Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1344 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 06.02.2014 Fanregistrierung und Anreisenachweise von Fußballfans Gewalt und Straftaten im Rahmen von Fußballspielen sind Phänomene, denen gemeinsam und nachhaltig begegnet werden muss. Die Zahlen der Vorfälle sind trotz 788 Verletzter und 6 500 eingeleiteter Strafverfahren in der abgelaufenen Spielzeit der 1. und 2. Fußballbundesliga erfreulicherweise rückläufig. So nahm die Zahl der Verletzten im Rahmen von Fußballspielen gegenüber der Vorsaison um etwa 31 % ab, pyrotechnische Vergehen kamen ebenfalls deutlich weniger vor. Die Zahl der Arbeitsstunden der Polizei konnte reduziert werden. Die Anzahl der eingeleiteten Strafverfahren sank um 20 %. Über die Zahl der rechtskräftigen Verurteilungen macht die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) hingegen keine Angaben. Durch Auf- und Abstiege sind teilweise Verlagerungen in die unteren Ligen zu verzeichnen. Die deutschen Stadien zählen insbesondere im Profifußball zu den sichersten Arenen der Welt. Vorfälle haben sich in den letzten Jahren stärker auf die Anreisewege verlagert. Die tatsächliche Summe von Verletzten und Straftaten ist weder zu bagatellisieren noch zu skandalisieren. Es sind geeignete Maßnahmen wie die des Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit (NKSS) und des Zehn-Punkte-Plans gegen Gewalt im Fußball fortzuführen, um Gewalttaten weiter zu reduzieren. Dabei sind die Verhältnismäßigkeit der Mittel und das Rechtstaatsprinzip der Unschuldsvermutung dringend zu wahren. In der Antwort auf die Kleine schriftliche Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen und Dr. Marco Genthe (FDP) „Projekte gegen Gewalt im Fußball“ (Drs. 17/1096) hat Innenminister Boris Pistorius Präventivmaßnahmen bei der An- und Abreise von Fans zur Eindämmung von Straftaten in Erwägung gezogen. „Auch zur Eindämmung der Gewalt auf den An- und Abreisewegen an den Spieltagen werden geeignete Maßnahmen geprüft. Diese richten sich insbesondere auf die Verhinderung der Anreise von Gewalttätern an die Spielorte“, so der Innenminister. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Innenminister Pistorius hat im Vorfeld der Innenministerkonferenz Anreisenachweise für Gästefans nach dem Vorbild der Niederlande ins Spiel gebracht (vgl. SHZ vom 06.12.2013). Im Rahmen der Beschlussfassung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) vom 04. bis 06.12.2013 in Osnabrück finden sich zu dieser Forderung keine Beschlüsse. Wurde in der IMK im Dezember 2013 über die Möglichkeit der Einführung von Anreisenachweisen für Gästefans diskutiert? Falls ja, mit welchem Ergebnis? Falls nein, warum nicht? 2. Wie bewertet die Landesregierung die Notwendigkeit der Einführung von Anreisenachweisen für Gästefans? 3. Wer prüft die in der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage der FDP-Landtagsfraktion (Drs. 17/1096) genannten geeigneten Maßnahmen „zur Eindämmung der Gewalt auf den Anund Abreisewegen an den Spieltagen“? 4. Auf welche Fangruppen beziehen sich die obigen Maßnahmen? 5. Kann die Landesregierung ausschließen, dass der Großteil der friedlichen Fans durch neue Auflagen gegängelt wird? 6. Wie steht die Landesregierung zur Verhängung von Meldeauflagen, und in welchem Umfang wird dieses Instrument in Niedersachsen bislang angewandt? 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1344 7. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass Meldeauflagen nur gegen Personen, die sich im Rahmen von Fußballspielen strafbar gemacht haben und rechtskräftig verurteilt sind, eingesetzt werden sollten? 8. Innenminister Pistorius hat sich am 24.01.2014 in der Nordwest-Zeitung wie folgt geäußert: „Wir müssen darüber reden, ob wir in Einzelfällen Anreisewege organisieren, weil dort die größten Probleme auftreten.“ Welche konkreten Maßnahmen stellt sich die Landesregierung hier vor? 9. Geht es bei der in Frage 8 genannten Aussage des Innenministers wirklich um die Organisation oder um eine Koordinierung der Anreisewege? 10. Bei welchen Partien und für welche Gruppen sind die obigen Maßnahmen geplant? 