Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1499 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Jens Nacke (CDU), eingegangen am 20.03.2014 Deponiebedarf für mäßig belastete mineralische Abfälle im Landkreis Ammerland In der Pressmitteilung 12/2014 „Umweltministerium mahnt Bereitstellung von Deponiekapazitäten für mäßig belastete mineralische Abfälle an“ wird mitgeteilt, dass Umweltstaatssekretärin Almut Kottwitz die Landräte und Oberbürgermeister im Norden, Nordwesten und Nordosten des Landes an die Pflicht der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger erinnert, flächendeckend für ein ausreichendes Deponievolumen für mäßig belastete mineralische Abfälle zu sorgen. Ein entsprechendes Schreiben ging auch an den Landkreis Ammerland. In seiner Antwort, die auch den örtlichen Landtagsabgeordneten zuging, zeigt sich Landrat Bensberg durch mehrere Punkte irritiert . Es wird moniert, dass dem Schreiben kein zuvor angekündigter Meinungsaustausch vorausgegangen sei. Der Landkreis Ammerland komme seinen Verpflichtungen als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger (örE) selbstverständlich nach, wie der Landrat klarstellte. Untermauert werde dies durch die Tatsache, dass auf der Deponie Mansie II nach derzeitigem Stand ca. 26 000 t an nicht verwertbarem Gleisschotter aus dem Ausbau der Bahnstrecke Oldenburg–Wilhelmshaven abgelagert werden. Die Einlagerung einer solchen Menge stelle laut Schreiben eine große Ausnahme dar. Die übliche Ablagerungsmenge betrüge etwa 800 t pro Jahr. Insgesamt stünde dem Landkreis Ammerland ein Ablagerungsvolumen von rund 200 000 m3 zur Verfügung. Insofern sei eine Ausweitung der Deponiekapazitäten nicht notwendig und hinsichtlich der Belastung für die Gebührenzahler nicht vertretbar. Weiterhin wird auf die Beschlusslage des Vorstands des Niedersächsischen Landkreistags vom 11.04.2013, die Beseitigung mineralischer Abfälle vorrangig der privaten Entsorgungswirtschaft zu überlassen, verwiesen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie steht die Landesregierung zu der Kritik des Landkreises Ammerland, der zuvor angekündigte Meinungsaustausch habe nicht stattgefunden? 2. Hat die Landesregierung Zweifel daran, dass der Landkreis Ammerland seinen Entsorgungsverpflichtungen als örE nachkommt? 3. Wenn ja, wie begründet die Landesregierung diesen Zweifel? 4. Schätzt die Landesregierung das bestehende Ablagerungsvolumen des Landkreises Ammerland mit 200 000 m3 als ausreichend ein? 5. In welcher Höhe würden die Gebührenzahler des Landkreises zusätzlich belastet werden, wenn die Deponiekapazitäten dennoch ausgeweitet werden müssten? 6. Wie steht die Landesregierung zu dem Beschluss des Vorstands des Landkreistags vom 11.04.2013? 7. Welche Konsequenzen hat dieser Beschluss auf den Bedarf an Deponiekapazitäten bei den örE? (An die Staatskanzlei übersandt am 25.03.2014 - II/725 - 663) 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1499 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 29.04.2014 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - Ref17-01425/17/7/04-0009 - Mineralische Abfälle fallen vor allem als Bodenaushub, Bauschutt, Straßenaufbruch und Gleisschotter bei Baumaßnahmen sowie als Aschen und Schlacken bei thermischen Prozessen in Kraftwerken, Abfallverbrennungsanlagen und bei der Metallerzeugung an. Die Verwertungsquote ist mit annähernd 90 % hoch. Gleichwohl verbleiben aufgrund des hohen Gesamtaufkommens erhebliche Massen, die aufgrund einer Belastung mit Schadstoffen oder anderer nachteiliger Eigenschaften nicht verwertet werden können, sondern zum Schutz der Umwelt auf Deponien abgelagert werden müssen. Dies betrifft z. B. Bodenaushub von Flächen, die nutzungsbedingte Belastungen mit Schadstoffen aufweisen. Zur Beseitigung der nicht verwertbaren mineralischen Abfälle sieht die bundesweit geltende Deponieverordnung für mäßig belastete mineralische Abfällen die Ablagerung in Deponien der Klasse I und für höher belastete mineralische Abfälle die Ablagerung in Deponien der Klasse II vor. Das jährliche Aufkommen an zu beseitigenden Abfällen beträgt in Niedersachsen circa 1,0 Mio. Tonnen an mäßig belasteten Abfällen entsprechend der Deponieklasse I sowie circa 0,5 Millionen Tonnen an höher belasteten Abfällen entsprechend der Deponieklasse II. Nachdem aufgrund der Anforderungen der europäischen Deponierichtlinie zum Stichtag 15.07.2009 diejenigen