Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1701 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Jörg Bode und Dr. Gero Hocker (FDP), eingegangen am 13.05.2014 Ist die Fischwanderhilfe in Celle einer Funktionskontrolle unterzogen worden? In der Drucksache 16/1830 „Veräußerung der Ratsmühle Celle an die Stadt Celle“ lautet der letzte Absatz wie folgt: „Im Kaufvertrag verpflichtet sich die Stadt Celle dazu, eine sogenannte Fischwanderhilfe, eine Anlage zur Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit am Standort Rathsmühle, zu errichten. Neben Fördermitteln aus dem Europäischen Fischereifonds (EFF) und einer Kostenbeteiligung des MU wird sich die Stadt Celle mit bis zu 350 000 Euro an dem rd. 1,2 Mio. Euro teuren Bauprojekt beteiligen.“ Im Spätsommer 2011 starteten die Bauarbeiten zur neuen Fischtreppe, und Ende 2012 ist die Fischwanderhilfe in Betrieb genommen worden. Die Stadt Celle ist Eigentümer der Ratsmühle und Maßnahmenträger dieser Baumaßnahme. Die Planung und Bauüberwachung lag hierbei beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz und der Ingenieurgesellschaft Heidt & Peters mbH. Die Fischwanderhilfe ist als ein 150 m langer Schlitzpass mit 37 Becken erstellt worden. Die ökologische Durchgängigkeit der Aller ist ein wichtiger Schritt in Richtung Wiederansiedlung von Lachs und Meerforelle in der Oberaller, der Kleinen Aller, der Oker und der Schunte. Sie hilft auch, die Anforderungen an die EG-Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen und damit den Zustand der Fließgewässer in Niedersachsen deutlich zu verbessern. Weil Fischaufstiegsanlagen grundsätzlich keinem „Typenbauwerk“ entsprechen, sondern standortbezogene Einzellösungen darstellen, ist eine Funktionskontrolle eine unverzichtbare Voraussetzung , um Funktionsmängel zu erkennen und Maßnahmen zur Optimierung der Anlagenfunktion abzuleiten . Kurz gesagt, ist eine Funktionskontrolle Bestandteil der Qualitätssicherung und dient dem Schutz von Natur, Umwelt und Steuergeldern. Wir fragen die Landesregierung: 1. Gibt es im Planfeststellungsbeschluss eine Festlegung zur Durchführung einer Funktionskontrolle der Fischwanderhilfe bei der Ratsmühle in Celle? 2. Hat es an der Fischwanderhilfe bei der Ratsmühle in Celle eine Funktionskontrolle gegeben? 3. Wenn ja, nach welchem Methodenstandard ist der Funktionsnachweis (z. B. Untersuchungszeitraum , Methodik der Datenaufnahme, Datenauswertung, Funktionsbewertung) geführt worden ? 4. Wodurch zeichnete sich die fachliche Eignung der eingesetzten Personen aus? 5. Wie ist das detaillierte Ergebnis? 6. Wenn nein, warum nicht? 7. Wann wird es die u. a. für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie relevante Funktionskontrolle geben? 8. Welche Kosten werden hierfür erwartet? 9. Wer trägt die Kosten? 10. Wenn es bisher keine Funktionskontrolle gegeben hat, lag dies an finanziellen Problemen des Maßnahmenträgers? 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1701 11. Gab es Funktionsdefizite, oder sind diese zu erwarten? 12. Wenn ja, was ist die Ursache, und wie sehen Verbesserungsmaßnahmen aus? 13. Welche Bedeutung misst die Landesregierung der Funktionskontrolle bei Fischaufstiegsanlagen im Allgemeinen und einem Methodenstandard im Besonderen bei? 14. Welchen Methodenstandard für die Funktionskontrolle von Fischaufstiegsanlagen bevorzugt die Landesregierung? 15. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass Funktionskontrollen bei Fischaufstiegsanlagen dem Funktionsnachweis bei Bauwerksabnahme dienen und somit unerlässlich sind? 16. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass Funktionskontrollen bei Fischaufstiegsanlagen der Klassifizierung der Durchgängigkeit nach EG-WRRL dienen? 17. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass Funktionskontrollen bei Fischaufstiegsanlagen als Nachweis der ökologischen Verbesserung nach den EEG dienen? 18. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass Funktionskontrollen bei Fischaufstiegsanlagen der Erfolgskontrolle im Rahmen der Eingriffsregelung dienlich sind? 19. Gibt es ein landesweites Monitoring über die Funktionsfähigkeit von Fischaufstiegsanlagen? 20. Wann kann man auf der Grundlage eines solchen Monitorings von einem durchgängigen und durchlässigen Fließgewässernetz in Niedersachsen ausgehen? 21. Wie werden die Berufs- und Angelfischer (Verbände, Vereine und Pachtgemeinschaften) an der Funktionskontrolle von Fischaufstiegsanlagen beteiligt? 22. Sind der Landesregierung weitere Planungen zur Nutzung von Wasserkraftanlagen entlang der Aller bekannt, wenn ja, welche? 23. Nach welchen ökologischen Durchgängigkeitsstandards sollen diese errichtet werden? 24. Ist für Fischaufstiegsanlagen, die im Rahmen der Eingriffsregelung zu erstellen wären, eine Funktionskontrolle zwingend erforderlich? 25. Wenn ja, auf welcher gesetzlichen Grundlage erfolgt dies? 26. Wenn nicht, warum nicht? (An die Staatskanzlei übersandt am 19.05.2014 - II/725 - 734) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 19.06.2014 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 102 – 65511 - 1 (10) - Die Kleine Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Eine Funktionskontrolle für die Fischtreppe hätte seitens der Plangenehmigungsbehörde nur angeordnet werden können, wenn die Wirksamkeit der festgesetzten Maßnahmen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht hinreichend sicher hätte prognostiziert werden können. Vorliegend bestand an der Funktionsfähigkeit der Fischtreppe aber kein Zweifel. Die Plangenehmigung erhält daher diesbezüglich keine obligatorischen Regelungen. 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1701 Zu 2: Eine Überprüfung des Fischaufstiegs über die Fischwanderhilfe (Funktionskontrolle) ist bisher nicht erfolgt. Zu 3: Entfällt. Zu 4: Entfällt. Zu 5: Entfällt. Zu 6: Ursächlich für die bisher nicht durchgeführte Funktionskontrolle ist im Wesentlichen, dass für die Durchführung derartiger Untersuchungen an dem komplexen Standort zunächst ein fachlich abgestimmtes und standortspezifisches Untersuchungskonzept erstellt werden muss. Zur Vorbereitung der Funktionskontrolle sind die hierfür notwendigen technischen Einrichtungen wie Fangreuse, Hebekran etc. als integrierter Bestandteil des Gesamtvorhabens bereits installiert worden. Lediglich befristet benötigte Gerätschaften werden bedarfsweise ergänzend eingesetzt. Darüber hinaus wird geprüft, inwieweit Dritte (z. B. Hochschulen, Fischereiberechtigte) in die Untersuchungen eingebunden werden können. Zu 7: Mit der Umsetzung der Funktionskontrolle ist zu rechnen, wenn die unter Frage 6 genannten Rahmenbedingungen abschließend festgelegt sind. Dies ist nicht vor 2015 zu erwarten. Zu 8: Angesichts der Größe und Komplexität der Anlage sind vergleichsweise aufwendige Untersuchungen zu erwarten. Die Kosten hierfür können derzeit nicht konkret beziffert werden, da verschiedene