Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1415 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Reinhold Hilbers (CDU), eingegangen am 19.02.2014 Sprengt Ministerin Rundt mit ihren Behauptungen zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung in ländlichen Regionen die Grenzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit? In der AOK-Zeitschrift G+G, Ausgabe 12/2013, wird Ministerin Rundt im Interview: „Ich möchte manchmal Grenzen sprengen“ mit der Behauptung zitiert: „Die Privatanbieter sitzen in den Innenstädten , wo die Wege kurz sind, und erwirtschaften Überschüsse. In ländlichen Regionen sind nur noch die Wohlfahrtsverbände unterwegs, die Geld drauflegen.“ Dieser Behauptung widerspricht die Landesgeschäftsstelle Niedersachsen des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) in einer Pressemitteilung vom 20.01.2014. Nach einer Analyse des Sozialministeriums aus dem Jahr 2013 überwiege der Anteil der privaten Anbieter gegenüber denen der Freien Wohlfahrt in 44 von 46 Landkreisen und kreisfreien Städten. Allein in den ländlichen Landkreisen Gifhorn, Harburg, Aurich, Vechta und Wittmund betrage der Anteil privater Pflegedienste über 70 %. In den Landkreisen Uelzen und Cuxhaven liege der Anteil sogar über 80 %. Darüber hinaus stelle der bpa den Trend fest, dass sich die großen Wohlfahrtsunternehmen aus den ländlichen Regionen zurückziehen und sich auf die Ballungsgebiete konzentrieren. Die Lücken auf dem Land würden durch kleine, privat geführte Dienste aufgefüllt. Es werde eine Klarstellung seitens der Ministerin erwartet, dass es gerade die privaten Anbieter seien, die in den dünn besiedelten und von Unterversorgung bedrohten Regionen die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen sicherstellen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie verteilen sich in Niedersachsen aktuell die Anteile der Pflegedienste auf die einzelnen Trägerarten (bitte jeweils nach einzelnen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten aufschlüsseln )? 2. Wie haben sich diese Anteile in den vergangenen zehn Jahren entwickelt (bitte ebenfalls jeweils nach einzelnen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten aufschlüsseln)? 3. Welcher Trend lässt sich anhand der ermittelten Anteile für die Versorgung der ländlichen Regionen Niedersachsens mit Pflegedienstleistungen feststellen, und wie beurteilt die Landesregierung diesen Trend? 4. Beabsichtigt Ministerin Rundt, die vom bpa erwartete Klarstellung abzugeben und, falls ja, wann und in welcher Form? (An die Staatskanzlei übersandt am 25.02.2014 - II/725 - 628) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 01.04.2014 für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - 104.21-43587-2 - Die Pflegestatistik nach § 109 SGB XI, die das Landesamt für Statistik Niedersachsen (LSN) im zweijährigen Abstand - zuletzt für das Jahr 2011 - erstellt, enthält Angaben zur Trägerart der ambulanten Pflegedienste, differenziert nach Landkreis und kreisfreier Stadt. Für das Jahr 2013 liegen 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1415 dem LSN die Meldungen der Pflegedienste bislang mit einer Vollständigkeit von rund 60 % vor; aktuelle Daten für das Jahr 2013 werden somit erst ab September 2014 vorliegen. Bei der Darstellung der Trägerarten nach Landkreis und kreisfreier Stadt ist zu berücksichtigen, dass auf diese Weise der Standort des Pflegedienstes lediglich näherungsweise zugeordnet werden kann. Es können keine Aussagen dazu getroffen werden, ob der Pflegedienst sich in einer ländlichen Gemeinde oder in einer zum Landkreis gehörenden Stadt befindet. Ebenfalls unbekannt ist, wie groß das Einzugsgebiet des Pflegedienstes ist, d. h. ob beispielsweise ausgehend von einer Stadt das ländliche Umland oder ausgehend von einem Standort nahe der Kreisgrenze ein benachbarter Landkreis