11. Handelt es sich hierbei um ein Angebot der Landesregierung an die aktiven Fußballfans oder um eine Einschränkung der Mobilitätsfreiheit von Stadionbesuchern? (An die Staatskanzlei übersandt am 11.02.2014 - II/725 - 605) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 12.03.2014 für Inneres und Sport - 24.16 - 01425/2/10865/14 - Der Besuch von Fußballspielen ist ein tolles Erlebnis und regelmäßiges Highlight für unzählige friedliche Fußballfans in Niedersachsen. Emotionen und Leidenschaft sind fester Bestandteil bei jedem Stadionbesuch, unabhängig von Vereinsfarben und Ligazugehörigkeit. Die Landesregierung unterstützt die friedlichen Fans und fördert ihre Fankultur. Sie setzt auf den Dialog mit den aktiven Fans und auf eine eindeutige Differenzierung zwischen Fans und Gewalttätern , die den Fußball für ihre Zwecke missbrauchen. Sie nimmt es nicht hin, dass ein im Vergleich zur Anzahl der friedlichen Fußballfans zahlenmäßig geringer Personenkreis regelmäßig die Fankurven in den Fußballstadien als Bühne für den illegalen und gefährlichen Umgang mit jeglicher Art von Pyrotechnik nutzt und sowohl im Stadionumfeld als auch auf den Reisewegen Gewalttaten begeht. Mit ihren Partnern im Netzwerk Fußball initiiert und unterstützt die Landesregierung insbesondere Projekte und Maßnahmen, die verlässlich und nachhaltig ausgerichtet sind. Nur unter diesen Voraussetzungen wird ein Mehr an Sicherheit in den Spielstätten und auf den Reisewegen im Zusammenhang mit der Durchführung von Fußballspielen geschaffen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Im Rahmen des sogenannten Kamingesprächs der Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) wurde auch die Thematik der Gewalt auf Reisewegen im Zusammenhang mit Fußballspielen erörtert. Anhand des in den Niederlanden bei bestimmten Fußballspielen praktizierten Modells wurden beispielhaft Möglichkeiten des Verfahrens von personalisiertem Ticketing in Verbindung mit organisierten Anreiseformen für bestimmte Gruppierungen aufgezeigt. Im Rahmen des Kamingesprächs wurde sich darauf verständigt, Elemente dieses Modells bei Gesprächen mit den Vereinen anlassbezogen in die Gestaltung von Maßnahmen gegen Gewalt auf Reisewegen bei Hochrisikospielen einzubeziehen. 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1344 Zu 2 und 3: Nach wie vor gehören Störungen und Straftaten auf den Reisewegen durch Gruppierungen von gewaltbereiten Personen unter dem Deckmantel der friedlichen Fußballfans bedauerlicherweise zum Alltag bei nationalen und internationalen Fußballspielen. Anlassbezogen, d. h. vor sogenannten Hochrisikospielen, werden unter Einbeziehung von Fachleuten aus dem Ministerium für Inneres und Sport sowie der beteiligten Polizeidirektionen in gemeinsamer Abstimmung mit allen Beteiligten auch Möglichkeiten von personalisierten Ticketing-Verfahren sowie der Organisation der An- und Abreise durch die beteiligten Vereine geprüft. Darüber hinaus werden rechtliche Maßnahmen auf der Grundlage des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) je nach Einzelfall in die Konzepte einbezogen , um effizient die Anreise von Störern und Gewalttätern zu verhindern. Um weitere geeignete Maßnahmen zur Eindämmung der Gewalt auf den Reisewegen in Niedersachsen zu entwickeln, steht die Landesregierung auch mit Verantwortlichen des Deutschen Fußballbunds , der Deutschen Fußballliga GmbH (DFL) sowie der niedersächsischen Vereine in einem regelmäßigen Austausch. Per se eine Notwendigkeit von sogenannten Anreisenachweisen abzuleiten und dieses Verfahren ohne die erforderliche Differenzierung im Ligaspielbetrieb auf alle reisenden Fußballanhänger anzuwenden , ist angesichts des in den Vorbemerkungen bereits dargelegten geringen Anteils von Störern und Gewalttätern unter den Fußballanhängern im Allgemeinen nicht vertretbar. Entsprechende Verfahren können nur unter Anlegung eines strengen Maßstabs im Zusammenhang mit sogenannten Hochrisikospielen infrage kommen. Zu 4: Es ist ein Anliegen der Landesregierung, den Begriff „Fan“ oder „Fangruppe“ im Sprachgebrauch positiv zu belegen. Der Fan oder die Fangruppe unterstützt seinen Verein mit Emotionen und Leidenschaft und hat nichts gemein mit Störern oder Gewalttätern. Insofern beziehen sich die bereits erörterten Maßnahmen nicht auf Fangruppen; bei den Adressaten möglicher o. a. Maßnahmen handelt es sich um Gruppen von Störern und/oder Gewalttätern. Zu 5: Ja. Bei dem in Rede stehenden Verfahren und seiner Zielrichtung handelt es sich gerade nicht um eine „Gängelung“ der Fans. Ein solches Verfahren bietet die geeignete Grundlage, bei Hochrisikospielen die Fans vor Gewalttätern und Störern zu schützen und ihnen damit ein sicheres Stadionerlebnis zu ermöglichen. Zu 6 und 7: Die Erfahrungen anlässlich von Fußball-Welt- bzw. -Europameisterschaften und anderer internationaler Spielbegegnungen zeigen, dass präventivpolizeiliche Maßnahmen wie