Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1400 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 11.02.2014 Wie steht die Landesregierung zu Stromleitungen? Nach der Vorstellung der geplanten Stromleitungen „Sued.Link“, die von Schleswig-Holstein über Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen nach Bayern führen soll, gab es heftige Proteste in der Bevölkerung. Auch aus der Politik gab es kritische Meinungen zu dem Projekt. Schon seit Langem wird in der Öffentlichkeit ein heftiger Disput über Stromleitungen geführt. Dabei wird oft eine Erdverkabelung gefordert. So hat der heutige Landwirtschaftsminister Christian Meyer in einer Pressemitteilung vom 12.08.2011 eine nicht vollständige Erdverkabelung als „Einknicken vor den wirtschaftlichen Interessen der Hochspannungslobby zulasten der Bevölkerung“ bezeichnet . Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie steht die Landesregierung zu Stromleitungen? 2. Wie steht die Landesregierung zur Stromleitung „Sued.Link“? 3. Welche Bedeutung hat „Sued.Link“ nach Auffassung der Landesregierung für die Energiewende ? 4. Welche Bedeutung hat „Sued.Link“ nach Auffassung der Landesregierung für die Volkswirtschaft Deutschlands und speziell Niedersachsens? 5. Sieht die Landesregierung eine Alternative zu Stromleitungen und, wenn ja, welche? 6. Sieht die Landesregierung eine Alternative zur Stromleitung „Sued.Link“ und, wenn ja, welche ? 7. Inwieweit hält die Landesregierung Stromleitungen für einen zumutbaren Eingriff in die Freiheit der Bürger? 8. Welche Gefahren sieht die Landesregierung bei überirdischen Stromleitungen? 9. In welchem Umfang hält die Landesregierung Erdverkabelungen für wirtschaftlich tragbar? 10. Inwieweit wäre eine Erdverkabelung der Leitung „Sued.Link“ ökonomisch möglich? 11. Wie wird das Verfahren konkret aussehen, mit dem die Landesregierung den von ihr angekündigten alternativen Leitungsverlauf für Sued.Link erarbeiten wird, insbesondere im Hinblick auf Zeit und Ablauf? (An die Staatskanzlei übersandt am 17.02.2014 - II/725 - 607) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 24.03.2014 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - Ref17-01425/17/7/11-0021 - Der Netzausbau ist eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. Mit Einführung des bundeseinheitlichen Netzentwicklungsplanverfahrens (NEP) wird der Bedarf neuer Energieleitungsprojekte transparent auf der Grundlage eines Szenariorahmens in einem jährlichen Tur- 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1400 nus von den vier Übertragungsnetzbetreibern ermittelt und öffentlich konsultiert. Auf Vorschlag der Übertragungsnetzbetreiber sind darin auch fünf große Gleichstromleitungen (sogenannte HGÜ-Leitungen ) zur Ergänzung des erforderlichen Ausbaus im vermaschten Drehstromnetz vorgesehen. Diese fünf Gleichstromleitungen sind inzwischen im Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) aufgenommen . Eine dieser Verbindungen verläuft als Nord-Süd-Verbindung vom schleswig-holsteinischen Wilster zum bayerischen Grafenrheinfeld (Projekt C 06, NEP 2013/ SuedLink-Projekt). Für die Verbindung von Wilster nach Grafenrheinfeld hat der Bundesgesetzgeber die Möglichkeit der Teilerdverkabelung eröffnet, wenn eine Siedlungsannäherung unvermeidbar ist (200 m-/400 m-Abstand gemäß Energieleitungsausbaugesetz [EnLAG]). Dieses Landesgrenzen überschreitende Leitungsvorhaben wird im Rahmen des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG) und des BBPlG abgewickelt. Demnach fallen die Bundesfachplanung (d. h. die raumordnerische Prüfung und die Umweltverträglichkeitsprüfung) sowie die anschließende Planfeststellung in die Zuständigkeit der Bundesnetzagentur. Das Land hat in diesem Verfahren keine Genehmigungsfunktionen. Das Land setzt sich beim Bund dafür ein, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um einen möglichst hohen Anteil von Erdverkabelung gegenüber oberirdischen Stromleitungen zu erzielen. Die beiden Übertragungsnetzbetreiber TenneT und TransnetBW (Vorhabenträger) haben einen Vorschlag für die Trassenführung von Wilster nach Grafenrheinfeld erarbeitet, auf dessen Grundlage die Ausarbeitung der Antragsunterlagen zur Bundesfachplanung aufbaut. