Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1309 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Belit Onay, Helge Limburg, Filiz Polat und Meta Janssen-Kucz (GRÜNE), eingegangen am 29.11.2013 Befragungen von Flüchtlingen durch deutsche und US-amerikanische Beamte in Niedersachsen Nach einem Zeitungsbericht der Süddeutschen Zeitung vom 20. November 2013 mit dem Titel „Hauptstelle Horch“ und einem Onlinebericht des NDR vom 19. November 2013 mit dem Titel „Geheimdienst macht Druck auf Asylbewerber“ werden jedes Jahr 500 bis 1 000 Asylbewerberinnen und Asylbewerber im Rahmen des Anerkennungsverfahrens einer Befragung durch die „Hauptstelle für Befragungswesen“ (HBW) unterzogen. Dies war zuletzt 1990 in der Drucksache 12/326 Gegenstand einer Kleinen Anfrage im Landtag. Bei der HBW handelt es sich um eine dem Bundeskanzleramt unterstellte Behörde, die sich auf das „Abschöpfen“ von Wissen von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern spezialisiert hat und über eine Außenstelle in Friedland verfügt. Ziel des „Abschöpfens“ ist u. a. die Erlangung militärischer Informationen . Nach dem Bericht des NDR fänden entsprechende Befragungen auch in Hannover statt. Weiterhin fänden sie in enger Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten statt, in Einzelfällen sogar ausschließlich durch ausländische Nachrichtendienste. Die erlangten Informationen fließen u. a. in sogenannte Zielerfassungssysteme US-amerikanischer Geheimdienste ein, auf die u. a. bei tödlichen Luftschlägen durch Drohnen zurückgegriffen wird. Überdies werde bei den Befragten der Eindruck erweckt, es bestünde ein Zusammenhang zwischen ihrer Auskunftsbereitschaft und der Erfolgsaussicht ihrer Asylanträge. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung von etwaigen Befragungen durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hauptstelle für Befragungswesen und durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausländischer Nachrichtendienste in Niedersachsen? 2. Welche in- und ausländischen Dienste führten solche Befragungen durch? 3. Auf welcher Rechtsgrundlage haben die jeweiligen Befragungen stattgefunden? 4. An welchen weiteren Standorten außer Friedland und Hannover haben solche Befragungen stattgefunden (z. B. in Braunschweig und Bramsche)? 5. Nach Information von Herrn Norbert Grehl-Schmitt (Asyl und Flüchtlingsberatung, Integrationsberatung des Caritasverbands der Diözese Osnabrück e. V.) haben Befragungen von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in der Landesaufnahmebehörde Bramsche-Hesepe Ende der 90er-Jahre durch das HBW stattgefunden. a) Welche Informationen liegen der Landesregierung darüber vor? b) Finden diese Befragungen am Standort Bramsche-Hesepe weiterhin statt? c) Wenn ja, welche Informationen liegen der Landesregierung darüber vor? d) Wenn nein, wann wurden diese Befragungen beendet? 6. a) Gibt es ebenfalls Liegenschaften des Bundes bzw. der Hauptstelle für Befragungswesen in den anderen Erstaufnahmestellen für Flüchtlinge in Niedersachsen in Braunschweig und Bramsche? b) Wer hat das Nutzungsrecht bei diesen Liegenschaften? 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1309 c) Mit welchem Nutzungsrecht sind die Liegenschaften vom Land Niedersachsen ausgestattet ? d) Wer ist der Eigentümer dieser Liegenschaften? e) Wer ist im Grundbuch eingetragen? 7. a) Gab bzw. gibt es eine Zusammenarbeit oder einen Austausch zwischen dem Amt für Befragungswesen und niedersächsischen Behörden? b) Wenn ja, in welcher Form und auf welcher Rechtsgrundlage? 8. a) Finden diese Befragungen weiterhin statt? b) Wenn ja, wo? c) Wenn nein, seit wann nicht mehr? 9. Nach welchen Kriterien werden Flüchtlinge für eine Befragung ausgewählt? 10. a) Gibt es besondere Räumlichkeiten, die für solche Befragungen vorgesehen sind? b) Wenn ja, welche und wie viele? 11. a) Unter welcher Voraussetzung fanden die Befragungen statt? b) Beruhen sie auf Freiwilligkeit? c) Welche Versprechungen wurden gemacht? 