Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1607 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 08.05.2014 Darf Gorleben vorab ausgeschlossen werden? Presseberichten zufolge hat Michael Müller (SPD), der designierte Kovorsitzende der Kommission, die Kriterien für ein atomares Endlager definieren soll, einen Vorabausschluss Gorlebens als Endlager gefordert. Müller begründet diese Forderung als „vertrauensbildende Maßnahme, die wir den Umweltverbänden schuldig sind“. Im Sommer letzten Jahres haben Bundestag und Bundesrat das Endlagersuchgesetz beschlossen, in dem u. a. die ergebnisoffene Suche sowie die Einrichtung einer Kommission, bestehend aus 33 Mitgliedern aus Wissenschaft, gesellschaftlichen Gruppen und Politik, festgelegt wurden. Allerdings haben sich die Umweltverbände, denen zwei Plätze in dieser Kommission zustehen würden, geweigert, diese Plätze wahrzunehmen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Aussagen Müllers? 2. Inwieweit sind solche Aussagen nach Meinung der Landesregierung Müllers Amt als Kovorsitzender der Kommission angemessen? 3. Inwieweit sieht die Landesregierung Müllers Forderung nach einem Ausschluss Gorlebens vor dem Hintergrund der in den Verhandlungen zum Endlagersuchgesetz konsensual beschlossenen „weißen Landkarte“ als hilfreich für den weiteren Verlauf des Suchprozesses an? 4. Wäre ein Ausschluss Gorlebens nach Meinung der Landesregierung eine vertrauensbildendere Maßnahme als das Beibehalten der „weißen Landkarte“? 5. Inwieweit ist für die Landesregierung die Teilnahme der Umweltverbände an der Kommission wichtiger als die Einhaltung des Beschlusses der ergebnisoffenen Suche? (An die Staatskanzlei übersandt am 14.05.2014 - II/725 - 723) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 10.06.2014 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - Ref17-01425/17/7/08-0011 - Mit dem im Juli 2013 verabschiedeten Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle (StandAG) soll die Grundlage für ein faires, vertrauenbildendes Verfahren gelegt werden, das den fachlichen, wissenschaftlichen, ethischen und gesellschaftspolitischen Anforderungen an einen künftigen Umgang mit dem Atommüll in gesamtstaatlicher Verantwortung gerecht werden kann. Das im StandAG normierte Festhalten am Standort Gorleben, der sich wie jeder andere potenzielle Standort den künftigen Auswahl- und Eignungskriterien stellen soll, ist einem parteiübergreifenden Konsens geschuldet, ohne den das StandAG vermutlich nicht zustande gekommen wäre. Damit 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1607 wäre nach Jahrzehnten der kontroversen Auseinandersetzung eine einmalige politische Chance für einen Neubeginn bei der Endlagersuche vertan worden. Die vom StandAG geforderte „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ hat mit ihrer konstituierenden Sitzung am 22.05.2014 in Berlin inzwischen ihre Arbeit aufgenommen. Die Kommission ist inzwischen auch mit zwei Vertretern der Umweltverbände vollzählig besetzt. Zentrale Aufgabe der Kommission ist es auch, über die interdisziplinäre fachliche Diskussion hinaus mögliche Defizite des StandAG aufzuzeigen und Vorschläge für eine Überarbeitung des Gesetzes vorzulegen . Die Landesregierung bleibt bei ihrer Auffassung, dass der Standort Gorleben geologisch ungeeignet und politisch verbrannt ist. Die frühzeitige Beseitigung von Sonderrechten für diesen Standort wäre daher eine Maßnahme, die gleich zu Beginn des Entscheidungsprozesses zur weiteren Vertrauensbildung insbesondere bei den Umweltverbänden, aber auch bei vielen Bürgerinnen und Bürgern gerade in Niedersachsen, beitragen würde. Zu den vorrangig in der Kommission zu klärenden Fragen zählen darüber hinaus der Zustand der bestehenden Institutionen, der Rechtsschutz und die Beteiligungsverfahren. Bundesumweltministerin Hendricks hat mit der Rücknahme der Klage gegen die Aufhebung des alten Rahmenbetriebsplans einen ersten Schritt in die richtige Richtung getan. Weitere Schritte - dazu gehört auch der Verzicht auf eine isolierte Veränderungssperre für den Standort in Gorleben - müssen folgen. Es sollte nicht nur im Interesse Niedersachsens, sondern aller Mitglieder der Kommission liegen, dass alle denkbaren Optionen an allen denkbaren Orten in der Republik offen gehalten werden und kein Standort aufgrund seiner „Vorgeschichte“ bevorzugt behandelt wird. Nur auf diese Weise kann Vertrauen in den Gesamtprozess hergestellt werden. In diesem Kontext stehen nach dem Verständnis der Landesregierung auch die Äußerungen Michael Müllers, gerade auch in seiner Eigenschaft als Ko-Vorsitzender der Kommission. Die Kommission darf ihren Blick nicht auf die Frage verengen, ob Gorleben vorerst „im Topf“ bleibt oder nicht. Die Herausforderung einer grundlegend neuen und konsensualen Standortsuche für ein Endlager geht weit über dieses Problem hinaus. Am Anfang des Prozesses sollten eine Bestandsaufnahme des gesamten gesellschaftlichen Wissens im nationalen und internationalen Rahmen und der Erfahrungen und Forschungsergebnisse zur Bürgerbeteiligung sowie Transparenzfragen stehen. Die Landesregierung ist davon überzeugt, dass bei der Analyse des gesamten gesellschaftlichen Wissens zum Thema Lagerung radioaktiver Stoffe noch große Wissenslücken zu identifizieren sein werden. Hierzu gehört u. a. auch die Frage einer vollständigen Abfallbilanz, die insbesondere alle „nicht konradgängigen“ radioaktiven Abfallbestände und -prognosen vollständig und transparent erfassen muss. Hier ist die Bundesregierung in der Pflicht. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1 bis 3: Siehe Vorbemerkungen. Zu 4: Nach § 29 StandAG wird der Salzstock Gorleben wie jeder andere in Betracht kommende Standort gemäß den nach dem StandAG festzulegenden Kriterien und Anforderungen in das Standortauswahlverfahren einbezogen oder ausgeschlossen werden. Ein schneller Ausschluss Gorlebens aus politischen Gründen könnte nur durch eine Änderung des StandAG vollzogen werden. Zu 5: Die Umweltverbände nehmen an der Kommission teil. Stefan Wenzel 2 (Ausgegeben am 20.06.2014) Drucksache 17/1607 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 08.05.2014 Darf Gorleben vorab ausgeschlossen werden? Antwort der Landesregierung