Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1269 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Rainer Fredermann (CDU), eingegangen am 16.01.2014 Welche messbaren Auswirkungen hat die Wiedervernässung von Mooren in Niedersachsen auf die Umwelt? Ein wichtiges Element des Naturschutzes in Niedersachsen ist der Moorschutz. Die CDU setzt sich für einen maßvollen Torfabbau und eine Renaturierung genutzter Flächen ein (vgl. Regierungsprogramm 2013 bis 2018). Rot-Grün plant laut Koalitionsvertrag eine weitere Stärkung des Moorschutzes . Wörtlich heißt es: „Die rot-grüne Koalition wird eine Bestandsanalyse der Hoch- und Niedermoore zur Grundlage für die Entwicklung eines Moorschutzkonzeptes in Niedersachsen machen. Ziel ist es, Böden mit hohen Kohlenstoffgehalten wieder in einen naturnahen Zustand zu versetzen, um ihre Klima- und Bodenschutzfunktionen zurückzugewinnen.“ Es ist jedoch wissenschaftlich umstritten , ob eine Wiedervernässung von Mooren messbare positive Effekte für den Natur- und Klimaschutz aufweist. Dies gilt insbesondere für die Bildung und Freisetzung großer Mengen von Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas N2O). Das Ausmaß der Freisetzungen scheint dabei stark abhängig von der Art der Vegetation sowie den individuellen Klimabedingungen vor Ort zu sein. So lautet ein zentraler Befund des BMBF-Verbundprojekts „Klimaschutz durch Moorschutz in der Praxis“ (2013): „Bisherige Messungen in genutzten Mooren ergaben weite standort- und nutzungsabhängige Spannen in der Treibhausbilanz genutzter Moore.“ Auch bestehen Zweifel hinsichtlich der Bedeutung zusätzlicher Methanemissionen, die beispielsweise bei Joosten et al. (2006) als verhältnismäßig langwierig angenommen werden: „Die Phase der erhöhten Methanfreisetzung nach Wiedervernässung kann 10 bis 20 Jahre dauern.“ Der Lehrstuhl für Landschaftsökologie und Standortkunde der Universität Rostock weist ferner darauf hin: „In einem aktuell am Lehrstuhl Landschaftsökologie und Standortkunde untersuchten brackigen Niedermoor ist allerdings ein gegenläufiger Effekt eingetreten: Die Emission der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan ist infolge der Überstauung dramatisch angestiegen.“ Einschlägige Studien wie Höper (2007) weisen ferner auf die geringe Fallzahl vorliegender Studien und damit Zweifel an deren Repräsentativität hin. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wo und in welchem Umfang wurden in den vergangenen zehn Jahren Moore in Niedersachsen wiedervernässt? 2. Welche Messergebnisse liegen zur Bildung und Freisetzung von CO2, CH4 und N2O vor, während und nach der Wiedervernässung vor? 3. Wie häufig werden entsprechende Gasproben durchgeführt, aufgeschlüsselt nach Beprobungsstellen pro Quadratkilometer und Frequenz pro Vegetationstyp, gegebenenfalls abhängig von der Jahreszeit sowie anderen Einflussparametern? (An die Staatskanzlei übersandt am 24.01.2014 - II/725 - 579) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 28.02.2014 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - Ref17-01425/17/7/01-0031 - Die Landesregierung hat 2008 die Regierungskommission Klimaschutz mit dem Auftrag berufen, umfassende Empfehlungen für eine niedersächsische Klimaschutzstrategie zu erarbeiten. In der 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1269 2012 vorgelegten Strategie empfiehlt sie der Landesregierung sechs Handlungsfelder, von denen eines „Landwirtschaft