Deponien zu schließen waren, die nicht alle Anforderungen dieser Richtlinie erfüllten, hat es in Niedersachsen einen erheblichen Einschnitt bei dem Deponiebestand in der Klasse I gegeben. Den 69 früheren Boden- und Bauschuttdeponien stehen nach Umsetzung des Schließungsprogramms zur Aufnahme der mäßig belasteten mineralischen Abfälle heute nur noch zehn öffentlich zugängliche Deponien der Klasse I gegenüber, deren Standorte zudem nicht gleichmäßig über das Land verteilt sind. Das MU ist als zuständige Behörde für die Abfallwirtschaftsplanung nach § 30 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) in Verbindung mit Artikel 16 der europäischen Abfallrahmenrichtlinie dazu verpflichtet, den Bedarf an Abfallentsorgungsanlagen zur Sicherung der Abfallbeseitigung zu ermitteln und durch geeignete Maßnahmen auf die Errichtung und den Erhalt eines Netzes von Abfallbeseitigungsanlagen hinzuwirken, das die Entsorgung der Abfälle nach dem Prinzip der Nähe gewährleistet . Bereits die im aktuellen Abfallwirtschaftsplan Niedersachsen dokumentierte Bilanzierung der Deponiekapazitäten zum Zeitpunkt nach dem gesetzlichen Stichtag 15.07.2009 hatte ergeben, dass seinerzeit dem jährlichen Aufkommen von circa 1,0 Millionen Tonnen mäßig belasteter Abfälle entsprechend der Deponieklasse I nur noch eine errechnete Restkapazität von circa 5,0 Millionen Tonnen in dieser Deponieklasse gegenüberstand. Nach der Bestandsaufnahme im Jahr 2013 hat sich die Restkapazität auf 3,5 Millionen Tonnen reduziert. Damit ist - gemessen an dem Zeitbedarf für die Projektierung neuer Anlagen - die kritische Restlaufzeit von fünf Jahren im rechnerischen Mittel unterschritten. Mäßig belastete mineralische Abfälle dürfen auch auf Deponien der Klasse II wie den ehemaligen Hausmülldeponien abgelagert werden. Wegen deren höherwertiger, auf organische Abfälle ausgelegten Ausstattung, die für mäßig belastete mineralische Abfälle nicht erforderlich ist (z. B. Deponiegasfassung , Klärtechnik für höher belastetes Sickerwasser), entstehen dabei jedoch Entsorgungskosten , die für in großen Massen anfallende Abfälle nicht sinnvoll darstellbar sind. Deshalb werden - wie vorliegend für die Deponie Mansie geschildert - bei den Deponien der Klasse II nur Chargen mit geringer Masse angeliefert, während die gewerblichen Chargen mit großer Masse unter Hinnahme von Transportkosten und damit einhergehenden Umweltbelastungen über weite 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1499 Strecken transportiert werden. Bei fortgesetzter Verknappung geeigneter Deponiekapazitäten ist zu besorgen, dass sinnvolle Maßnahmen des Flächenrecyclings und der baulichen Bestandserneuerung insbesondere im Hochbau und im Verkehrswegebau aus wirtschaftlichen Gründen unterbleiben , weil die Entsorgungskosten (Transport und Beseitigung) die Projekte über die zur Verfügung stehenden Budgets hinaus verteuern. Zu geringe Deponiekapazitäten gefährden die Ziele der regionalen Entwicklung. Für den Schutz der Umwelt, die Funktionsfähigkeit der Infrastruktur, ein geeignetes Umfeld für Unternehmen und den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit ist die Bereitstellung einer geordneten und funktionierenden Abfallentsorgung unerlässlich. Im gesamten Bereich vom Nordwesten bis zum Nordosten des Landes Niedersachsen wird zurzeit nur noch im Randbereich zur Freien und Hansestadt Hamburg auf niedersächsischem Gebiet eine Deponie der Klasse I betrieben, die auf mäßig belastete mineralische Abfälle ausgerichtet ist. Das war der Anlass, über die Thematisierung des Problems in den Dienstbesprechungen mit den Abfallbehörden und den örE sowie auf Veranstaltungen mit den privaten und öffentlichen Entsorgungsbeteiligten hinauszugehen, und die jeweiligen örE um die Darstellung ihrer Entsorgungskonzepte für diesen Abfallstrom zu bitten. Die örE sind nach § 20 Abs. 1 KrWG verpflichtet, über die Abfälle aus privaten Haushaltungen hinaus auch die Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen - wie dem Baugewerbe - zu entsorgen. Wie in dem Schreiben an die örE ausgeführt wird, kann diese Aufgabe durch die Errichtung eigener Anlagen, in Kooperation mit anderen örE oder durch Vergabe z. B. an die private Entsorgungswirtschaft erfüllt werden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Wie eingangs dargestellt worden ist, führt das MU bereits seit vielen Jahren einen Diskurs mit den örE und den Entsorgungsbeteiligten