Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1551 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner und Dr. Gero Hocker (FDP), eingegangen am 12.03.2014 Weshalb wurde die Prüfung der Rücknahme des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids für die Biogasanlage Groß Meckelsen angewiesen? Die Landesregierung schrieb in der Antwort auf die Anfrage „Wieso wurden die Auflagen für die Biogasanlage in Groß Meckelsen verschärft?“ der Abgeordneten Dr. Hocker und Dr. Birkner, dass das Umweltministerium das Gewerbeaufsichtsamt am 29.08.2013 zu einer Prüfung der Rücknahme des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids angewiesen hat. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Eingaben hat die Staatskanzlei von wem und mit welchem Inhalt erhalten? 2. Gab es Besprechungen auf Leitungsebene zwischen der Staatskanzlei und dem Umweltministerium , und, wenn ja, wann und mit welchem Inhalt? 3. In welcher Weise war der Chef der Staatskanzlei an dem Verfahren beteiligt? 4. Was war der Anlass für die Prüfung der Rücknahme des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids vom 31.05.2013? 5. Warum musste das Gewerbeaufsichtsamt Cuxhaven am 29.08.2013 angewiesen werden, die Prüfung der Rücknahme des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids vorzunehmen ? Warum hat das Gewerbeaufsichtsamt diese Prüfung aus eigenem Antrieb unternommen , und wo lag der Dissens? (An die Staatskanzlei übersandt am 18.03.2014 - II/725 - 656) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 21.05.2014 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - Ref17-01425/17/7/05-0006 - Die Kleine Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Nachdem das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt (GAA) Cuxhaven der Firma Biomethan Sittensen GmbH & Co KG mit Bescheid vom 31.05.2013 Errichtung und Betrieb der Biogasanlage in Groß Meckelsen aufgrund des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genehmigt hatte, erreichten die Staatskanzlei (StK) Eingaben zu dieser Frage. Zunächst wandten sich am 10.06.2013 die Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Sittensen, Frau Traute Flacke, und am 19.06.2013 ihr Stellvertreter Thomas Kannenberg an die Staatskanzlei. Herr Kannenberg vertrat auch das Netzwerk sauberes Trinkwasser (NeST) als dessen Vorstandsmitglied . Beginnend mit dem 01.07.2013 wandte sich NeST darüber hinaus mehrfach durch die Herren Gunnar Friedrich und Dieter Höper an die StK. 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1551 Die Petenten trugen zusammengefasst folgende Positionen vor: Sie wiesen auf das Mitwirkungsverbot der Kommanditisten der Firma Biomethan Sittensen GmbH & Co KG nach § 41 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz bei der Beschlussfassung über die Bauleitplanung, ein Urteil zur Unwirksamkeit eines Bebauungsplans in vergleichbarem Fall, die Herausnahme von Gülle und Mist aus dem Genehmigungsverfahren, die Frage zur Notwendigkeit einer neuen Antragsstellung durch die Firma Biomethan Sittensen GmbH & Co KG wegen Änderungen in der Anlagenplanung, die Ablehnung der Biogasanlage Groß Meckelsen durch den Rotenburger Kreistag, die Genehmigung einer weiteren Biogasanlage im Wasserschutzgebiet Groß Meckelsen, die Genehmigung weiterer Biogasanlagen in Wasserschutzgebieten, die Position des Wasserverbands Bremervörde, den Verstoß gegen die Verordnung zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, die Nichtbeachtung der Grenze für Gärsubstratvorhaltung im Wasserhaushaltsgesetz , den Vorzug der Eigentumsrechte vor dem Allgemeinwohl und die Verordnung des Umweltministeriums zur Errichtung von Biogasanlagen in Wasserschutzgebieten hin und baten um den Bau- und Planungsstopp bis zur eindeutigen Klärung der Rechtslage, den sofortigen Bau- und Planungsstopp durch die Landesregierung sowie den Widerruf der Genehmigung nach BundesImmissionsschutzgesetz . Weiterhin behandelten die Eingaben den Widerspruch von NeST gegen den Genehmigungsbescheid, die Akteneinsicht beim GAA Cuxhaven sowie Nachfragen zum Sachstand des Genehmigungsverfahrens. Darüber hinaus beschrieben die Petenten das Gefährdungspotenzial von Biogasanlagen, die Havariegefahr , Störfälle an Biogasanlagen im Landkreis Rotenburg in der Vergangenheit, die Gefährdung des Trinkwassers für ca. 100 000 Menschen, die besonderen Gegebenheiten des Trinkwasserreservoirs „Rotenburger Rinne“, den Flächenbedarf für den Maisanbau, den hohen Nitrateintrag ins Grundwasser, den Pestizideintrag ins Grundwasser, die Auswirkung der Monokultur auf die Artenvielfalt , die Zunahme des Schwerlastverkehrs, den Verschleiß der Straßen infolge des erhöhten Verkehrsaufkommens, die Immissionen von Lärm, Geruch und Feinstaub durch Lkw-Verkehr, die Auslastung des Landkreises Rotenburg mit Biogasanlagen, die Auswirkung