Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1544 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke (CDU), eingegangen am 20.03.2014 Misst die Landesregierung beim Verbraucherschutz mit zweierlei Maß? Im Zusammenhang mit dem Skandal um eine mögliche Verarbeitung von Tausenden Tonnen verdorbenem Fleisch in einem Betrieb in der Grafschaft Bentheim, der auch nach einem dreiviertel Jahr bisher von der Landesregierung nicht aufgeklärt wurde, führt Landwirtschaftsminister Meyer in der Drs. 17/1256 aus, er sei bereits am 02.07.2013 über die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegenüber dem betreffenden Betrieb informiert worden. Am 06.11.2013 erhoben ehemalige Mitarbeiter der Firma in einem Bericht der Sendung „Plus-Minus“ öffentlich den Vorwurf, in dem Betrieb sei systematisch verdorbenes Fleisch verarbeitet worden. Auf diesen Fernsehbericht reagierte der Landwirtschaftsminister mit einer Pressemitteilung, in der er ausführt, bei der Durchsuchung im Juni sei verdorbene Ware aus dem Eingangsbereich des Betriebs untersucht worden. Die Proben, die aus dem Produktionsbereich gezogen worden waren, werden nicht erwähnt. Nur anhand dieser Proben wäre nachweisbar gewesen, ob das verdorbene Fleisch, welches im Wareneingang gefunden wurde, auch in die Verarbeitung gelangte. In seiner Antwort auf Frage 7 der Drs. 17/1256 erklärt der Minister, die Proben aus dem Wareneingang seien bereits am 25.06.2013 untersucht worden . Die Untersuchungen der Proben mit Verdacht auf Kennzeichnungsverstöße seien dagegen erst im Januar 2014 abgeschlossen worden. In einem anderen Fall, in dem es um mögliche Pferdefleischlieferungen nach Niedersachsen geht, reagierte der Minister mit einer Pressemitteilung, die u. a. folgendes Statement des Ministers enthält : „Das Verpanschen mit Pferdefleisch ohne Kennzeichnung, wie offenbar in diesem Fall bei einem Schlachtbetrieb in den Niederlanden, ist kein Kavaliersdelikt. Das ist eine Täuschung des Verbrauchers.“ Die Pressemitteilung wurde am Abend des 26.02.2014 mit dem Titel „Lieferungen von falsch etikettiertem Rindfleisch; Meyer: Auch Niedersachsen ist gering betroffen - Maßnahmen ergriffen“ versandt, obwohl bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass es sich bei der Lieferung tatsächlich um 500 kg Rindfleisch gehandelt hat. Tage später fand sich auf der Internetseite des Ministeriums die gleiche Pressemitteilung. Sie trug allerdings den Titel: „Mit Pferdefleisch vermischtes Fleisch aus NL kam auch nach Niedersachsen; Lieferungen von falsch etikettiertem Rindfleisch; Meyer: Auch Niedersachsen ist gering betroffen - Maßnahmen ergriffen“. Dieser Titel wurde ebenfalls in dem Antrag auf Unterrichtung des zuständigen Ausschusses verwendet. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Um welche Größenordnung handelt es sich bei dem verdorbenen Fleisch, welches möglicherweise durch den Betrieb in der Grafschaft Bentheim verarbeitet und an den Verbraucher abgegeben wurde? 2. Warum wurde in der Pressemitteilung des ML vom 07.11.2014 nicht erwähnt, dass auch Proben aus der Produktion des Betriebs genommen worden waren? 3. Wurden die Proben aus dem Produktionsbereich des Betriebs auch mikrobiologisch und sensorisch untersucht, um nachzuweisen, ob möglicherweise verdorbenes Fleisch verarbeitet worden ist, oder wurden sie lediglich hinsichtlich der Kennzeichnungsverstöße untersucht? 4. Ist es üblich, dass die Untersuchung von Proben erst nach über einem halben Jahr abgeschlossen ist? 5. Mit welchem Ergebnis wurden die Proben aus dem Verarbeitungsbereich untersucht? 