der Wirtschaft, in dem das Problem der verknappten Deponiekapazitäten in Dienstbesprechungen, in sonstigen Veranstaltungen und in Veröffentlichungen thematisiert wird. Hierzu zählt auch die intensive Beratung dieses Themas in Arbeitskreisen der Niedersächsischen Regierungskommission, an der u. a. Vertreter des Landkreistages, des Städtetages und der Wirtschaftsverbände teilgenommen haben. Das Schreiben an die Verantwortlichen in der Entsorgungsregion im nördlichen Niedersachsen knüpft an diese fachliche Diskussion mit dem Ziel an, Lösungsansätze - konkret bezogen auf die einzelnen Entsorgungsgebiete - zu betrachten. Das Forum zur Entsorgung mineralischer Abfälle am 21.05.2014, auf das der Hinweis des Landkreises Ammerland abstellt, ist nicht als Beginn, sondern als Fortsetzung des fachlichen Meinungsaustausches zu verstehen. Zu 2: Die Landesregierung hat keine Zweifel daran, dass der Landkreis Ammerland seinen Entsorgungsverpflichtungen als örE nachkommt. Vielmehr wird anerkannt, dass der Landkreis Ammerland durch das Vorhalten einer Deponie der Klasse II und im Rahmen der Kooperation mit anderen örE zur Entsorgung heizwertreicher Abfälle einen Beitrag zur Entsorgung von Siedlungsabfällen leistet, der über das Kreisgebiet hinaus wirkt. Mit Blick auf die Deponieklasse I ist jedoch festzustellen, dass entsprechende Deponiekapazitäten in der gesamten nördlichen Entsorgungsregion des Landes - mit einer Ausnahme - bislang nicht zur Verfügung stehen. Von den örE als zuständigen Entsorgungsträgern bedarf es deshalb erheblicher Anstrengungen, um eine adäquate Entsorgungsstruktur auch für diese Abfälle zu gewährleisten. Zu 3: Siehe Antwort zu Frage 2. Zu 4: Das vom Landkreis Ammerland vorgehaltene Volumen der Klasse II auf der Deponie Mansie ist auskömmlich und geeignet, die Entsorgungssicherheit für mechanisch-biologisch behandelte Siedlungsabfälle und höher belastete mineralische Abfälle sicherzustellen. Hiervon unbenommen be- 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1499 steht das in der Vorbemerkung dargestellte Problem, dass die technisch höherwertig ausgestatteten Deponien der Klasse II für mäßig belastete mineralische Abfälle Entsorgungskosten in einer nicht erforderlichen Höhe verursachen. Um auch für diesen Abfallstrom eine Entsorgungsmöglichkeit zu angemessenen wirtschaftlichem Konditionen herzustellen, bedarf es zusätzlicher Kapazitäten der Deponieklasse I. Zu 5: Den örE stehen - wie in der Vorbemerkung ausgeführt - verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, die Entsorgungssicherheit auch für den Abfallstrom der mäßig belasteten mineralischen Abfälle sicherzustellen , die sich nicht darin erschöpfen, dass jeder örE eine eigene Deponie der Klasse I errichtet . Vielmehr dürfen nach dem KrWG auch Kooperationen oder Auftragsverhältnisse mit anderen öffentlichen Trägern oder privaten Entsorgungsunternehmen geschaffen werden. Die Landesregierung geht davon aus, dass Lösungen entwickelt werden können, bei denen eine Belastung des allgemeinen Abfallgebührenzahlers nicht eintritt. Zu 6 und 7: Der Beschluss liegt der Landesregierung nicht vor und konnte aufgrund des internen Charakters seitens des Niedersächsischen Landkreistages nicht zur Verfügung gestellt werden. Die in der Anfrage unter Verweis auf den Beschluss wiedergegebene Zielsetzung, die Beseitigung mineralischer Abfälle vorrangig der privaten Entsorgungswirtschaft zu überlassen, stellt eine zulässige Option dar. Voraussetzung ist, dass die dem örE obliegende Pflicht zur Beseitigung der Abfälle aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen damit erfüllt wird. Hierzu kann der örE private Entsorgungsunternehmen mit der Durchführung seiner Entsorgungsaufgaben beauftragen. Auch die Option, die Beseitigung der mineralischen Abfälle direkt der privaten Entsorgungswirtschaft zu überlassen, ist bei Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen zulässig . Ein entsprechender Ausschluss der Abfälle aus der öffentlichen Entsorgungspflicht mit Zustimmung des MU setzt dem KrWG zufolge voraus, dass die Entsorgungssicherheit durch die Dritten tatsächlich und belegbar gewährleistet ist. Stefan Wenzel 4 (Ausgegeben am 09.05.2014) Drucksache 17/1499 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Jens Nacke (CDU), eingegangen am 20.03.2014 Deponiebedarf für mäßig belastete mineralische Abfälle im Landkreis Ammerland Antwort der Landesregierung