Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1417 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Marco Brunotte, Kathrin Wahlmann, Andrea Schröder-Ehlers (SPD) sowie Belit Onay und Helge Limburg (GRÜNE), eingegangen am 25.02.2014 Die Neuordnungen der Vollzugslandkarte in Niedersachsen und ihre Auswirkungen In den letzten Jahren wurden mehrere Justizvollzugsanstalten bzw. Abteilungen von Justizvollzugsanstalten in Niedersachsen geschlossen. Unter dem Eindruck zurückgehender Häftlingszahlen und zusätzlicher Haftplätze durch die Inbetriebnahme der neuen Anstalten in Oldenburg, Sehnde und Rosdorf gab es Handlungsoptionen. So wurden z. B. die Anstalten in Stade, Holzminden, Bückeburg und Cuxhaven geschlossen. Mit zwei größeren Neuordnungen der Vollzugslandkarte in Niedersachsen wurden die meisten dieser strukturellen Maßnahmen vorgenommen. Kleinere oder baufällige Standorte wurden aufgegeben, Vollstreckungspläne geändert und Bedienstete anderen Standorten zugeordnet. Die Schließungen fanden auch statt, um die Belegung der teilprivatisierten JVA Bremervörde garantieren zu können. In den niedersächsischen Justizvollzugsanstalten gibt es 6 583 Haftplätze. Davon waren am 30.11.2013 nach Auskunft der Landesregierung 4 989 Plätze belegt. Deshalb hat die Landesregierung eine weitere Neuordnung der Vollzugslandkarte präsentiert. Diese soll in den Kontext vorheriger Maßnahmen gestellt werden. In Kenntnis dieser Tatsachen fragen wir die Landesregierung: 1. Nach welchen Kriterien wurden die zu schließenden Standorte ausgewählt? 2. Welche Justizvollzugsanstalten bzw. Abteilungen von Justizvollzugsanstalten sind seit dem Jahr 2008 geschlossen worden? 3. Wie viele Haftplätze sind jeweils durch die Schließung abgebaut worden (bitte getrennt nach Anstalten bzw. Abteilungen aufschlüsseln)? 4. Wie hoch waren die jeweiligen Einsparungen durch die Schließung, und in welchen Hauptaufwandsarten traten diese ein (bitte getrennt nach Anstalten und Abteilungen aufschlüsseln )? 5. Wie wurden die Bediensteten der betroffenen Anstalten über die Schließungsabsichten informiert ? 6. Wie wurden die Bediensteten der betroffenen Anstalten bei der Suche nach neuen Arbeitsstätten bzw. der beruflichen Neuorientierung unterstützt? 7. Welche Anschlussverwendungen wurden für die Bediensteten (Beamte, Angestellte, Anwärter , Beschäftigte mit befristeten Verträgen) der jeweils betroffenen Anstalten gefunden? 8. Welche Nachnutzung wurde für die jeweiligen Standorte gefunden, und welche Erlöse wurden durch die Verwertung erzielt (bitte getrennt aufschlüsseln)? 9. Wie viele Haftplätze waren bei Auftragsvergabe für die ÖPP-Anstalt Bremervörde in Niedersachsen nicht belegt? (An die Staatskanzlei übersandt am 28.02.2014 - II/725 - 636) 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1417 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Justizministerium Hannover, den 02.04.2014 - 4402 I - 301.196 - Namens der Landesregierung beantworte ich die Fragen wie folgt: Zu 1: Anlass für die Neuordnung der Vollzugslandkarte 2008 war die geplante teilprivatisierte Justizvollzugsanstalt in Bremervörde. Für das Personal auf staatlicher Seite wurden 83 Beschäftigungsvolumina benötigt, die durch Schließung vorhandener Vollzugsstandorte verlagert werden sollten. Um Überkapazitäten zu vermeiden, sollten zudem für die geplanten 300 neuen Haftplätze in Bremervörde 300 vorhandene Haftplätze abgebaut werden. Seit 2005 gehen die Gefangenenzahlen kontinuierlich zurück. 