage wurden die neuen Gebühren errechnet? 4. Inwieweit gibt es Gebührenerleichterungen für kleine Betriebe? 5. Inwieweit ist die Landesregierung der Auffassung, dass die neue Gebührenordnung eine Belastung für kleine Betriebe darstellt? 6. Plant die Landesregierung, die Gebühren auf die Kunden umzulegen, und, wenn ja, in welcher prozentualen Höhe? 7. Wie will die Landesregierung gewährleisten, dass die neuen Gebühren nicht zu Schließungen kleiner Betriebe führen? 8. Welche Auswirkungen haben die neuen Gebühren nach Auffassung der Landesregierung auf den Einzelhandel? 9. Gilt das Verursacherprinzip nach Auffassung der Landesregierung auch dann, wenn in einem Betrieb nichts beanstandet werden konnte? 10. Wie viele Lebensmittelskandale gab es in den vergangenen fünf Jahren in kleinen Betrieben wie Bäckereien oder Fleischereien? 11. Wie ist sichergestellt, dass die Kontrolleure, wenn die Gebühren nach Zeitaufwand bemessen würden, in einer angemessenen Zeit arbeiten und nicht die Kosten hochtreiben? 12. Wer kontrolliert die Kontrolleure? (An die Staatskanzlei übersandt am 16.01.2014 - II/725 - 568) 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1242 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 19.02.2014 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 202-05031-43 - Die Stärkung des Verbraucherschutzes ist im Koalitionsvertrag erklärtes Ziel der Landesregierung. Eine Verstärkung der Kontrollen benötigt auf staatlicher Seite mehr Personal und größere Untersuchungskapazitäten . Defizite bestehen nicht nur im Lebensmittelbereich, sondern wie die Vorfälle bezüglich Dioxin zum Jahreswechsel 2010/2011 sowie Aflatoxin in Mais Anfang 2013 gezeigt haben , auch im Futtermittelbereich. Wie im Koalitionsvertrag angekündigt, erfolgt die Gegenfinanzierung durch „kostendeckende Gebühren “. Mit dem Entwurf der „Gebührenordnung für den Verbraucherschutz und die Veterinärverwaltung“ werden nunmehr für amtliche Regelkontrollen entsprechende Gebühren eingeführt, die eine Verstärkung der amtlichen Überwachung erlauben ohne die öffentlichen Haushalte zusätzlich zu belasten . Dazu führt auch der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung in seinem Gutachten zur „Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes“ aus: „Das EU-Recht verbietet es, aus Kostengründen auf eine angemessene finanzielle Ausstattung der amtlichen Kontrolle zu verzichten oder Abstriche zu machen. Die Mitgliedstaaten haben die Kontrollstrukturen bei freier Wahl der Finanzierungsform (Steuern, Gebühren oder Kostenbeiträge) so auszustatten, dass diese ihre an den hohen Zielen des EU-Rechts ausgerichteten Aufgaben wirksam erfüllen können.“ Der Bundesbeauftragte führt im Gutachten weiter aus: „Die Bestimmungen in Artikel 26 und folgend der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 beschränken die Befugnis zur Schaffung von Gebührentatbeständen deshalb auch nicht auf Anlasskontrollen und - Anlassuntersuchungen.“ Der Mehrbedarf zur Stärkung der Lebensmittel- und Futtermittelkontrolle wird durch die Gebühreneinnahmen gedeckt werden. Die Wirtschaft wird nur anteilig für die Kosten des Kontrollsystems in Anspruch genommen werden, da die erwartbaren Einnahmen aufgrund der neuen Gebührenregelung nicht die Gesamtkosten für das amtliche Kontrollsystem decken werden. Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Ziel ist eine neue Gebührenverordnung. Die „Gebührenordnung für den Verbraucherschutz und die Veterinärverwaltung“, kurz GOVV, soll eine Ministerverordnung des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sein. In dieser werden alle Gebührentatbestände im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums zur Sicherheit und zum Schutz der Verbraucher in der gesamten Lebensmittelkette, inklusive der Futtermittel- und Marktüberwachung, sowie der Tiergesundheit und des Tierschutzes aus bisher drei Gebührenordnungen (Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen - Allgemeine Gebührenordnung - AllGO, Gebührenordnung für die Veterinärverwaltung - GOVet, Gebührenordnung für die amtliche Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeuntersuchung - GO-LebensmBG) zusammengeführt. In der Folge sind Änderungen