Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1350 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Björn Försterling, Almuth von Below-Neufeldt, Sylvia Bruns und Christian Dürr (FDP), eingegangen am 13.02.2014 Fundamentale Glaubensvermittlung in der Schule Berichten zufolge hat eine langjährige Englisch- und Musiklehrerin an einem großen Gymnasium in Hannover-List ihre fundamentalen freikirchlichen Ansichten offensiv in den Unterricht getragen. Nach Beschwerden von Schülern und Eltern sei sie Ende des Jahres 2013 suspendiert worden und habe die Schule mittlerweile verlassen. Nach Kenntnis der Schulleitung soll sie mittlerweile auch aus dem Landesdienst entlassen worden sein. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie viele derart gelagerte Fälle hat es in Niedersachsen mit fundamentalen/offensiven Christen in den vergangenen zehn Jahren gegeben (bitte nach Schulbezirken auflisten)? 2. Wie geht das Kultusministerium bzw. die Landesschulbehörde aktuell mit diesen Fällen um? 3. In welchen Fällen wird in der Regel eingegriffen, und wie geht das Kultusministerium bzw. die Landesschulbehörde dabei vor? 4. Wie definiert das Kultusministerium die Grenzen zur religiösen Agitation im Unterricht? 5. Wie viele Priester und Nonnen unterrichten an den Schulen in Niedersachsen? (An die Staatskanzlei übersandt am 18.02.2014 - II/725 - 611) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Kultusministerium Hannover, den 17.03.2014 - 01-0 420/5-611 - Ein Fall einer „suspendierten“ „Englisch- und Musiklehrerin an einem großen Gymnasium in Hannover -List“, die „ihre fundamentalen freikirchlichen Ansichten offensiv in den Unterricht getragen“ habe, ist der Landesregierung nicht bekannt. Die Niedersächsische Landesschulbehörde (NLSchB) bearbeitet derzeit den Fall einer hannoverschen Lehrkraft mit anderen Lehrbefähigungen, die im Verdacht steht, ihre religiösen Ansichten offensiv in den Unterricht getragen zu haben. In diesem Fall ist gegenüber der Lehrkraft zunächst ein Amtsführungsverbot ausgesprochen worden. Nach dessen Ende ist die Lehrkraft an eine andere Schule versetzt worden, wo sie ihren Dienst bereits angetreten hat. Die NLSchB hat ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das noch nicht abgeschlossen ist. Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt: Zu 1: Während der vergangenen zehn Jahre ist landesweit bisher kein im Vergleich zu dem in der Vorbemerkung erwähnten Fall ähnlich gelagerter Sachverhalt bekannt geworden. 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1350 Zu 2: Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Zu 3: Sofern der Verdacht eines Verstoßes gegen das Gebot der religiösen Neutralität besteht, prüft die zuständige NLSchB im Rahmen einer Einzelfallprüfung, wie vorzugehen ist. Dabei trägt sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung. Die NLSchB klärt nach Prüfung des Sachverhalts unter Berücksichtigung einer entsprechenden fachlichen Einschätzung, ob die jeweiligen Äußerungen einer Lehrkraft den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Sie leitet gegebenenfalls die nach dem Niedersächsischen Disziplinargesetz vorgesehenen Maßnahmen ein. In anderen Fällen wird mit schulaufsichtlichen Maßnahmen (wie z. B. Beratung, Beanstandung u. ä.) reagiert werden können. Zu 4: Entsprechend § 33 Beamtenstatusgesetz sind Lehrkräfte verpflichtet, sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit gegenüber den Schülerinnen und Schülern religiös und weltanschaulich neutral zu verhalten . Dies beinhaltet nicht nur die Respektierung anderer Weltanschauungen und Bekenntnisse, sondern auch die negative Glaubensfreiheit von Schülerinnen und Schülern. Welche Tragweite das dienstrechtliche Neutralitätsgebot für Lehrkräfte in religiöser Hinsicht entfaltet, lässt sich nicht allgemein beantworten, hier ist jeder Einzelfall zu betrachten. Eine strikte religiös-weltanschauliche Neutralität der Lehrkraft im Unterricht wird jedoch nicht aus dem staatlichen Erziehungsauftrag des Artikels 7 Abs. 1 des Grundgesetzes abzuleiten sein. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 15.03.2007 (Az.: 1 BvR 2780/06) ausgeführt hat, ist die gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität im Unterricht nicht als eine distanzierende im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche, sondern als eine offene und übergreifende , die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung zu verstehen . So können Schülerinnen und Schüler keine Unterrichtsgestaltung beanspruchen, nach der sie vollständig von der Befassung mit Glaubensrichtungen anderer verschont bleiben. Danach kann eine Lehrkraft sich auch im Unterricht zu bestimmten Glaubensinhalten bekennen; eine Missionierung ist hingegen nicht zulässig. Zu 5: Zunächst wird mit Blick auf den Kontext der Frage die implizite Unterstellung der etwaig grundsätzlich fundamentalen Glaubensvermittlung durch Priester und Nonnen zurückgewiesen. Ein Zusammenhang zwischen der Gefahr einer fundamentalen Glaubensvermittlung in der Schule und der Erteilung des Unterrichts an niedersächsischen Schulen durch Priester und Nonnen besteht nicht. Der im Kontext von Überschrift, Einleitung und Fragen hergestellte Bezug wirkt befremdlich. Im Übrigen ist auszuführen, dass die Zahl der Priester und Nonnen, die an öffentlichen Schulen in Niedersachsen unterrichten, sich mit vertretbarem Aufwand nicht ermitteln lässt. Neben denjenigen, die möglicherweise über den Gestellungsvertrag katholischen Religionsunterricht erteilen (sogenannte Katecheten), gibt es auch Angehörige religiöser Orden oder Priester, die eine Lehrbefähigung besitzen und direkt als Lehrkräfte in den Landesdienst eingestellt wurden. Diese lassen sich nicht ermitteln, da sie ordnungsgemäß unter ihrem bürgerlichen Namen geführt werden und nicht einem religiösen Orden zugeordnet werden können. In Vertretung des Staatssekretärs Michael Markmann 2 (Ausgegeben am 20.03.2014) Drucksache 17/1350 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Björn Försterling, Almuth von Below-Neufeldt, Sylvia Bruns und Christi-an Dürr (FDP), eingegangen am 13.02.2014 Fundamentale Glaubensvermittlung in der Schule Antwort der Landesregierung