Gefährderansprachen, Platzverweise, Aufenthaltsverbote, Meldeauflagen und Ingewahrsamnahmen im Vorfeld von Fußballspielen geeignete Mittel sind, um die Anwesenheit von Störern und Gewalttätern an den Veranstaltungsorten zu reduzieren. Präventivpolizeiliche Maßnahmen erfordern eine belastbare und auf den Einzelfall bezogene individuelle Gefahrenprognose sowie im Fall von Meldeauflagen die vorherige Ermittlung von einzelfallbezogenen aktuellen Reiseabsichten. Hierbei sind alle personen- und/oder szenenbezogenen Erkenntnisse zu berücksichtigen. Zur Vorbereitung einer rechtswirksam verfügten Meldeauflage sind daher ein hoher Aufklärungsaufwand sowie ein erheblicher zeitlicher Vorlauf erforderlich. Im Gegensatz zu internationalen Spielen ist das Instrument meldebehördlicher Auflagen im Ligaspielbetrieb mit wöchentlichen Spielbegegnungen sowie teilweiser räumlicher Überschneidungen von Wohn- und Spielort nur eingeschränkt nutzbar. Effizienter für die Polizei sind in diesen Fällen Aufenthalts- und Betretungsverbote für die Stadionbereiche bzw. ergänzt um weitere neuralgische Örtlichkeiten. Das Erlassen von Meldeauflagen könnte jedoch insbesondere bei Hochrisikospielen 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1344 auch im Ligaspielbetrieb weiter verstärkt werden, um Gewaltausschreitungen am Spielort im Vorfeld zu unterbinden. Bislang wurden durch die niedersächsischen Polizeibehörden lediglich im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaften 2008 in Österreich und der Schweiz 18 Meldeauflagen angeregt. Die Rechtsgrundlage für die Verfügung von Meldeauflagen findet sich derzeit in der Befugnisgeneralklausel des § 11 Nds. SOG. Voraussetzung für den Erlass einer solchen Meldeauflage ist danach explizit nicht eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer begangenen Straftat. Insoweit kann auch die Auffassung nicht geteilt werden, dass Meldeauflagen nur gegen Personen, die sich im Rahmen von Fußballspielen strafbar gemacht haben und rechtskräftig verurteilt sind, eingesetzt werden sollten. Einschlägige rechtskräftige Verurteilungen können hingegen ein wichtiger Bestandteil der zu erstellenden Gefahrenprognose sein. Zu 8 bis 11: Die Landesregierung hat angesichts der Vorfälle um die Bundesligabegegnung am 08.11.2013 in Hannover zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig im konkreten Fall die entsprechende Begegnung der Rückrunde am 06.04.2014 in Braunschweig im Blick. Dieser Spieltermin wurde in Abstimmung mit den Vereinen und den Polizeidirektionen Braunschweig und Hannover bereits frühzeitig in Gesprächen zwischen dem Innenminister und der Geschäftsführung der DFL vereinbart. Des Weiteren fand am 29.01.2014 in Braunschweig ein Gespräch des Innenministers mit den Präsidenten der beiden Vereine und den Polizeipräsidenten aus Braunschweig und Hannover sowie weiteren Verantwortlichen statt. Dabei wurden verschiedene Maßnahmen der Vereine zum Ticketing und zu Möglichkeiten der Kombination mit einer organisierten An- und Abreise aus Hannover erörtert. Das Gespräch verlief in äußerst konstruktiver Atmosphäre. Sowohl die Vertreter der Vereine als auch des Ministeriums für Inneres und Sport waren sich einig, dass mit Blick auf das Rückspiel besondere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Günstige Voraussetzungen für ein kombiniertes Ticketing-Verfahren sind in diesem Fall das geringe Fassungsvermögen des Eintrachtstadions in Braunschweig und das prozentual daraus resultierende Kontingent für den Gastverein. Nach Angaben des Vereines Hannover 96 stehen für die Begegnung bei Eintracht Braunschweig insgesamt 2 100 Eintrittskarten zur Verfügung, davon 1 500 Stehplatzkarten und 600 Sitzplatzkarten. Konkret wurde vereinbart, dass die in einem Losverfahren in den Verkauf gelangenden Eintrittskarten unter Angabe der Personalien des Erwerbers an noch näher festzulegende Reisemodalitäten gebunden werden sollen. Ein wesentlicher Ansatz ist dabei die deutliche Differenzierung zwischen Fans und Gewalttätern sowie die Minimierung von Gelegenheiten zur Auseinandersetzung zwischen Gewalttätern im Stadionumfeld und auf den Reisewegen. Die noch andauernde Klärung von Detailfragen zu dem Verfahren erfolgt in enger Abstimmung zwischen Vertreterinnen und Vertretern der beteiligten Vereine und der Polizeidirektionen. Boris Pistorius 4 (Ausgegeben am 20.03.2014) Drucksache 17/1344 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 06.02.2014 Fanregistrierung und Anreisenachweise von Fußballfans Antwort der Landesregierung