Faktoren wie z. B. Untersuchungsintensität und -dauer sowie gegebenenfalls die Einbeziehung von Dritten noch nicht hinreichend konkretisiert sind. Zu 9: Die Kostenträgerschaft ist nicht abschließend festgelegt. Laut Bescheid vom 07.07.2011 soll die Stadt Celle die Trägerschaft übernehmen und dabei mit Fördermitteln des Landes unterstützt werden . Es wird geprüft, ob und gegebenenfalls inwieweit für die Kontrollen Mittel aus den neu aufgelegten EU-Förderfonds (EMFF bzw. ELER) eingesetzt werden können. Die diesbezüglichen operationellen Programme auf nationaler Ebene werden derzeit erstellt. Konkrete Förderentscheidungen können erst nach Vorliegen der in Bearbeitung befindlichen Förderrichtlinien bzw. sonstigen Zuwendungsregularien getroffen werden. Zu 10: Nein, der Maßnahmeträger ist gewillt, die Funktionskontrolle umzusetzen (vgl. auch Antwort zu den Fragen 6 und 9). Zu 11: Bisher wurden keine Funktionsdefizite bekannt. Sollten im Rahmen einer zukünftigen Funktionskontrolle Defizite ermittelt werden, wären geeignete Verbesserungsmaßnahmen anzustreben. Zu 12: Entfällt. 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1701 Zu 13: Die Funktionsfähigkeit einer Fischaufstiegsanlage hängt neben der Gestaltung, Dimensionierung und Positionierung auch von den jeweiligen gewässermorphologischen, hydraulischen und hydrologischen Randbedingungen ab, die sehr variabel sein können. Deshalb lässt sich selbst bei der Planung einer Anlage nach aktuellen fachlichen Erkenntnissen und Regelwerken die Funktionsfähigkeit im Einzelfall nicht vollumfänglich vorhersagen. Die Landesregierung misst deshalb Funktionskontrollen eine hohe Bedeutung bei, da nur so Funktionsdefizite mit hoher Wahrscheinlichkeit erkannt und Maßnahmen zur Optimierung einer Anlage abgeleitet werden können. Die Durchführung einer Funktionskontrolle trägt somit maßgeblich zur Qualitätssicherung bei. Die Landesregierung hält die Anwendung eines Methodenstandards für zielführend, da hierdurch die Nachvollziehbarkeit von Ergebnissen gefördert und eine Vergleichbarkeit ermöglicht wird. Zu 14: Die BWK-Fachinformation 1/2006: „Methodenstandard für die Funktionskontrolle von Fischaufstiegsanlagen “ etabliert sich als Grundlage für die Durchführung von Funktionskontrollen in Niedersachsen . Zu 15: Die Abnahme eines Bauwerks erfolgt in der Regel zeitnah nach dessen Errichtung. Eine Überprüfung der Funktionsfähigkeit einer Fischaufstiegsanlage sollte dagegen erst dann erfolgen, wenn sich für den Dauerbetrieb der Anlage typische Verhältnisse eingestellt haben. Zudem erfolgt eine Funktionskontrolle über einen längeren Zeitraum, sodass die Abnahme des Bauwerks und die Durchführung einer Funktionskontrolle zwei separate Prüfungen einer Fischaufstiegsanlage darstellen . Zu 16: Bisher liegen nicht für alle Fischaufstiegsanlagen detaillierte Kenntnisse vor. Derzeit wird eine Untersuchung erstellt, die auf der Basis überwiegend vorhandener Daten und Kenngrößen eine Verbesserung des Kenntnisstands der Wirksamkeit derartiger Anlagen erlaubt. Die im Zuge des operativen Monitorings bzw. der Funktionskontrollen bei der Neuerrichtung solcher Anlagen erhobenen Daten stellen dabei einen wichtigen Beitrag zur Validierung der diesbezüglichen Kenntnislage dar. Zu 17: Ökologische Verbesserungen im Sinne des EEG können u. a. auch Maßnahmen zur Verbesserung der Durchgängigkeit sein. Wenn als Maßnahme zur Herstellung des Fischaufstiegs eine entsprechende Anlage