2010 war absehbar, dass über die ursprüngliche Schließungsliste hinaus weitere Vollzugsstandorte geschlossen werden konnten. Obwohl Mehrfachunterbringungen abgebaut, Einzelunterbringungen ausgebaut und Hafträume durch Zusammenlegungen erweitert wurden, führte der Rückgang der Gefangenenzahlen zu einer konzeptionell und wirtschaftlich unbefriedigenden Auslastung der Justizvollzugsanstalten. Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung im Januar 2014 ein Konzept für die Schließung weiterer Standorte vorgestellt, das u. a. den bewährten Kriterien Regionalität und Wirtschaftlichkeit (Abbau des Sanierungsstaus) folgt. Zu 2 und 3: Seit 2008 sind folgende Justizvollzugseinrichtungen geschlossen worden: Maßnahme Zeitpunkt Haftplätze Schließung der Abteilung Gifhorn der JVA Braunschweig 31.08.2009 44 Schließung der Abteilung Holzminden der JVA Rosdorf 31.12.2009 40 Schließung der Abteilung Peine der JVA Braunschweig 31.12.2009 14 (Jugendarrest) Schließung der Abteilung Königslutter der JVA Wolfenbüttel 31.12.2009 33 Schließung der Abteilung Alfeld der JVA für Frauen 31.01.2010 11 Schließung der Jugendarrestanstalt Bückeburg der JA Hameln 31.12.2011 40 (Jugendarrest) Schließung der Abteilung Bad Gandersheim der JVA Rosdorf 31.12.2012 26 Schließung der Abteilung Cuxhaven der JVA Oldenburg 31.12.2012 24 Schließung der Abteilung Achim der JVA Vechta 31.12.2012 32 Schließung der Abteilung Stade der JVA Uelzen 31.03.2013 28 Schließung der Abteilung Gerichtsstraße der JVA Oldenburg 31.12.2013 71 Zu 4: In den in der Antwort zu 2 und 3 genannten Justizvollzugseinrichtungen waren durchschnittliche jährliche Personal- und Sachkosten des Kapitels 11 05 in folgender Höhe gebunden: Standort Personalkosten* Sachkosten Abteilung Gifhorn 360 000 Euro 110 400 Euro Abteilung Holzminden 360 000 Euro 85 700 Euro Abteilung Peine 360 000 Euro 37 800 Euro Abteilung Königslutter 360 000 Euro 49 100 Euro Abteilung Alfeld 460 000 Euro 38 000 Euro Abteilung Bückeburg 920 000 Euro 80 000 Euro Abteilung Gandersheim 760 000 Euro 64 000 Euro Abteilung Cuxhaven 340 000 Euro 48 000 Euro Abteilung Achim 360 000 Euro 58 400 Euro 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1417 Standort Personalkosten* Sachkosten Abteilung Stade 620 000 Euro 143 200 Euro Abteilung Gerichtsstraße 1 040 000 Euro 95 000 Euro * (angenommener kap. -spezf. Durchschnittsatz von 40 000 Euro) Im Personalhaushalt waren Einsparungen nach dem mit dem Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2008 ausgebrachten Haushaltsvermerk bei Kapitel 11 05 vorzunehmen. Dieser lautete wie folgt: „56,00 kw nach Schließung der durch die Umsetzung des ÖPP-Projektes betroffenen Einrichtungen .“ Dieser Haushaltsvermerk ist mit dem Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2013 vollzogen worden. Die übrigen freigesetzten personellen Ressourcen sind genutzt worden für – die personelle Besetzung der JVA Bremervörde, – die mit dem Gesetz zur Neuregelung des Vollzugs der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Niedersachsen geforderte bessere personelle Ausstattung, – den Ausbau der Sozialtherapie, – die mit dem Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz gesetzlich geforderte bessere personelle Ausstattung des Wohngruppenvollzugs der Jugendanstalt Hameln, – den Ausbau des Jugendarrestvollzugs sowie – die Erhöhung der Personalkapazität im Justizwachtmeisterdienst der Gerichte zur Einführung von Einlasskontrollen. Im Sachhaushalt sind Einsparungen nach dem bei Kapitel 11 05 Titel 546 62 ausgebrachen Haushaltsvermerk vorzunehmen. Dieser lautet wie folgt: „Mit der Inbetriebnahme der JVA Bremervörde werden Einsparungen im Sachhaushalt des Bereichsbudgets realisiert, die sich aus dem Wegfall von mindestens 300 Haftplätzen in anderen Einrichtungen ergeben. Die Höhe der abzusetzenden Sachaufwendungen wird nach der Kosten- und Leistungsrechnung ermittelt.