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Das vermaschte Stromnetz in Deutschland dient der Sicherstellung der Versorgung mit elektrischem Strom. Das Stromnetz ist die Voraussetzung dafür, Erzeugung und Verbrauch miteinander zu verknüpfen. Um eine Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sieht die Landesregierung die Notwendigkeit, die Netze und damit die Stromversorgungsleitungen ständig zu optimieren und, falls erforderlich, auch auszubauen und so auf die sich ändernden Bedarfe anzupassen. Zu 2: Das SuedLink-Projekt ist ein Ländergrenzen überschreitendes Vorhaben, welches in das BBPlG vom Juli 2013 aus dem durch die Bundesnetzagentur bestätigten ersten Netzentwicklungsplans 2012 übernommen wurde. Das Netzausbauprojekt soll vom Bundesland Schleswig-Holstein aus insbesondere On- und Offshore-Strom durch Niedersachsen nach Bayern transportieren. Die Planungs - und Genehmigungsverantwortung für dieses Vorhaben ist an die Bundesnetzagentur übertragen worden. Das Vorhaben wurde erneut im Netzentwicklungsplan 2013 als dringend notwendig durch die Bundesnetzagentur bestätigt. Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, die das durch die Bundesnetzagentur bestätigte Leitungsbauvorhaben grundsätzlich infrage stellen würden. Zu 3: Nach der Katastrophe von Fukushima ist in Deutschland mit breiter politischer Mehrheit der bereits von der früheren rot-grünen Bundesregierung beschlossene Atomausstieg in modifizierter Form gesetzlich neu festgeschrieben worden. Der Ausstieg aus der Atomkraft soll schrittweise bis zum Jahr 2022 vollzogen werden. Dieser Atomausstieg wird insbesondere in Süddeutschland dazu führen , dass Kraftwerkskapazitäten stillgelegt werden, deren Leistung zu ersetzen ist. Aufgrund der der Energiewende zugrunde liegenden Erzeugungsszenarien für erneuerbare Energien ist festzustellen , dass aufgrund der natürlichen Gegebenheiten in Deutschland die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, insbesondere durch die Windkrafterzeugung, in den Küstenbundesländern und in der Nord- und Ostsee erfolgen muss. Durch die SuedLink-Trassenverbindung soll eine abzweigfreie Gleichstromverbindung zwischen Schleswig-Holstein und Bayern in Ergänzung zur Übertragungsleistung durch das vermaschte Drehstromnetz die Stromversorgung in Bayern sichern . Insoweit soll das SuedLink-Projekt zur Sicherung der Umsetzung der Energiewende beitragen . 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1400 Zu 4: SuedLink soll eine besondere Bedeutung für die Versorgungssicherheit in Bayern bekommen. Insoweit hat es für die Sicherung der wirtschaftlichen Entwicklung in Schleswig-Holstein als Stromerzeugungsland und Bayern als Lastschwerpunkt eine wichtige Funktion. Auf die wirtschaftliche Entwicklung Niedersachsens hat das SuedLink Projekt keinen erkennbaren Einfluss, da diese Leitung ohne Verbindung zum niedersächsischen Stromnetz als reine Transitleitung durch die Bundesländer Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen geführt werden soll. Zu 5: Stromleitungen sind integrativer Bestandteil des vermaschten Drehstromnetzes, welche die