6. Um welche Größenordnung handelt es sich bei dem Verdacht auf umetikettiertes Rindfleisch? 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1544 7. Welche Beweggründe haben den Landwirtschaftsminister dazu veranlasst, die Pressemeldung vom 28.02.2014 herauszugeben, obwohl der Landkreis Cloppenburg bereits bestätigt hatte, dass es sich nicht um eine Lieferung von Pferdefleisch gehandelt habe und der Vorfall sich bereits ein dreiviertel Jahr zuvor ereignet hätte und die daraus erzeugten Produkte längst verbraucht worden wären? 8. Unter welchem Titel wurde die Pressemitteilung an Presseorgane versandt? 9. Unter welchen Titeln war die Pressemitteilung zu möglicherweise umetikettiertem Rindfleisch wann öffentlich zugänglich? 10. Welche Beweggründe führten seitens der Landesregierung dazu, den Titel der Pressemitteilung mehrfach zu ändern? 11. Wie steht die Landesregierung zu dem Vorwurf, sie habe einen Fall skandalisieren wollen, in dem bereits bekannt war, dass weder eine Verbrauchergefährdung noch eine Verbrauchertäuschung gegeben war, weil es ihr in der aktuellen Debatte zugute kommen sollte und sie in einem anderen Fall möglicherweise monatelange Verbrauchergefährdung durch die Verarbeitung von verdorbenem Fleisch in Kauf genommen hat, da sie die Analyse der maßgeblichen Proben versäumt hatte? (An die Staatskanzlei übersandt am 25.03.2014 - II/725 - 661) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 14.05.2014 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 201-44112-638 - Die Kleine Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Fragestellung ist hypothetisch, hypothetische Größenordnungen können nicht beziffert werden. Es liegen keine Belege dafür vor, dass verdorbenes Fleisch verarbeitet und an den Verbraucher abgegeben wurde. Zu 2: Es wird davon ausgegangen, dass mit der Fragestellung die Presseinformation des ML vom 07.11.2013 gemeint ist. Eine Pressemitteilung ist keine umfassende Sachverhaltsdarstellung. In der Pressemitteilung wurde auch vor dem Hintergrund des laufenden Ermittlungsverfahrens der Sachverhalt nicht in allen Details dargestellt. Zu 3: Auf die Antwort zu Frage 11 der Drs. 17/1256 wird verwiesen. Zu 4: Auf die Antwort zu Frage 14 der Drs. 17/1256 wird verwiesen. Zu 5: Auf die Antwort zu Frage 15 der Drs. 17/1256 wird verwiesen. Zu 6: Die zuständige Behörde in den Niederlanden hatte entschieden, einen Rückruf aller Produkte, für die keine zuverlässigen Rückschlüsse über die Herkunft von Fleisch und Fleischprodukten von Rind, Hammel, Kalb, Ziege und Pferd vorhanden waren und die im Zeitraum vom 01.01.2012 bis 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1544 23.01.2014 produziert wurden, anzuordnen. Die Firma hatte in diesem Zeitraum ca. 28 000 t Fleisch vertrieben. Zu 7: Es wird davon ausgegangen, dass mit der Fragestellung die Presseinformation des ML vom 26.02.2014 gemeint ist. Das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sieht sich gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie den Wirtschaftsbeteiligten in Niedersachsen verpflichtet , über bedeutende Ereignisse in der Lebensmittelkette wie hier die Schnellwarnung aus den Niederlanden zu informieren. Im vorliegenden Fall war die vermutete Unregelmäßigkeit nicht sicher auszuschließen, da weder eine Nämlichkeitsüberprüfung durch den amtlichen Tierarzt noch eine Probenahme zum Zwecke der Tierartendiagnostik durchgeführt werden konnten, da das Rohmaterial nicht mehr vorhanden war. Allein dieses hätte im vorliegenden Fall des Verdachts einer Verbrauchertäuschung durch Falschdeklaration der Tierart durch den niederländischen Lieferbetrieb den Verdacht tatsächlich entkräften können. In