12. a) Hat die Teilnahme an den Befragungen Auswirkungen auf die Bewertungen des Asylverfahrens ? b) Wenn ja, in welcher Form? (An die Staatskanzlei übersandt am 11.12.2013 - II/725 - 526) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 04.03.2014 für Inneres und Sport - 62.21 - 01425 - Die Tätigkeit der Hauptstelle für Befragungswesen war im Landtag zuletzt 1990 Gegenstand einer Kleinen Anfrage. Diese von den Fragestellern in Bezug genommene Anfrage (Drs. 12/326) wurde von der Landesregierung am 06.11.1990 durch den damaligen Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) wie folgt beantwortet (Drs.12/455): „Bei der Hauptstelle für Befragungswesen (HBW) handelt es sich um eine Dienststelle des Bundes. Kompetenzen des Landes sind nicht berührt. Die Landesregierung sieht daher - einer ständigen Übung folgend - von einer Stellungnahme ab und verweist auf die entsprechenden Organe des Bundes.“ Dies gilt im Prinzip auch heute noch. Die Landesregierung hat in diesem Zusammenhang zu respektieren , dass die zur Organisation, Arbeitsweise und zur Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten von Abgeordneten des Deutschen Bundestags zur Tätigkeit der HBW gestellten parlamentarischer Anfragen durch die Bundesregierung nicht offen beantwortet, sondern aus Gründen des Staatswohls weiterhin als geheimhaltungsbedürftig eingestuft wurden (s. Plenarprotokoll 18/3 vom 28.11.2013, Anlagen 16 bis 20, S. 212; BT-Drs. 18/215). 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1309 Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Der Landesregierung liegen keine gesicherten Erkenntnisse über die Art und Weise der Tätigkeit der HBW sowie über den Ablauf der Befragungen vor. In der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) und ihren Vorgängerbehörden wurde das Auftreten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausländischer Geheimdienste in keinem Fall festgestellt . Zu 2: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Zu 3: Da niedersächsische Dienststellen mit den Befragungen nicht befasst waren, liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Zu 4: Der Landesregierung liegen keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, wo Befragungen durchgeführt wurden. Zu 5: Es kann ausgeschlossen werden, dass bis Ende der 90er-Jahre in Bramsche Befragungen von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern stattgefunden haben, da das ehemalige Grenzdurchgangslager Osnabrück-Bramsche erstmals am 01.10.2000 als Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende genutzt wurde. Zu 5 a: Keine. Zu 5 b: Nein. Zu 5 c: Keine. Zu 5d: Es liegen keine Erkenntnisse vor. Zu 6 a bis d: Nein. Zu 7 a und b: Dem Niedersächsischen Verfassungsschutz ist die Tätigkeit zwar bekannt gewesen, allerdings hat es keine Kontakte gegeben. Auch gab und gibt es keine Zusammenarbeit und keinen Austausch mit der niedersächsischen Polizei. Sofern an Standorten der LAB NI bzw. deren Vorgängerbehörden in der Vergangenheit Befragungen von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern, jüdischen Emigrantinnen und Emigranten und Asylsuchenden durchgeführt wurden, sind diese, sofern überhaupt bekannt, von Landesdienststellen nicht aktenkundig gemacht worden, weil es einer Dokumentation zur Erfüllung der eigenen Aufgaben nicht bedurfte. Zu 8 a bis c: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob derartige Befragungen auch derzeit noch durchgeführt werden. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen zur Schutzbedürftigkeit von Aussagen zur Organisation und Arbeitsweise der HBW verwiesen. 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1309 Zu 9: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Zu 10 a und b: In der LAB NI werden keine Räumlichkeiten vorgehalten. Zu 11 und 12: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Boris Pistorius 4 (Ausgegeben am 18.03.2014) Drucksache 17/1309 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Belit Onay, Helge Limburg, Filiz Polat und Meta Janssen-Kucz (GRÜNE), eingegangen am 29.11.2013 Befragungen von Flüchtlingen durch deutsche und US-amerikanische Beamte in Niedersachsen Antwort der Landesregierung