Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1698 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Hermann Grupe (FDP), eingegangen am 13.05.2014 Wie steht die Landesregierung zur EU-Öko-Verordnung? Die Landesvereinigung Ökologischer Landbau Niedersachsen hat in einem Forderungspapier die Pläne zu einer Totalrevision der EU-Öko-Verordnung kritisiert und die EU-Kommission aufgefordert , diese Revision zurückzunehmen. Nach Auffassung der Vereinigung gefährdet der Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Revision der EU-Öko-Verordnung die Weiterentwicklung des Öko-Landbaus in Europa. „Um den Öko-Sektor noch skandalsicherer zu gestalten, sei nicht eine grundlegende Neugestaltung der bestehenden EU-Öko-Verordnung erforderlich. Gefragt sei vielmehr eine sachgerechte Weiterentwicklung der bestehenden Regeln nach wissenschaftlichen Erkenntnissen“, so der LÖN-Vorsitzende Harald Gabriel. Gabriel weiter: „Der Kommissionsvorschlag stellt eine Abkehr von einer konsequenten prozessorientierten Kontrolle dar. Eine überbordende Bürokratie oder spezielle Grenzwerte für Schadstoffeinträge, die über die Einflussnahme des Landwirtes hinausgehen, sind nicht zielführend. Nach dem Verursacherprinzip sind die Akteure zur Verantwortung zu ziehen, die problematische Substanzen verbreiten, und nicht bereits nachhaltig wirtschaftenden Akteuren unnötige Steine in den Weg zu legen.“ Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Kritik der Landesvereinigung Ökologischer Landbau Niedersachsen? 2. Gab es Gespräche der Landesregierung mit der EU-Kommission zur Revision der EU-ÖkoVerordnung ? Wenn ja, wann, durch wen und mit welchem Inhalt? Wenn nein, wird die Landesregierung das Gespräch mit der Kommission suchen? 3. Wie bewertet die Landesregierung den Kritikpunkt, dass durch zu kleinteilige Detailbestimmungen die Öko-Branche die Definitionsmacht über die Erzeugung, Herstellung und Verarbeitung von Bioprodukten verliere? (An die Staatskanzlei übersandt am 19.05.2014 - II/725 - 735) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 20.06.2014 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 105.2/01425-97 - Im Jahr 1992 wurde seitens der EU die erste Verordnung zum ökologischen Landbau erlassen. Nach 17 Jahren, d. h. im Jahr 2009, trat nachfolgend eine in weiten Teilen vollständig neuformulierte Bio-Verordnung in der EU in Kraft (VO (EG) Nr. 834/2007 sowie dazugehörige Durchführungsverordnungen ). Dem vorausgegangen war ein intensiver und sehr zeitaufwändiger zweijähriger Abstimmungsprozess innerhalb der EU, der dazu führte, dass während dieser Zeit das Interesse an einer Umstellung auf ökologischen Landbau merklich zurückging, da den Landwirten keinerlei Sicherheiten bezüglich der zukünftigen Verordnungsvorgaben gegeben werden konnten. Diese derzeit gültige Bio-Verordnung ist ein mittlerweile mehrere hundert Seiten starkes Regelwerk mit umfassenden Vorgaben für die Erzeugung über die Verarbeitung, den Handel bis zur Kontrolle. Viele dieser Vorgaben haben sich in der Umsetzung bewährt. Ferner wird seit 2007 fortwährend an 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1698 einer Weiterentwicklung und - wo erforderlich - Auslegung der bestehenden Regeln gearbeitet. Trotz dieses umfassenden Regelwerks hat die EU-Kommission am 24.03.2014 dem Rat einen Entwurf für eine in weiten Teilen wiederum vollständig neu formulierte EU-Bio-VO vorgelegt. Damit müssen sich bereits fünf Jahre nach Inkrafttreten der derzeit gültigen Bio-Verordnung die ÖkoBranche sowie die zuständigen Behörden erneut auf zeitaufwändige und unkalkulierbare Diskussionen zu den zukünftigen EU-Vorgaben zum ökologischen Landbau einstellen. Seitens der EU-Kommission gab es Ende 2013 erste Hinweise für eine erneute vollständige Novellierung der europäischen Bio-Verordnung. Unter dem Titel „Brüsseler Bio-Bombe“ veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel am 13.01.2014 einen Artikel, in dem detailliert aus einem Entwurf für eine vollständig novellierte Bio-Verordnung zitiert wurde. Nachdem einen Tag später der Öffentlichkeit der inoffizielle Entwurf bekannt wurde, ergriffen kurz darauf die Landwirtschaftsminister der Länder Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg , Hessen und Niedersachsen die Initiative, indem sie sich am 11.02.2014 mit einem Brief direkt an Herrn Kommissar Cioloş richteten und ihm ihre großen Bedenken an der beabsichtigten vollständigen Novellierung mitteilten. Am 24.03.2014 wurde seitens der EU-Kommission dann offiziell der Entwurf einer vollständig novellierten Bio-Verordnung dem Rat vorgelegt. Er unterschied sich nur in wenigen Nuancen von dem bereits seit Januar 2014 inoffiziell bekannten Entwurf. Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Im Rahmen der Agrarministerkonferenz am 04.04.2014 in Cottbus wurde maßgeblich auf Initiative der Länder Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ein Beschluss mit zahlreichen Kritikpunkten zum vorliegenden Entwurf der Bio-Verordnung vorgelegt und seitens der Länder einstimmig angenommen (TOP 10 der AMK vom 04.04.2014). Zudem verabschiedete der Bundesrat in seiner Sitzung am 23.05.2014, wiederum maßgeblich auf Initiative Niedersachsens, einen nochmals erweiterten Beschluss zum Entwurf der Bio-Verordnung (Drucksache 113/14). Der Bundesrat betont unter Punkt 6 in diesem Beschluss, dass er eine Totalrevision der europäischen ÖkoVerordnung für grundsätzlich nicht erforderlich hält und hinsichtlich der gewünschten Weiterentwicklung des Ökolandbaus auch für bedenklich. Aus Sicht des Bundesrates sollte an der grundsätzlich bewährten Ausrichtung und Struktur der bestehenden Rechtsverordnungen festgehalten werden, diese aber konsequent und zielgerichtet weiterentwickelt und verbessert werden. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung dazu auf, sich in den Verhandlungen konsequent dafür einzusetzen, dass statt einer erneuten vollständigen Novellierung die bestehenden Bio-Verordnungen (EG) Nr. 834/2007, (EG) Nr. 889/2007 und (EG) Nr. 1235/2008 weiter entwickelt werden. Darüber hinaus hat das ML dem BMEL am 30.04.2014 eine erste detaillierte Stellungnahme zum vorliegenden Entwurf übersandt. Darin wird ebenfalls eine Totalrevision der bisherigen BioVerordnung abgelehnt. Wesentliche Gründe hierfür sind nach Auffassung des ML insbesondere folgende: – Die aktuell gültige Bio-Verordnung (EG) Nr. 834/2007 ist ein mehrere hundert Seiten starkes Regelwerk mit umfassenden Vorgaben für die Erzeugung über die Verarbeitung, den Handel bis zur Kontrolle. Es wird keine Notwendigkeit gesehen, dieses umfassende und breit eingeführte Regelwerk vollständig zu novellieren. Für einzelne spezifische Bereiche - wie z. B. im Bereich des Geflügels, des Saatguts oder der Futtermittel - der derzeit gültigen Bio-VO gibt es durchaus noch Bedarf, diese konkreter bzw. detaillierter und im Einzelfall strenger zu fassen. Dieses könnte jedoch in Einzelfall sinnvoll und schnell in die bestehende Bio-VO integriert werden. – Die Abkehr von der Prozessorientierung bzw. die Aufnahme eines Grenzwertes wird zu einer tiefen Verunsicherung bei bestehenden Biobauern führen bzw. interessierte Landwirte von einer Umstellung abschrecken, da ubiquitäre Verunreinigungen bzw. Abdriften von benachbarten konventionell bewirtschafteten Flächen in Zukunft per se zu einer Aberkennung führen können. – Anders als von der Kommission behauptet, wird der Kontrollaufwand im Handel erhöht, ohne dass damit ein erkennbarer Nutzen verbunden wäre. – Der durchgängige Verweis der Kommission im VO-Entwurf auf delegierte Rechtsakte wird zu einer weiteren großen Verunsicherung der ökologischen Land- und Ernährungswirtschaft bzw. 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1698 der an einer Umstellung Interessierten führen, da durch dieses Vorgehen keine abschließende Regelung der konkreten Vorgaben erfolgt. – Die Herausnahme der Kontrollvorschriften aus der Verordnung wird nicht zu mehr Sicherheit führen. Stattdessen ist absehbar, dass durch die Verlagerung der Kontrollvorschriften in die Verordnung (EG) 882/2004 der Verwaltungsaufwand steigen wird. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass insbesondere auf Seiten der Landesbehörden der Verwaltungsaufwand erheblich ansteigen wird. – Ein undifferenzierter Wegfall noch bestehender Ausnahmeregelungen. Der Aussage des Vorsitzenden der Landesvereinigung Ökologischer Landbau Niedersachsen, Herrn Harald Gabriel, dass eine grundlegende Neugestaltung der bestehenden EU-Öko-Verordnung nicht erforderlich sei, sondern vielmehr eine sachgerechte Weiterentwicklung der bestehenden Regeln nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, kann seitens der Landesregierung daher in vollem Umfang gefolgt werden. Die übrigen Kritikpunkte der Landesvereinigung Ökologischer Landbau Niedersachsen an der Abkehr von der Prozesskontrolle, der Grenzwertsetzung für Schadstoffe sowie der Zunahme der Bürokratie werden vom ML ebenfalls, wie oben erläutert, unterstützt . Zu 2: Wie oben ausgeführt, hat sich das Land Niedersachsen zusammen mit fünf anderen Bundesländern schon sehr frühzeitig direkt an Kommissar Cioloş gewandt, um seitens dieser Bundesländer deutlich Kritik an der beabsichtigten vollständigen Novellierung der EU-Bio-Verordnung zu üben und ihn gebeten, stattdessen die bestehende Bio-Verordnung, dort wo nötig, weiter zu entwickeln. Zu 3: Basis des Ökolandbaus war und ist eine Bewegung von Landwirten, der Wirtschaft und von engagierten Bürgern, die sich selbst verpflichtet haben, ökologisch zu wirtschaften und entsprechende Regelungen zu befolgen und weiter zu entwickeln. Der Ökolandbau lebt somit durch die ihn tragende Branche, d. h. insbesondere durch die Biolandwirte, die Bioverarbeiter und den Ökohandel. Nach Auffassung der Landesregierung ist seitens der Kommission, des Rates sowie des EU-Parlaments daher zu gewährleisten, dass die Akteure der Ökobranche bei der Diskussion um die Weiterentwicklung der Ökoverordnung umfassend mit einbezogen werden. Christian Meyer 3 (Ausgegeben am 03.07.2014) Drucksache 17/1698 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Wie steht die Landesregierung zur EU-Öko-Verordnung? Antwort der Landesregierung