Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1589 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Martin Bäumer und Ingrid Klopp (CDU), eingegangen am 28.04.2014 Was hat die Landesregierung mit dem Drömling vor? Der Drömling ist ein etwa 340 km2 großes Niederungsgebiet an der Grenze zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Die Niederung mit dem Mittellandkanal und den Flüssen Aller und Ohre hat sich zu einem Rückzugsgebiet für seltene oder vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten entwickelt. Nachdem in den Jahren 1992 bis 2012 das Naturschutzgroßprojekt Drömling beendet wurde, soll nun durch Sachsen-Anhalt der Antrag auf Ausweisung eines UNESCO-Biosphärenreservats gestellt werden, der auch Auswirkungen auf Niedersachsen haben könnte. In einer gemeinsamen Sitzung der Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt am 4. März 2014 wurde beschlossen : „Für den Drömling werden die Möglichkeiten für eine grenzübergreifende, dem Naturraum gerecht werdende, einheitliche Gebietsentwicklung vor dem Hintergrund der in Sachsen-Anhalt favorisierten Einrichtung eines UNESCO-Biosphärenreservates geprüft. Hierzu soll eine länderübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet werden.“ Grundstückseigentümer, Landpächter und Kommunalpolitiker auf niedersächsischer Seite des Drömling fragen sich besorgt, welche Auswirkungen der Kabinettsbeschluss haben werde. Wir fragen die Landesregierung: 1. Welchen Unterschied gibt es zwischen der Auswirkung eines Landschafts- und Naturschutzgebiets und eines Biosphärenreservats? 2. Welche praktischen Auswirkungen auf die betroffenen Menschen vor Ort, vor allem auf Eigentümer und Bewirtschafter der entsprechenden Flächen, hätte die Ausweisung eines Biosphärenreservats im Drömling auf niedersächsischer Seite? 3. Welchen Vorteil kann die Ausweisung eines Biosphärenreservats im niedersächsischen Teil des Drömling haben? 4. Welche Personen und Institutionen sollen Mitglied der „länderübergreifenden Arbeitsgruppe“ werden? 5. Mit welchem Zeitplan wird die Arbeitsgruppe arbeiten, und wann sollen erste Ergebnisse vorgelegt werden? 6. Wie wird die Landesregierung sicherstellen, dass durch das Biosphärenreservat nicht über die schon jetzt durch das Naturschutzgroßprojekt ausgewiesenen Flächen hinaus weitere Flächen mit einem Schutzstatus belegt werden? 7. Wie wird die Landesregierung sicherstellen, dass das „Heft des Handelns“ auch nach der Ausweisung eines Biosphärenreservats bei den Akteuren vor Ort in Niedersachsen liegt? 8. Wird die Landesregierung die Landwirte vor Ort bei den Kosten für das Bibermanagement entlasten? 9. Ist es rechtlich möglich, nach erfolgtem Beitritt zu einem Biosphärenreservat aus diesem Projekt durch Kündigung auszusteigen? (An die Staatskanzlei übersandt am 06.05.2014 - II/725 - 706) 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1589 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 06.06.2014 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - Ref17-01425/17/7/01-0035 - Der Naturraum Drömling erstreckt sich über die Landesgrenze von Niedersachsen und SachsenAnhalt und liegt mit dem deutlich geringeren Anteil der Gesamtfläche in Niedersachsen. Im niedersächsischen Teil ist zwischen 2002 und 2012 das Naturschutzgroßprojekt „Niedersächsischer Drömling“ im Rahmen des Bundesförderprogramms „Chance.Natur“ mit Finanzmitteln des Bundes, des Landes und der Projektträger umgesetzt worden. Projektträger waren der Landkreis Gifhorn, der Landkreis Helmstedt und die Stadt Wolfsburg, die jeweils Anteile an dem rund 4 200 ha großen Projektgebiet im Drömling haben. Mit diesem Projekt wurde die Entwicklung großflächig naturnaher Auwälder, Bruchwälder, Sumpfbiotope, Kleingewässer sowie von großflächigem Nass- und Feuchtgrünland, insbesondere durch die Optimierung des Wasserhaushalts, maßgeblich gefördert. Auch im sachsen-anhaltinischen Teil des Drömlings wurden bis 2012 Naturschutzgroßprojekte umgesetzt . Dort besteht seit 1990 ein Naturpark mit einer Fläche von rund 27 800 ha und dem Sitz der Verwaltung in Oebisfelde. Sachsen-Anhalt plant, den Naturpark Drömling in Sachsen-Anhalt als ein Biosphärenreservat nach Landesrecht auszuweisen und die Anerkennung als Biosphärenreservat durch die UNESCO vorzubereiten. Einem Antrag auf Anerkennung eines Biosphärenreservats im Drömling werden größere Chancen