“ Vorgesehen ist, die abzusetzenden Sachaufwendungen nach einem vollen Betriebsjahr der JVA Bremervörde zu ermitteln . Zu 5: Am 14.10.2008 ist das Konzept zur Neuorganisation des Justizvollzuges in Niedersachsen in einer vertraulichen Dienstbesprechung den Anstaltsleiterinnen und Anstaltsleitern vorgestellt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Am 10.11.2008 hat der Justizminister das Konzept der Presse vorgestellt und am darauf folgenden Tag schriftlich in einer Pressinformation bekannt gegeben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der betroffenen Justizvollzugseinrichtungen sind zeitgleich von den jeweiligen Anstaltsleitungen informiert worden. Zu 6 und 7: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zu ihren Verwendungswünschen befragt worden. Diese Wünsche konnten im Regelfall berücksichtigt werden; gegen den Willen der Bediensteten sind keine Abordnungen oder Versetzungen erfolgt. Insbesondere bei den über mehrere Jahre im Voraus bekannten Schließungen konnten durch eine vorausschauende Personalplanung soziale Härten vermieden und neue Einsatzmöglichkeiten im Justizvollzug gefunden werden. Von der Schließung der Abteilung Gerichtsstraße waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit befristeten Arbeitsverträgen betroffen. Deren Arbeitsverträge sind erfüllt worden. Betriebsbedingte Kündigungen sind nicht ausgesprochen worden, sodass besondere Unterstützungen bei einer beruflichen Neuorientierung nicht notwendig waren. 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1417 Zu 8: Liegenschaft Nachnutzung Abteilung Gifhorn der JVA Braunschweig Verkauft im August 2009; Nachnutzung durch den Landkreis Gifhorn; Verkaufserlös 190 000 Euro. Abteilung Holzminden der JVA Rosdorf Seit 01.01.2013 Nachnutzung durch das Amtsgericht Holzminden. Abteilung Peine der JVA Braunschweig Zurzeit Nachnutzung durch das Amtsgericht Peine. Abteilung Königslutter der JVA Wolfenbüttel Verkauft im Oktober 2010; Nachnutzung durch den neuen Erwerber (endgültiges Nutzungskonzept wird noch erarbeitet); Verkaufserlös 180 000 Euro. Abteilung Alfeld der JVA für Frauen Wird zurzeit umgebaut, danach Nutzung durch das Amtsgericht Alfeld. Jugendarrestanstalt Bückeburg der JA Hameln Verwertungsverfahren läuft; verschiedene Besichtigungstermine mit Kaufinteressenten haben bereits stattgefunden. Abteilung Bad Gandersheim der JVA Rosdorf Verwertungsbemühungen zunächst zurückgestellt, da zurzeit eine Nachnutzung durch das Amtsgericht Bad Gandersheim und/oder das Amtsgericht Seesen geprüft wird. Abteilung Cuxhaven der JVA Oldenburg Dauerhafter Bedarf des Amtsgerichts Cuxhaven (Archiv ). Abteilung Achim der JVA Vechta Dauerhafter Bedarf des Amtsgerichts Achim (Archiv). Abteilung Stade der JVA Uelzen Dauerhafter Bedarf des Amtsgerichts und des Land- gerichts Stade (Archiv, Vorführzellen, Büroräume). Abteilung Gerichtsstraße der JVA Oldenburg Zukünftige Nutzung ist zurzeit noch offen; möglicherweise kommen Umbau und Nachnutzung für die Justiz im Gerichtsviertel in Betracht. Zu 9: Im Monat der Auftragsvergabe für den Bau der JVA Bremervörde (Oktober 2010) waren im niedersächsischen Justizvollzug 7 104 Haftplätze vorhanden, die im Monatsdurchschnitt mit 5 555 Gefangenen belegt waren. In Vertretung Wolfgang Scheibel 4 (Ausgegeben am 08.04.2014) Drucksache 17/1417 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Marco Brunotte, Kathrin Wahlmann, Andrea Schröder-Ehlers (SPD) so-wie Belit Onay und Helge Limburg (GRÜNE), eingegangen am 25.02.2014 Die Neuordnungen der Vollzugslandkarte in Niedersachsen und ihre Auswirkungen Antwort der Landesregierung