Verbindungen zwischen Einspeise- und Entnahmepunkte auf unterschiedlichen Spannungsebenen herstellen . Hoch- und Höchstspannungsleitungen im Übertragungsnetz sind daher notwendig, um überwiegend in ländlichen, verbrauchsschwachen Räumen dezentral erzeugte erneuerbare Energien einzusammeln und in die Lastschwerpunkte weiter zu leiten. Dazu werden Stromleitungen benötigt . Nach dem derzeitigen Stand der Technik gibt es keine Alternative zu Stromleitungen. Erdkabel sind nicht generell eine Alternative zu Freileitungen. Beide Leitungsformen Erdkabel oder Freileitung stellen zudem einen Eingriff in den Naturraum dar und können das Lebensumfeld der Menschen beeinträchtigen. Die Landesregierung gibt da, wo dies rechtlich möglich ist, ökologisch sinnvoller Erdverkabelung (z. B. Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung) Priorität. Zu 6: Wie bereits oben dargestellt wurde, ist das Projekt SuedLink durch die Netzbetreiber, die Bundesnetzagentur und schließlich durch den Bund mit Zustimmung aller Bundesländer im Bundesrat in den Bundesbedarfsplan übernommen und als dringend notwendig eingestuft worden. Der Bundesbedarfsplan enthält alle wirksamen Maßnahmen zur bedarfsgerechten Optimierung, zur Verstärkung und zum Ausbau des Netzes, die in zehn Jahren für einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb erforderlich sind. Die Landesregierung hat in den Stellungnahmen zu den Netzentwicklungsplanungen angeregt, auch zu prüfen, Netzanbindungsleitungen für Offshore-Windparks nicht im Küstenraum enden zu lassen, sondern in Lastschwerpunkte bis zum Standort stillgelegter Kraftwerke weiterzuführen. Die bisher z. B. in Diele, Dörpen oder am geplanten Umspannwerk Halbemond bei Emden vorgesehenen Gleichstrom-Konverterstationen könnten dann an diesen Kraftwerksstandorten die Verbindung zum bestehenden Drehstromnetz ermöglichen. Sowohl die Übertragungsnetzbetreiber als auch die Bundesnetzagentur haben den Vorschlag des Landes zur Netzführung nicht aufgegriffen. Dies wurde hauptsächlich damit begründet, dass Offshore-Netzanschlussleitungen nicht zur gleichmäßigen optimalen Stromübertragung vorgesehen sind, wie dies z. B. beim Projekt SuedLink der Fall ist. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass auch der Vorschlag des Landes zu einem Netzausbau führen würde, da neue Trassen für die Weiterleitung der Offshore Leitungen benötigt würden. Zu 7: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gewährt den Bürgern u. a. umfassende Freiheitsrechte und -garantien. Eine Begrenzung oder Einschränkung dieser Rechte ist nur in bestimmten Fällen vorgesehen und zulässig. Solche Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen bedürfen in der Regel einer gesetzlichen Grundlage und sind grundsätzlich nur zugunsten überragender Rechtspositionen Dritter zulässig. Dazu kann beispielweise das Allgemeinwohl in Form der Daseinsvorsorge des Staates zählen. Daraus wird das Recht eines jeden Bürgers auf eine menschenwürdige Existenz u. a. in Form einer ausreichenden Energieversorgung abgeleitet. Der Gesetzgeber hat sich - nicht nur im Hinblick auf die Trasse SuedLink - entschieden, gesetzliche Regelungen zu schaffen, die einen solchen Eingriff in die Freiheitsrechte unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen, um die Versorgungssicherheit mit Energie der in Deutschland lebenden Menschen zu gewährleisten. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass Eingriffsmaßnahmen auf das notwendige Maß beschränkt werden, die Eingriffsintensität also so gering wie möglich ausfällt und der Ausbau möglichst als Erdverkabelung erfolgt. 