bzw. Aufhebungen in den geltenden Gebührenordnungen, insbesondere in der Allgemeinen Gebührenordnung erforderlich. Die Umsetzung erfolgt in Form einer Artikelverordnung der beiden betroffenen Ministerien, dem Finanzministerium und dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Artikel 1 beinhaltet die neue Gebührenordnung, die GOVV. Artikel 2 regelt die Änderung der Allgemeinen Gebührenordnung mit der Streichung der in die GOVV übernommenen Tarifnummern und 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1242 Artikel 3 regelt das Inkrafttreten der Verordnung und das Außerkrafttreten der bisherigen Gebührenordnungen des ML. Die GOVV selbst besteht aus einem allgemeinen, verfügenden Teil und einem Anhang, in dem die Kostentarife für einzelne Gebührentatbestände aufgeführt sind. Im allgemeinen Teil werden die grundsätzlichen Regelungen getroffen, wann und wie Kosten erhoben werden. Im Anhang sind die einzelnen Rechtsgebiete nach Abschnitten gegliedert mit den jeweiligen Gebührentatbeständen aufgelistet. Zu 2: Bisherige Gebührentatbestände für Untersuchungsleistungen wurden unter Berücksichtigung der allgemeinen Kostensteigerung aktualisiert. Neue Kalkulationen erfolgten auf Basis der Kostenleistungsrechnung des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) bzw. auf Basis der Grundsätze für den Leistungsaustausch der Untersuchungseinrichtungen im Rahmen der Norddeutschen Kooperation. In dieser Kalkulation werden als Aufwand und Umfang für die jeweilige Untersuchung berücksichtigt : – die für die Untersuchung benötigten Chemikalien und Verbrauchsmaterialien – Geräteabschreibung der verwendeten Analysegeräte – Personalkosten des eingesetzten Personals – Gemeinkosten (Personal und Labor) Zu 3: Neue Gebühren im Entwurf der Gebührenordnung für den Verbraucherschutz und die Veterinärverwaltung sind nach dem jeweiligen Aufwand der Amtshandlung oder Leistung bestimmt worden. Pauschalgebühren wurden unter Berücksichtigung des Gesamtaufwandes ermittelt. Zu 4: Die Gebührenberechnung nach Aufwand führt bei kleinen Betrieben zu niedrigeren Kosten, da dort der Aufwand in der Regel geringer ist als in einem Großbetrieb. Die Futtermittelüberwachung führt in der Regel keine gebührenpflichtigen Regelkontrolle und Planprobenahme in landwirtschaftlichen Betrieben durch. Daher sind bäuerliche Betriebe von der Neuregelung bei Regelkontrollen und -probenahmen nicht betroffen. Unbenommen gilt die Billigkeitsregelung nach § 11 Abs. 2 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes . Danach kann die Behörde die Kosten ermäßigen oder von der Erhebung absehen, wenn dies im Einzelfall mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kostenschuldners oder sonst aus Billigkeitsgründen geboten ist. Darüber hinaus sind für eine überarbeitete Fassung der Gebührenordnung Modelle erstellt worden, um eine eventuelle Belastung von Kleinstunternehmen weiter zu reduzieren und zu begrenzen. Diese Regelung wird sich am Umsatz orientieren und eine maximale Gebührenhöhe für die Regelkontrolle festlegen. Dabei ist eine zweistufige Differenzierung vorgesehen. Bei einem Jahresumsatz von weniger als 125 000 Euro zahlen zulassungspflichtige Unternehmen pro Kontrolle maximal 56 Euro, nicht zulassungspflichtige maximal 43 Euro. Beträgt der Jahresumsatz nicht mehr als 250 000 Euro, zahlen zulassungspflichtige Unternehmen pro Kontrolle maximal 92 Euro, nicht Zulassungspflichtige maximal 66 Euro. Ebenso wird eine Regelung für Reisegewerbsunternehmen wie Marktstände, Schausteller etc. aufgenommen , sodass diese nur noch am Ort der Niederlassung oder des gewöhnlichen Aufenthaltes kostenpflichtig kontrolliert werden, um mehrfache Gebührenerhebungen zu vermeiden. 