und Erhalt organischer Böden“ ist. Die Regierungskommission stellt fest, dass die landwirtschaftliche Moornutzung die größte Treibhausgasquelle in der Landwirtschaft Niedersachsens bildet. Hinzu kommt, dass auch ungenutzte, entwässerte und degenerierte Moore sowie nicht optimal vernässte ehemalige Torfabbauflächen Treibhausgase freisetzen. Die Regierungskommission empfiehlt, den Moorschutz auch auf den Klimaschutz unter Einbeziehung landwirtschaftlich genutzter Böden auszurichten. Von zentraler Bedeutung für den Erhalt organischer Böden und den Klimaschutz ist die Wiederherstellung natürlicher Wasserstände. Die Landesregierung erarbeitet zurzeit ein Programm zum Schutz und zur Weiterentwicklung der niedersächsischen Moorlandschaften. Ziel des Programms ist u. a. die Reduzierung der CO2-Emissionen aus Mooren als Beitrag zum Klimaschutz sowie die Sicherung und Entwicklung noch bestehender naturnaher Moore als Kohlenstoffsenken und zum Erhalt der biologischen Vielfalt . Darüber hinaus ist geplant, im Landesraumordnungsprogramm auf Vorranggebiete für den Torfabbau zu verzichten. Die fachlichen Grundlagen für das Programm über Möglichkeiten sowohl des landwirtschaftlichen Klimaschutzes auf organischen Böden wie auch des Klimaschutzes auf ungenutzten, entwässerten und degenerierten Mooren und nicht optimal vernässten ehemaligen Torfabbauflächen werden zurzeit von einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe unter Leitung des MU erarbeitet. Das Verfahren zur Änderung des Landes-Raumordnungsprogramms zur Streichung sämtlicher Vorranggebiete zur Rohstoffgewinnung für den Torfabbau ist eingeleitet. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Moore werden nach Hoch- und Niedermooren unterschieden. Zu den Hochmooren liegen Daten (Stand: 15.05.2012) aus einer Umfrage bei den unteren Naturschutzbehörden , die in der Kulisse des Niedersächsischen Moorschutzprogramms von 1981 liegen, vor. Nach Angaben der unteren Naturschutzbehörden sind seit 1981 von den abgetorften Hochmooren circa 12 500 ha Hochmoorflächen wiedervernässt worden. Zum Vernässungs- bzw. Wiedervernässungsgrad der circa 14 100 ha natürlichen und naturnahen sowie der circa 26 400 ha degenerierten Hochmoore sind keine differenzierten Angaben möglich, da es keine zusammengeführte Erfassung der Maßnahmen des Landes, der Kommunen und der Naturschutzverbände gibt. Niedermoore sind nicht im Niedersächsischen Moorschutzprogramm von 1981 erfasst. In ausgewählten Naturschutzprojekten wurden Niedermoorflächen vernässt. Zu nennen sind hier insbesondere Gebiete im Drömling und das Ochsenmoor am Dümmer. Eine zusammengeführte Erfassung der Maßnahmen liegt nicht vor. Zu 2: Seit 2006 sind bundesweit zwei große Verbundvorhaben zur Messung der Treibhausgasemissionen aus Mooren und anderen kohlenstoffreichen Böden unterschiedlichster Ausprägung und Nutzung unter Beteiligung des Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie-Niedersachsen durchgeführt worden: das Projekt „Klimaschutz - Moornutzungsstrategien“, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), und das Projekt „Organische Böden“, gefördert vom Thünen -Institut, Braunschweig (TI). Im Rahmen dieser Projekte wurde eine Vielzahl von Standorten untersucht. Eine Auswertung der Ergebnisse aus dem BMBF-Vorhaben wurde von Drösler et al. (2011, 3013) vorgenommen, die abschließende Auswertung der Ergebnisse aus dem TI-Vorhaben steht noch aus (der Hinweis auf die geringe Fallzahl bei Höper [2007] ist daher nicht mehr aktuell). 