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1400 Zu 8: Die als Niederfrequenzanlagen ausgeführten Hochspannungsnetze, zu deren Infrastruktur auch Freileitungen zählen, werden so gebaut, dass die gesetzlichen Grenzwerte bezüglich elektrischer und magnetischer Felder bei höchster betrieblicher Anlagenauslastung nicht überschritten werden. Demnach müssen entsprechend der Verordnung über elektromagnetische Felder in der Fassung vom 14.08.2013 Schutzabstände an Orten, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, eingehalten werden. Bei neuer Trassenführung müssen Überspannungen von Gebäuden oder Gebäudeteilen, die zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, vermieden werden. Im Raumordnungsverfahren bzw. in der Bundesfachplanung wird die Trassenführung so gewählt, dass die Schutzabstände unter Berücksichtigung der Grenzwerte eingehalten werden können. Weiterhin hat der Bundesgesetzgeber das Thema „Teilerdverkabelungen“ aus dem Niedersächsischen Erdkabelgesetz aufgegriffen und im EnLAG, NABEG und BBPlG für verschiedene Pilotprojekte Möglichkeiten zur Erprobung von Erdkabeln in Teilabschnitten geschaffen. Bei diesen Pilotprojekten können Teilerdverkabelungsabschnitte zur Vermeidung von Siedlungsannäherungen zur Erprobung kommen, wenn Mindestabstände zu Siedlungen von 400 m bzw. zu alleinstehenden Häusern im Außenbereich von 200 m nicht eingehalten werden können. Teilerdverkabelungsmöglichkeiten sollten nach Auffassung der Landesregierung grundsätzlich für alle Netzneubauprojekte ermöglicht werden und nicht auf die bisherigen Pilotprojekte beschränkt bleiben. Zu 9: Stromleitungen sind nach der Maßgabe des § 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) so zu errichten, dass eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit erfolgen kann. Erdkabel können sinnvolle Alternativen sein, um konfliktärmere Trassenführungen zu erreichen und die Akzeptanz für den notwendigen Netzausbau zu erhöhen. Die hierfür erforderlichen Mehrkosten werden sowohl durch die Beschleunigungswirkung bei der Lösung von Konflikten sowie der dadurch erreichten tatsächlichen Bereitstellung von Trassenlösungen gerechtfertigt und sind somit auch mit den Zielen des § 1 EnWG vereinbar. Zu 10: Welche Mehrkosten bei einer vollständigen Erdverkabelung anfallen würden, ist der Landesregierung nicht bekannt. Es handelt sich nicht um ein Leitungsprojekt in der Zuständigkeit des Landes. Der Landesregierung liegen daher auch nur die Erkenntnisse vor, die der Vorhabensträger und die Bundesnetzagentur öffentlich bekannt gemacht haben. Dazu gehören bisher keine Angaben zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen vollständigen Erdverkabelung Zu 11: Die vom Vorhabenträger präsentierte Vorschlagstrasse wird derzeit ersten fachlichen Bewertungen unterzogen. Unter Federführung des ML werden in einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe die fachlichen Bewertungen zusammengeführt und eine erste Positionierung des Landes zu der Vorschlagstrasse erarbeitet. In einem weiteren Schritt können aus den fachlichen Bewertungen Aussagen über zu prüfende Varianten abgeleitet werden. Vorgesehen ist, dass das Land seine Bedenken und Forderungen zur Vorzugstrasse und zu Trassenalternativen für SuedLink in die Antragskonferenz einbringt, denn die Antragskonferenz hat den Zweck, die Rahmensetzungen für den Untersuchungsraum und die Untersuchungsgegenstände für das weitere Verfahren festzulegen. Einen konkreten Termin für die Antragskonferenz gibt es noch nicht. Stefan Wenzel 4 (Ausgegeben am 01.04.2014) Drucksache 17/1400 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 11.02.2014 Wie steht die Landesregierung zu Stromleitungen? Antwort der Landesregierung