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1242 Zu 5: Siehe Antwort zu Frage 4. Durch das dort genannte Modell wird es eine Erleichterung für Kleinstbetriebe geben und dadurch deren besonderer Situation Rechnung getragen werden. Die Landesregierung geht nicht von einer übermäßigen Belastung der Kleinstbetriebe aus. Zu 6: Nein, es liegt nicht in der Kompetenz der Landesregierung darüber zu entscheiden. Die Gebühren werden für Amtshandlungen und Leistungen gemäß dem Entwurf ausschließlich gegenüber der Kostenschuldnerin oder dem Kostenschuldner erhoben. Zu 7: Es ist vorgesehen die in der Antwort zu Frage 4 genannten Regelungen für Kleinstunternehmen und das Reisegewerbe neu in die Gebührenordnung aufzunehmen. In besonderen Fällen kann von der Gebührenerhebung nach der Härtefall- und Billigkeitsregelung nach § 11 Abs. 2 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes abgesehen werden. Die Kontrollfrequenz richtet sich nach der individuellen Risikoeinstufung, daran ändert die geplante GOVV nichts. Die Landesregierung wird darauf achten, das Kleinstbetriebe von den Kommunen auch weiterhin gemäß ihrer Risikoeinstufung und nicht willkürlich kontrolliert werden. Zu 8: Unter Berücksichtigung des Umsatzes des niedersächsischen Einzelhandels mit Nahrungsmitteln usw. in Verkaufsräumen (Nahrungsmittel, Genussmittel, Getränke, Tabakwaren) von 1,24 Mrd. Euro im Jahr 2011 (Angaben des Niedersächsischen Landesamts für Statistik) werden die Auswirkungen der neuen Gebühren nach dem Entwurf der Gebührenordnung für den Verbraucherschutz und die Veterinärverwaltung auf den Einzelhandel als sehr gering eingeschätzt. Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen, die dargestellten Sachverhalte gelten auch entsprechend für den Einzelhandel. Zu 9: Ja. Ein Unternehmen aus der Lebensmittelkette muss aufgrund europarechtlicher Vorgaben einer regelmäßigen amtlichen Kontrolle unterliegen. Daher sind Unternehmen unabhängig von festgestellten Mängeln, die zu zusätzlichen amtlichen Kontrollen führen, grundsätzlich als Veranlasser regelmäßiger staatlicher Überwachungsmaßnahmen anzusehen. Zu 10: Es ist richtig, dass die Mehrzahl der „Skandale“ der letzten Jahre ihren Ursprung im internationalen Handel oder bei Großunternehmen hatte (Dioxin, Aflatoxin, Pferdefleisch). Eine Intensivierung der Kontrollen im Bereich der Vorprodukte schützt kleine Betriebe. Durch den Bezug von sicheren Vorprodukten können diese sichere Produkte herstellen, ohne übermäßigen Aufwand durch betriebseigene Kontrollen leisten zu müssen. Ein mehr an Verbraucherschutz in der Kette schützt daher gerade auch Bäckereien und Fleischereien Opfer von „Skandalen“ zu werden. Nach der Erfahrung der kommunalen Behörden und dem Verbraucherschutzbericht des Landes kommt es jedoch auch in kleinen Betrieben insbesondere aufgrund von Hygienemängeln öfter zu Beanstandungen. Zu 11: Das Kontrollpersonal im Dienste der kommunalen Behörden und der Landesbehörden ist nach dem Dienstrecht zu einer angemessenen Arbeit verpflichtet. Die Kontrollen werden in dem bekannten Maße und Rahmen, basierend auf der Risikobewertung durchgeführt. Die Gebührenbemessung nach dem Maß des Verwaltungsaufwands, insbesondere nach dem erforderlichen Zeitaufwand stellt dabei ein Grundprinzip der Kostenerhebung der Verwaltung dar. Daher wird in anderen Bereichen des niedersächsischen Gebührenrechts ebenfalls nach dieser Be- 4 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1242 messung verfahren, beispielsweise bei Überwachungsmaßnahmen der Gewerbeaufsicht (Allgemeine Gebührenordnung Tarifnummer 39). Für den Fall, dass die oder der Kontrollierte der Auffassung ist mit einem übermäßigen Zeitaufwand oder nicht korrekt kontrolliert worden zu sein, stehen entsprechende Rechtsmittel zur Verfügung. Zu 12: Das Überwachungspersonal unterliegt nach dem Dienstrecht der Aufsicht der kommunalen Behörde bzw. der Aufsicht der Landesbehörde. Ferner unterliegen die kommunalen Lebensmittelüberwachungsbehörden und das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit der Fachaufsicht des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und diesem steht das Mittel der Geschäftsprüfung zur Verfügung. Zudem existiert bei allen niedersächsischen Behörden der Lebensmittelüberwachung ein landesweit einheitliches Qualitätsmanagementsystem. Die Einhaltung der QM-Vorgaben wird von einer unabhängigen Audit-Stelle durch ein jährliches Audit überprüft. 5 (Ausgegeben am 27.02.2014) Drucksache 17/1242 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Hermann Grupe (FDP), eingegangen am 09.01.2014 Wie wirkt sich die neue Gebührenordnung bei Lebensmittelkontrollen aus? Antwort der Landesregierung