auf das Landschaftsbild sowie die CO2-Belastung durch Biogasanlagen. Nach der abschließenden Bestätigung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erreichten die StK weitere Eingaben der genannten Organisationen bzw. Personen. Diese beinhalteten Zusammenfassungen der vorgenannten Inhalte sowie die Kritik am Ausgang des Genehmigungsverfahrens . Zu 2: Eine erste Besprechung auf Leitungsebene zur Genehmigung der Biogasanlage Groß Meckelsen der Firma Biomethan Sittensen GmbH & Co KG fand am 18.07.2013 zwischen Frau Staatssekretärin Kottwitz (MU) und Herrn Staatssekretär Dr. Mielke (StK) statt. Gegenstand dieser Besprechung waren die Bedenken zur Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des GAA Cuxhaven vom 31.05.2013, wie sie in den Eingaben gegenüber der Staatskanzlei geltend gemacht worden waren. Weitere Besprechungen fanden am 03.12.2013 zwischen Herrn Staatssekretär Dr. Mielke, Frau Staatssekretärin Kottwitz und Herrn Leiter des Ministerbüros im MU Mecke sowie am 10.01.2014 zwischen Herrn Staatssekretär Dr. Mielke und Herrn Leiter des Ministerbüros Mecke statt. Zuletzt fand am 05.02.2014 eine Besprechung mit Vertretern der Lokalpolitik (Landkreis Rotenburg/Wümme und Samtgemeinde Sittensen) und des NeST unter Teilnahme von Frau Staatssekretärin Kottwitz und Herrn Staatssekretär Dr. Mielke statt. Zum Inhalt dieser Gespräche wird auf die Ausführungen zu den Fragen 4 und 5 verwiesen. Zu 3: Das Anhörungsverfahren zur Rücknahme der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 31.05.2013 wurde vom GAA Cuxhaven auf Weisung des MU durchgeführt. Herr Staatssekretär Dr. Mielke war weder an diesem Verfahren, noch an den Verfahren zur Entscheidung über den Widerspruch der Firma Biomethan Sittensen GmbH & Co KG und den Widerspruch des Herrn Höper beteiligt. Er wurde allerdings vom MU über die jeweils beabsichtigten Schritte informiert. 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1551 Zu 4 und 5: Anlass der Prüfung der Rücknahme des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids vom 31.05.2013 waren die zu 1. genannten Beschwerden von Bürgern aus dem Landkreis Rotenburg /Wümme an das MU und die StK über die Zulassung des Vorhabens. Eine Voraussetzung für die Genehmigung der Anlage war u. a. eine Ausnahme von Verboten einer Wasserschutzgebietsverordnung des Landkreises Rotenburg/Wümme. Diese Ausnahme setzte wiederum voraus, dass das grundsätzliche Verbot der Verordnung, eine solche Anlage im Wasserschutzgebiet zu errichten und zu betreiben, für die Antragsteller eine unbeabsichtigte Härte dargestellt hätte. Das hatte das GAA bejaht und sich im Kern darauf gestützt, der vorhabenbezogene Bebauungsplans Nr. 6 „Biomethan Groß Meckelsen“ habe die Bebaubarkeit des Grundstücks mit einer Biogasanlage verbindlich festgelegt, somit sei sie als Eigentumsposition i. S. d. Artikels 14 Grundgesetz geschützt. Bei der Prüfung der Beschwerden ist das MU zu der Einschätzung gekommen, dass die Genehmigung rechtswidrig erteilt worden war. Da der Bebauungsplan Nr. 6 „Biomethan Groß Meckelsen“ die Bebaubarkeit des Anlagengrundstücks mit einer Biogasanlage von vornherein gar nicht abschließend zulassen konnte, sondern sogar ausdrücklich unter den Vorbehalt der erforderlichen wasserrechtlichen Ausnahme stellte, war die Annahme eines eigentumsrechtlichen Schutzes der Bebaubarkeit des Grundstücks mit einer Biogasanlage unzutreffend. Das Eigentumsrecht in Form der spezifischen Nutzbarkeit des Grundstücks zur Errichtung einer Biogasanlage konnte erst mit der Entscheidung über die Ausnahme entstehen, diese jedoch nicht ermessensleitend präjudizieren . Die Begründung des GAA Cuxhaven hinsichtlich des Vorliegens einer „offenbar nicht beabsichtigten Härte“ beruhte daher auf einer rechtlich unzutreffenden Annahme. Da das GAA Cuxhaven sich demgegenüber gebunden gesehen hatte, die Genehmigung zu erteilen und im Hinblick auf Artikel 14 Grundgesetz die oben dargestellte Argumentation zugrunde gelegt hatte, konnte nicht erwartet werden, dass es von sich aus eine Anhörung zur Rücknahme der Genehmigung vornehmen würde. Denn nach der Auffassung des Amtes lagen die Voraussetzungen einer Rücknahme nicht vor. Vor diesem Hintergrund geschah die förmliche Anweisung zur Durchführung des Anhörungsverfahrens auch im Interesse der betroffenen Bediensteten. Die Gesprächstermine am 18.07.2013, 03.12.2013, 10.01.2014 und 05.02.2014 dienten zur Erörterung dieser rechtlichen Fragen sowie zur Erläuterung gegenüber den Petenten. Stefan Wenzel 3 (Ausgegeben am 27.05.2014) Drucksache 17/1551 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner und Dr. Gero Hocker (FDP), eingegangen am 12.03.2014 Weshalb wurde die Prüfung der Rücknahme des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids für die Biogasanlage Groß Meckelsen angewiesen? Antwort der Landesregierung