beigemessen, wenn sich dieses - in Anbetracht des vom deutschen MAB-Nationalkomitee (UNESCO -Programm „Der Mensch und die Biosphäre“) offenbar präferierten länderübergreifenden Ansatzes - auch auf Anteile in Niedersachsen erstrecken würde. Im Rahmen der gemeinsamen Sitzung der Niedersächsischen Landesregierung und der Landesregierung von Sachsen-Anhalt am 04.03.2014 in Helmstedt wurde der Beschluss gefasst, dass für den Drömling die Möglichkeiten für eine grenzübergreifende, dem Naturraum gerecht werdende einheitliche Gebietsentwicklung vor dem Hintergrund der in Sachsen-Anhalt favorisierten Einrichtung eines UNESCO-Biosphärenreservats geprüft werden und hierzu eine länderübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet werden soll. Vom MU sowie vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Sachsen-Anhalt werden zurzeit die Vorbereitungen zur Einrichtung der vorgenannten Arbeitsgruppe getroffen. Gemäß der Vorgabe des Gemeinsamen Kabinettsbeschlusses werden in diesem Rahmen die allgemein bestehenden Möglichkeiten und Grenzen einer grenzübergreifenden Gebietsentwicklung sowie die Voraussetzungen und Anforderungen an eine länderübergreifende Zusammenarbeit im Naturschutz im Drömling zu prüfen sein. Inwieweit eine Beteiligung Niedersachsens an einem länderübergreifenden Biosphärenreservat in Betracht kommen könnte oder andere Optionen zur Förderung der grenzübergreifenden Gebietsentwicklung bzw. länderübergreifenden Zusammenarbeit zu präferieren sind, wird erst auf Grundlage der durch die Arbeitsgruppe erarbeiteten Grundlagen sowie gewonnenen Erkenntnisse beurteilt werden können. Zudem bedürfen diesbezügliche Überlegungen insbesondere auch einer breiten Diskussion in der Region und durch die Akteure vor Ort. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Zunächst ist zu unterscheiden zwischen einem UNESCO-Biosphärenreservat und einem naturschutzrechtlichen Biosphärenreservat nach § 25 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1589 Die Anfrage bezieht sich auf ein mögliches UNESCO-Biosphärenreservat. Hierbei handelt es sich um eine Auszeichnung, die die UNESCO auf der Grundlage des Programms „Der Mensch und die Biosphäre“ (MAB) auf Antrag einer Regierung verleiht, wenn ein Gebiet bestimmte Anforderungen als Modellregion für nachhaltige Entwicklung erfüllt. Für die Anerkennung und Überprüfung von Biosphärenreservaten der UNESCO in Deutschland bestehen insgesamt 40 Kriterien, wie z. B. Repräsentativität aus globaler Sicht, Flächengröße, Verwaltung und Organisation, Nachhaltiges Wirtschaften, Biodiversität, Forschung, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation sowie Einbindung in das Weltnetz der UNESCO-Biosphärenreservate (derzeit 621 Biosphärenreservate aus 117 Staaten). Die Auswirkungen auf die Flächennutzungen ergeben sich aus den Kriterien zur Zonierung und rechtlichen Sicherung, die mittels Schutzgebietsfestsetzung umzusetzen sind. Danach muss das UNESCO-Biosphärenreservat in Kern-, Pflege- und Entwicklungszone gegliedert sein. Die Kernzone mit der Zielstellung des Prozessschutzes (d. h. ohne land- und forstwirtschaftliche Nutzung) muss mindestens 3 % der Gesamtfläche einnehmen. Auch die Pflegezone dient dem Schutz der Biodiversität, wobei es sich auch um eine Kulturlandschaft mit hoher biologischer Vielfalt handeln kann. Kern- und Pflegezone zusammen müssen mindestens 20 % der Gesamtfläche betragen und als Naturschutzgebiet oder auf andere Weise gleichwertig rechtlich gesichert sein. Die Sicherung der Entwicklungszone, die mindestens 50 % der Gesamtfläche einnimmt, richtet sich nach Schutzwürdigkeit und -bedarf und kann den Schutzbestimmungen eines Naturschutzgebietes oder eines Landschaftsschutzgebietes entsprechen. Insgesamt muss der überwiegende Teil der Fläche eines UNESCO-Biosphärenreservats rechtlich gesichert sein. Bereits ausgewiesene Gebiete dürfen in ihrem Schutzstatus nicht verschlechtert werden. Die rechtliche Sicherung eines UNESCO-Biosphärenreservats kann durch ein Biosphärenreservat nach § 25 BNatSchG oder prinzipiell auch durch andere naturschutzrechtliche Schutzinstrumente erfolgen. Ergebnis ist in jedem Fall eine Zonierung des Gesamtgebiets mit abgestuften Schutzvorschriften . Bis auf die Regelung zur 3 %-Kernzone gibt es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen der Schutzintensität von Landschafts- und Naturschutzgebieten