errichtet wurde, kann der Nachweis der Funktion dieser Fischaufstiegsanlage im Einzelfall als Nachweis der ökologischen Verbesserung nach dem EEG dienen. Zu 18: Fischaufstiegsanlagen stellen im Regelfall keinen Tatbestand im Sinne der naturschutzrechtlichen normierten Eingriffsregelung dar. Sie zielen vielmehr aus sich selbst heraus auf die konkrete Verbesserung der aquatischen Umwelt ab. Erfolgskontrollen an Fischaufstiegsanlagen dienen daher der Ermittlung des Funktionsumfangs der Anlage selbst und nur in Einzelfällen der Wirksamkeit als Kompensation für Eingriffe an anderer Stelle. Zu 19: Nein, es gibt kein landesweites Monitoring über die Funktionsfähigkeit von Fischaufstiegsanlagen. Das Land erarbeitet derzeit ein landesweites Bewertungsschema für die Durchgängigkeit von Querbauwerken. Standortabhängig werden hierbei an einem Querbauwerk gegebenenfalls auch vorhandene Fischaufstiegsanlagen berücksichtigt. Zu 20: Von einem durchgängigen Fließgewässernetz kann gesprochen werden, wenn die Durchgängigkeit an sämtlichen in diesem Zusammenhang relevanten Querbauwerken in Niedersachsen hergestellt ist und keine anderen Migrationshindernisse wirken. 4 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1701 Zu 21: Die Durchführung von Funktionskontrollen erfordert spezielle Fachkenntnisse, sodass mit der Planung , Beaufsichtigung und Auswertung ausschließlich qualifiziertes Personal betraut werden sollte, das über hinreichende Erfahrung bei der Bearbeitung fischereibiologischer Fragestellungen sowie beim Einsatz der speziellen Fangtechnik verfügt. Die Mitarbeit von Vertretern der örtlichen Fischerei bei den Routinearbeiten (z. B. der regelmäßigen Kontrolle der Fangeinrichtung sowie der Aufarbeitung des vorgefundenen Fanges) ist vom Grundsatz zu begrüßen und hat sich in der Vergangenheit auch vielfach bewährt. Die Durchführung ist jedoch einzelfallabhängig zu gestalten und liegt vornehmlich in der Verantwortung des primär Beauftragten sowie den Möglichkeiten der dafür prinzipiell infrage kommenden Berufsfischer bzw. Angelfischereivereine vor Ort. Zu 22: Der Landesregierung sind derzeit drei Vorhaben bekannt. Zum einen ist dies die Pilot- und Demonstrationsanlage der „Weiterentwickelten Wasserradtechnologie “ am Allerwehr Bannetze. Der Planfeststellungsbeschluss hierzu ist am 20.08.2010 ergangen. Ein Baubeginn ist jedoch bisher nicht erfolgt. Zum zweiten läuft ein Planfeststellungsverfahren für die Errichtung einer Wasserkraftanlage am Allerwehr in Langlingen. Hier soll mit zwei Wasserkraftschnecken Strom erzeugt werden. Ein Erörterungstermin hat stattgefunden. Zum dritten wird in Müden-Dieckhorst derzeit ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt. Der Planfeststellungsbeschluss soll in Kürze erfolgen. Zu 23: Bei Planung und Betrieb dieser Wasserkraftanlagen ist die ungehinderte Durchgängigkeit für Fische am jeweiligen Standort sicherzustellen. Dies bedeutet, dass geeignete und den allgemeinen fachlichen Anforderungen entsprechende Fischaufstiegsanlagen, Fischabstiegsanlagen und Fischschutzvorrichtungen vorzuhalten sind. Zu 24: Vgl. Antwort zu Frage 18. Zu 25: Entfällt. Zu 26: Vgl. Antwort zu Frage 18. Christian Meyer 5 (Ausgegeben am 02.07.2014) Drucksache 17/1701 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Jörg Bode und Dr. Gero Hocker (FDP), eingegangen am 13.05.2014 Ist die Fischwanderhilfe in Celle einer Funktionskontrolle unterzogen worden? Antwort der Landesregierung