der Pressemitteilung wurde auch darauf hingewiesen, was die behördlichen Ermittlungen des Landkreises bislang ergeben hatten und dass sich wahrscheinlich kein Fleisch mehr im Handel befindet. In der Pressemitteilung vom 26.02.2014 des ML heißt es wörtlich: „Das Verbraucherschutzministerium hat in Abstimmung mit der Lebensmittelüberwachungsbehörde des Landkreises umgehend eine Überprüfung der Lieferlisten veranlasst. Nach derzeitigen behördlichen Ermittlungen hat das Unternehmen im April 2013 rund 500 Kilogramm frisches Rindfleisch von dem niederländischen Schlachthof erhalten und dieses unmittelbar an einen Betrieb in Niedersachsen sowie an einen Betrieb nach Sachsen-Anhalt weiterverkauft. Diese haben das Fleisch über die Ladentheke und an Gastronomiebetriebe abgegeben. Die zuständigen Behörden werden über den Sachstand informiert, sie werden ihrerseits überprüfen, ob sich noch Produkte im Handel befinden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich aufgrund des großen Zeitabstandes keine Ware mehr im Handel befindet.“ Zu 8: Die Pressemitteilung vom 26.02.2014 titelte: „Lieferungen von falsch etikettiertem Rindfleisch Meyer: Auch Niedersachsen ist gering betroffen - Maßnahmen ergriffen“. Zu 9: Die Pressemitteilung wurde am 26.02.2014 unter dem in Antwort 8 genannten Titel versendet und war seitdem entsprechend öffentlich zugänglich. Auf der Homepage des ML wurde der Text zunächst versehentlich unter der Bezeichnung des pdf-Dokumentes abgespeichert. Nachdem dieses Versäumnis bemerkt worden war, wurde der Link zur inhaltlich korrekten Pressemitteilung am 28.02.2014, umgehend angepasst. Die eigentliche Presseinformation, die ja bereits am 26.02.2014 mit dem Titel „Lieferungen von falsch etikettiertem Rindfleisch“ versendet worden war, blieb davon unberührt. Zu 10: Der Titel der Pressemitteilung wurde nicht mehrfach geändert. Zu 11: Es war nicht auszuschließen, dass keine Verbrauchertäuschung gegeben war. Diesbezüglich wird auf die Beantwortung von Frage 7 verwiesen. Die unverzügliche Information der Wirtschaftsbeteiligten sowie der Verbraucherinnen und Verbraucher darüber, dass Niedersachsen von einem Fall des Verdachts auf Verbrauchertäuschung durch Falschdeklaration von Lebensmitteln betroffen ist, ist Aufgabe des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Ähnliche Informationen über die niederländische Schnellwarnung wurden auch von anderen Bundesländern verbreitet. Das Inverkehrbringen derartiger Lebensmittel ist nach den Vorschriften des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelge- 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1544 setzbuches verboten. Eine entsprechende Information trägt dazu bei, dass alle Wirtschaftsbeteiligten sensibilisiert werden und es den „schwarzen Schafen“ der Branche zunehmend schwieriger gemacht wird, zum Zwecke einer Gewinnmaximierung zu täuschen. Die Pressemitteilung hat daher nicht zur Skandalisierung der Fleischbranche in Niedersachsen beigetragen , sondern vielmehr aufgezeigt, dass auch niedersächsische Unternehmen Opfer krimineller Machenschaften einzelner Wirtschaftsbeteiligter werden können und nur das Wissen um derartige Betrugsvorgänge sowie Kontrollen auf allen Produktionsebenen zukünftig zur Reduzierung derartiger Täuschungsmanöver beitragen können. Zum zweiten Sachverhalt wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Christian Meyer 4 (Ausgegeben am 22.05.2014) Drucksache 17/1544 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke (CDU), eingegangen am 20.03.2014 Misst die Landesregierung beim Verbraucherschutz mit zweierlei Maß? Antwort der Landesregierung