versorgt wird. Eine Interpretation der Daten wird zusätzlich dadurch erschwert, dass sich aus der bloßen Anzahl der Pflegedienste einer Trägerart keine Rückschlüsse auf die Anzahl der von den Pflegediensten dieser Trägerart insgesamt versorgten Pflegebedürftigen ziehen lassen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Pflegedienste in privater Trägerschaft in der Regel weniger Pflegebedürftige versorgen als Pflegedienste in freigemeinnütziger Trägerschaft. So versorgten im Jahr 2011 rund 73 % der Pflegedienste in privater Trägerschaft bis zu 50 Pflegebedürftige, während es bei rund 69 % der Pflegedienste in freigemeinnütziger Trägerschaft mehr als 50 Pflegebedürftige waren. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1 und 2: Die Verteilung der Anteile der Pflegedienste auf die einzelnen Trägerarten nach Landkreisen und kreisfreien Städten in den Jahren 2003, 2005, 2007, 2009 und 2011 ist den als Anlage 1 beigefügten Tabellen zu entnehmen. Zu 3: Das als Anlage 2 beigefügte Schaubild stellt die Entwicklung der Anteile der Trägerarten jeweils für die Landkreise und die kreisfreien Städte dar. Es lässt sich erkennen, dass in Niedersachsen der Anteil der Pflegedienste in freigemeinnütziger Trägerschaft von rund 41 % im Jahr 2003 auf rund 32 % im Jahr 2011 zurückgegangen ist; entsprechend ist der Anteil der privaten Träger von rund 57 % im Jahr 2003 auf rund 66 % im Jahr 2011 gestiegen. Rechnerisch ist dies weniger auf die abnehmende Anzahl der Pflegedienste freigemeinnütziger Träger zurückzuführen (von 408 im Jahr 2003 auf 385 im Jahr 2011). Hauptursache ist vielmehr die Zunahme der Pflegedienste in privater Trägerschaft (von 567 im Jahr 2003 auf 780 im Jahr 2011). Des Weiteren zeigt die Grafik, dass der Anteil von Pflegediensten freigemeinnütziger Träger an allen Pflegediensten in den Landkreisen seit dem Jahr 2005 höher liegt als im landesweiten Durchschnitt . Bei den Pflegediensten in privater Trägerschaft ist ein gegenläufiger Trend festzustellen: Während die Anteile der Pflegedienste in privater Trägerschaft im Jahr 2003 in Landkreisen (rund 57 %) und kreisfreien Städten (rund 56 %) nahezu gleich waren, ist im Jahr 2011 der Anteil der Pflegedienste in privater Trägerschaft in den kreisfreien Städten (rund 70 %) höher als in den Landkreisen (rund 64 %). Wie in der Vorbemerkung erläutert, sind „Landkreise“ nicht mit den „ländlichen Regionen“ gleichzusetzen . Die Einzugsbereiche und maximalen Versorgungskapazitäten der jeweiligen Pflegedienste werden in den Versorgungsverträgen nach § 72 SGB XI nicht festgelegt und auch nicht statistisch erfasst. Deshalb lässt sich anhand der vorliegenden Daten nicht belegen, ob eine und gegebenenfalls welche Trägerart sich aus der Versorgung des ländlichen Raums zurückzieht. Aussagen zu Trends für die Versorgung der ländlichen Regionen Niedersachsens mit Pflegedienstleistungen lassen sich auf dieser Basis ebenfalls nicht treffen. Zu 4.: Frau Ministerin Rundt äußert sich grundsätzlich nicht zu Presseverlautbarungen von Einzelverbänden . Im vorliegenden Fall lässt die Datenlage die Notwendigkeit einer Klarstellung ohnehin nicht erkennen . Cornelia Rundt 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1415 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1415 Anlage 1 Anlage 1 3 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1415 4 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1415 5 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1415 Anlage 2 6 (Ausgegeben am 07.04.2014) Drucksache 17/1415 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Reinhold Hilbers (CDU), eingegangen am 19.02.2014 Sprengt Ministerin Rundt mit ihren Behauptungen zur Sicherstellung der pflegerischen Ver-sorgung in ländlichen Regionen die Grenzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit? Antwort der Landesregierung Anlage 1 Anlage 2