Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1502 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Michael Höntsch, Bernd Lynack, Matthias Möhle, Dr. Silke Lesemann, Ulf Prange, Dr. Thela Wernstedt und Dr. Alexander Saipa (SPD), eingegangen am 31.03.2014 Sind kommunale Zuschüsse an Vereine und Verbände umsatzsteuerpflichtig? Kunst- und Kulturvereine stellen in ihrer Vielfalt vielerorts das Rückgrat der örtlichen Gemeinschaft dar. Gerade in ländlich geprägten Teilen des Landes sind sie die Garanten für eine kulturelle Infrastruktur . Die Vereine und Organisationen leisten kulturelle Bildung für Erwachsene, Kinder und Jugendliche im schulischen und außerschulischen Bereich und bauen darüber hinaus auch zum Teil vorhandene Zugangsbarrieren für Kinder und Jugendliche aus sogenannten bildungsfernen Schichten ab. Neben einem außerordentlich hohen ehrenamtlichen Engagement sind für die kulturellen Einrichtungen öffentliche - und insbesondere auch kommunale Zuschüsse - unerlässlich. Eine Absenkung der Zuwendungen geht daher oftmals mit einer Verringerung bzw. kompletten Einstellung des vorgehaltenen Angebots einher. Seitens des Finanzamts Verden soll der kommunale Zuschuss der Stadt Achim an ein Kulturzentrum mit Umsatzsteuer belegt werden. Eine Umsetzung dieser Forderung würde bedeuten, dass der Trägerverein des Kulturzentrums einem Auftragnehmer der Stadt gleichgesetzt werden würde. Tatsächlich gäbe es das Kulturzentrum nicht ohne das bürgerschaftliche Engagement des Trägervereins , der damit seine Satzungszwecke erfüllt. Eine nachträgliche Besteuerung der kommunalen Zuschüsse würde dazu führen, dass der Trägerverein sein Engagement mangels finanzieller Mittel einstellen müsste. Der Fall ist mit unzähligen weiteren - nicht ausschließlich kulturellen - Einrichtungen in Niedersachsen vergleichbar. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Ist der v. g. Steuerfall um den Trägerverein des Kulturzentrums in Achim bekannt, und, wenn ja, welche gegebenenfalls besonderen Umstände führen hier zur Erhebung der Umsatzsteuer, und seit wann ist dieser Fall bekannt? 2. Sind kommunale Zuschüsse an Vereine und Verbände generell umsatzsteuerpflichtig? 3. Welche Voraussetzungen müssen gegebenenfalls erfüllt sein, damit Vereine und Verbände von der Umsatzsteuerpflicht befreit werden können? 4. Teilt die Landesregierung die Einschätzung, dass infolge einer Umsatzsteuerpflicht für kommunale Zuschüsse an Vereine und Verbände eine Vielzahl der Angebote in ihrer Existenz bedroht ist? (An die Staatskanzlei übersandt am 07.04.2014 - II/725 - 679) 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1502 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Finanzministerium Hannover, den 30.04.2014 - S 7200 - 271/9 - 32 1 - Soweit in der Kleinen Anfrage bestimmte Personen oder Organisationen genannt werden, wird einleitend darauf hingewiesen, dass die Landesregierung nach § 30 der Abgabenordnung (AO) zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet ist und zu den steuerlichen Verhältnissen von Bürgern oder einzelnen Unternehmern keinerlei Auskünfte geben darf. Daher wird nachfolgend allein die allgemeine Rechts- und Sachlage dargestellt. Zahlungen einer Gemeinde an einen Verein (oder Verband) können entweder 1. Entgelt für eine Leistung des Vereins, 2. (zusätzliches) Entgelt für eine Leistung des Vereins an einen Dritten oder 3. sogenannter echter Zuschuss sein, welcher allein nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Die Annahme eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustausches zwischen der Gemeinde und dem Verein nach Tz. 1 setzt voraus, dass der Verein eine konkrete Leistung an die Gemeinde erbringt, der die Zahlung der Gemeinde als Gegenleistung gegenüber steht. Hierfür reicht es aus, dass die Gemeinde einen (beliebigen) Vorteil erhält, der einen Kostenfaktor in ihrer Tätigkeit bilden könnte und damit bei ihr zu einem Verbrauch im Sinne des Umsatzsteuerrechts führt. Diese Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch sind bei gegenseitigen Verträgen grundsätzlich erfüllt; das versprochene Tun, Dulden oder Unterlassen ist der Vorteil, den die Gemeinde für ihre Zahlung erhält . Einzelheiten hierzu enthält Abschnitt 10.2 Abs. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE). Ist ein unmittelbarer Leistungsaustausch zwischen der Gemeinde und dem Verein zu verneinen, ist zu prüfen, ob in den Zahlungen der Gemeinde ein Entgelt von dritter Seite nach Tz. 2 zu sehen ist. Ein solches Entgelt von dritter Seite liegt vor, wenn die Zahlungen der Gemeinde konkrete Leistungen des Vereins an einen Dritten subventionieren sollen, indem sie entweder das vom Dritten aufzuwendende Entgelt mindern oder aber in seinem überwiegenden Interesse erfolgen. Einzelheiten dazu ergeben sich aus Abschnitt 10.2 Abs. 3 bis 6 UStAE. Von einem echten Zuschuss nach Tz. 3 ist nur auszugehen, wenn kein Fall der Tzn. 1 und 2 gegeben ist (siehe dazu Abschnitt 10.2 Abs. 7 bis 10 UStAE) Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen der Abgeordneten im Namen der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Anfrage betrifft ausschließlich die steuerlichen Verhältnisse eines Einzelfalls und darf zur Wahrung des Steuergeheimnisses nicht beantwortet werden. Zu. 2: Die umsatzsteuerliche Behandlung von kommunalen Zuwendungen an Vereine und Verbände richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall, wobei neben der Person des Bedachten und dem Ziel der Zuwendungen insbesondere die getroffenen vertraglichen oder sonstigen Zuwendungsbedingungen zu berücksichtigen sind. Unter Beachtung der einleitend genannten Besteuerungsgrundsätze sind danach kommunale Zuwendungen an Vereine und Verbände umsatzsteuerbar , wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass sie entweder das Entgelt für eine Leistung des Vereins (oder des Verbandes) an die Kommune oder aber ein zusätzliches Entgelt für eine Leistung des Vereins an einen Dritten darstellen. Sie sind umsatzsteuerpflichtig, sofern keine Steuerbefreiung (z. B. für bestimmte Bildungs-, Betreuungs- oder Jugendhilfeleistungen) greift. In 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1502 allen anderen Fällen unterliegen die Zuwendungen als sogenannte echte Zuschüsse nicht der Umsatzsteuer . Zu 3: Nach den Anweisungen in Abschnitt 10.2 Abs. 7 und 8 UStAE stellen Zahlungen an Vereine (oder Verbände) insbesondere dann echte Zuschüsse dar, wenn sie nicht an bestimmte Leistungen des Vereins anknüpfen, sondern – den Verein „nur ganz allgemein“ in die Lage versetzen sollen, überhaupt tätig zu werden oder seine nach dem Vereinszweck obliegenden Aufgaben erfüllen zu können, – der Verein als solcher aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen gefördert werden soll, – mit den Zahlungen Strukturveränderungen oder Verhaltensänderungen z. B. aufgrund von EU-Marktverordnungen angestrebt werden, – der Verein die Zahlungen als Anerkennung oder zur Förderung seiner im allgemeinen Interesse liegenden Tätigkeit erhält, – das Zahlungsziel nicht die Subventionierung des Preises, sondern die Subventionierung des Vereins ist, und sich dies aus den Zuwendungsbedingungen und den sonstigen Verhältnissen eindeutig ergibt. Der UStAE enthält darüber hinaus in seinem Abschnitt 10.2 Abs. 8 bis 10 spezielle Hinweise für Zuwendungen aus öffentlichen Kassen, bei deren konsequenter Beachtung eine Umsatzsteuerbelastung von kommunalen Zuwendungen vermieden werden kann. Zu 4: In der Praxis treten bei Vereinen und Verbänden existenzbedrohende Situationen besonders häufig auf, wenn die Umsatzsteuerpflicht kommunaler Zuwendungen erst geraume Zeit nach Zuwendungsbeginn festgestellt wird und deshalb Umsatzsteuer für mehrere Jahre von den Vereinen oder Verbänden nachgefordert werden muss. Sollen kommunale Fördermaßnahmen ohne Umsatzsteuerbelastung erfolgen, ist deshalb den Beteiligten dringend zu empfehlen, vor Umsetzung der Maßnahmen eine verbindliche Auskunft des zuständigen Finanzamts nach § 89 Abs. 2 Abgabenordnung einzuholen. Peter-Jürgen Schneider 3 (Ausgegeben am 12.05.2014) Drucksache 17/1502 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Michael Höntsch, Bernd Lynack, Matthias Möhle, Dr. Silke Lesemann, Ulf Prange, Dr. Thela Wernstedt und Dr. Alexander Saipa (SPD), eingegangen am 31.03.2014 Sind kommunale Zuschüsse an Vereine und Verbände umsatzsteuerpflichtig? Antwort der Landesregierung