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1269 In den o. g. Studien wurden die Flüsse aller drei Treibhausgase, CO2, CH4 und N2O gemessen und im globalen Treibhauspotenzial, also gewichtet nach ihrer Klimawirkung, als t CO2-Äquivalente zusammengefasst. Daraus lassen sich folgende Erkenntnisse gewinnen: 1. Hoch- und Niedermoore unter Acker- oder Grünlandnutzung weisen im entwässerten Zustand die höchsten Treibhausgasemissionen auf. 2. Der Wasserstand hat den stärksten Einfluss auf die Treibhausgasemissionen. Erhöht man die mittleren Jahreswasserstände von etwa 50 bis 60 cm unter Flur auf 0 bis 10 cm unter Flur, so sinken die Treibhausgasemissionen linear. Bei Wasserständen von etwa 10 cm unter Flur sind die geringsten Emissionen festzustellen, teilweise findet sogar eine Festlegung von Treibhausgasen in Form von Torf statt, der Standort hat eine, wenn auch geringfügige, kühlende Wirkung auf das globale Klima. 3. Wiedervernässte Moore kommen in ihren Treibhausgasemissionen den naturnahen Mooren relativ nahe. Die Methanemissionen können zwar auch noch während der ersten 30 Jahre nach Vernässung etwas höher sein als auf naturnahen Mooren, die gesamten Treibhausgasemissionen bleiben dennoch deutlich unter denen der entwässerten Moore. Einzige Ausnahme , aber häufig zitiert, ist ein ungeregelt überflutetes Flusstalmoor im Peenetal, MecklenburgVorpommern . Hier stellten sich Wasserstände von mehr als 0,5 m über Gelände ein, außerdem findet ein Zustrom kohlenstoffhaltigen Wassers statt, der die nachhaltig hohe Methanfreisetzung bewirkt. In Niedersachsen liegen Erfahrungen mit wiedervernässtem Grünland (Ahlenmoor - Hochmoor, Dümmerniederung - Niedermoor) und mit wiedervernässten ehemaligen Abtorfungsflächen (Ahlenmoor , Landkreis Cuxhaven und Leegmoor, Landkreis Emsland) vor und bestätigen die o. g. Aussagen . Zu 3: Messungen der Treibhausgasemissionen von Mooren sind derzeit noch relativ aufwändig und werden daher nicht routinemäßig und auch nur an wenigen Stellen durchgeführt. Insgesamt liegen für Niedersachsen Messungen an 20 Standorten über jeweils mindestens zwei Jahre vor. Folgende Nutzungen sind abgedeckt: Ackerland, Intensivgrünland, Extensivgrünland, Feuchtgrünland, degenerierte Hochmoorstadien, naturnahe Hoch- und Niedermoore, vernässte Abtorfungsflächen, Flächen in aktueller Abtorfung und eine Torfmooskulturfläche. Die Beprobung erfolgte ganzjährig alle zwei (Lachgas, Methan) oder vier Wochen, die Gasflüsse zwischen den Messungen wurden nach wissenschaftlich anerkannten Verfahren ermittelt. Als Begleitparameter wurden Boden- und Lufttemperaturen , Strahlung, Niederschlag, Wasserstände, Nitrat- und Ammoniumgehalte im Boden, Biomasse im Aufwuchs und im Erntegut, Nährstoffzufuhr durch Düngung und Termine von Bodenbearbeitung und Bestellung erfasst. Aus Ergebnissen des BMBF-Verbundvorhabens Klimaschutz - Moornutzungsstrategien hat sich ergeben , dass sich die Treibhausgasemissionen an einem Standort relativ gut anhand der Wasserstände und der Nutzungsintensität vorhersagen lassen (Drösler et al., 2013). Stefan Wenzel 3 (Ausgegeben am 07.03.2014) Drucksache 17/1269 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Rainer Fredermann (CDU), eingegangen am 16.01.2014 Welche messbaren Auswirkungen hat die Wiedervernässung von Mooren in Niedersachsen auf die Umwelt? Antwort der Landesregierung