und den naturschutz- bzw. landschaftsschutzwürdigen Teilen eines Biosphärenreservats nach § 25 BNatSchG. In Bezug auf den niedersächsischen Drömling ist darauf hinzuweisen, dass die Landkreise Gifhorn und Helmstedt sowie die Stadt Wolfsburg zur Umsetzung der Verpflichtungen aus Natura 2000 und im Hinblick auf die Anforderungen aus dem abgeschlossenen Naturschutzgroßprojekt zurzeit die bestehenden Naturschutzgebiete neu verordnen und durch weitere Naturschutzgebiete ergänzen. Zu 2: Zu den Auswirkungen von Biosphärenreservaten im Hinblick auf deren hoheitliche Sicherung durch Schutzgebiete wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Zu 3: Wie in den Vorbemerkungen ausgeführt, befindet sich die Prüfung der Möglichkeiten für eine einheitliche Gebietsentwicklung im Drömling noch in einer frühen Phase, sodass noch keine hinreichenden Erkenntnisse über die mit einer einheitlichen Gebietsentwicklung bzw. einem möglichen Biosphärenreservat gegebenenfalls verbundenen Vorteile vorliegen. Bezogen auf Biosphärenreservate im Allgemeinen soll mit der Erklärung eines Gebietes zum Biosphärenreservat in der Regel die Grundlage für eine auf das Miteinander von Mensch und Natur ausgerichtete, nachhaltige und einheitliche Erhaltung und Entwicklung der Gebiete mit ihren landschaftlichen , kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Werten und Funktionen geschaffen werden. In Biosphärenreservaten sollen dauerhaft-umweltgerechte Landnutzungsweisen und Wirtschaftsformen sowie Umwelt- und Nachhaltigkeitsprojekte unterstützt bzw. Bildung und Forschung gefördert werden. Die Auszeichnung als Biosphärenreservat kann ein wichtiger Imagefaktor sein und im Zusammenhang mit dem Schutz der Landschaft und der Förderung von Erlebnis- und Bildungsangeboten die Attraktivität für einen naturnahen Tourismus erhöhen sowie Impulse für die regionale Wertschöp- 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1589 fung geben. Im Rahmen der Einbindung in die nationalen Naturlandschaften und in das Weltnetz der Biosphärenreservate kann zudem der Austausch mit anderen Schutzgebieten und die Beteiligung an deren überregionaler Öffentlichkeitsarbeit und Werbung gefördert werden. Zu 4: Wie in den Vorbemerkungen ausgeführt, befindet sich die Einrichtung der länderübergreifenden Arbeitsgruppe noch in der Vorbereitungsphase, sodass sich noch keine konkreten Aussagen zu Struktur, Organisation sowie Zeit- und Aufgabenplanung der Arbeitsgruppe treffen lassen. Zu 5: Siehe Antwort zu Frage 4. Zu 6: Wie in den Vorbemerkungen ausgeführt, bestehen zurzeit noch keine ausreichenden Grundlagen und Erkenntnisse, um eine mögliche Beteiligung Niedersachsens an einem länderübergreifenden Biosphärenreservat grundsätzlich beurteilen zu können. Erst nach diesbezüglich grundsätzlicher Positionierung wäre eine Konkretisierung der Ausgestaltung eines möglichen Biosphärenreservats z. B. im Hinblick auf dessen Geltungsbereich, Organisation oder Zuständigkeitsregelungen zweckmäßig . Zu 7: Siehe Antwort zu Frage 6. Zu 8: Der Biber ist eine streng geschützte Art, deren Bauwerke ebenfalls unter Schutz stehen. Im niedersächsischen Drömling befinden sich derzeit ca. zehn Biberreviere. Bislang ist hier - aufgrund genügend hoher Wasserstände und damit meist ausreichender Schwimmtiefe für den Biber - nur eine relativ geringe Dammbautätigkeit festzustellen. Ein Einstau bzw. eine Überflutung von Flächen durch Biber, verbunden mit finanziellen Auswirkungen auf Flächeneigentümer oder -bewirtschafter, ist im Drömling bisher nicht bekannt. Sofern durch Biberdämme beispielsweise die Funktionsfähigkeit von Entwässerungsgräben gefährdet wird, wird dies frühzeitig durch den Unterhaltungsverband gegenüber der zuständigen unteren Naturschutzbehörde angezeigt, um bei Bedarf direkt über entsprechende Ausnahmegenehmigungen zur Reduzierung oder Entfernung von Biberdämmen zu entscheiden, bevor i. d. R. Schäden entstehen können. Ein niedersachsenweites Bibermanagement gibt es derzeit nicht (vgl. hierzu Drs. 17/133). Zu 9: Ein Antrag auf Anerkennung als UNESCO-Biosphärenreservat kann zurückgezogen werden. Eine bereits erfolgte Anerkennung als Biosphärenreservat kann von der UNESCO bei Nichterfüllung der Kriterien zurückgenommen werden oder grundsätzlich auch durch den Träger des Biosphärenreservates zurückgegeben werden. Stefan Wenzel 4 (Ausgegeben am 16.06.2014)