Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1719 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Kai Seefried (CDU), eingegangen am 11.11.2013 Schulrektorin auf Vermutung suspendiert - Wie ernst nimmt die Kultusministerin als Dienstherrin der Lehrkräfte in Niedersachsen ihre Fürsorgepflicht? Laut der Neuen Presse vom 21. September 2013 hat die Niedersächsische Landesschulbehörde einer seit 2003 an der Gutzmannschule in Langenhagen tätigen Rektorin ein Dienstverbot erteilt. Grund für die Postenenthebung sei die Vermutung, dass 21 Lehrkräfte innerhalb von sechs Jahren die Schule verlassen hätten, weil die Rektorin ungeeignet sei und den Schulbetrieb gefährde. Auslöser sei ein Disput mit der zweiten Konrektorin um eine Honorarkraft im Juni, u. a. darum, wer die Aufgabe als Klassenlehrerinnen für die neuen ersten Klassen übernehme. Einige Lehrer sollen sich über die Rektorin beschwert haben. Eine Lehrerin hingegen habe sich versetzen lassen wollen , weil sie diese Aufgabe nicht abgelehnt habe und von ihren Kolleginnen als „Verräterin“ behandelt würde. Die betroffene Rektorin ist im Eilverfahren erfolgreich gegen die ausgesprochene Suspendierung vorgegangen. Das Verwaltungsgericht halte das Dienstverbot in keinem Fall für gerechtfertigt. Trotz der vorläufigen Gerichtsentscheidung habe die Betroffene eine Abordnung an eine andere Schule als Konrektorin erhalten. Die Rektorin ist derzeit krank gemeldet. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie hoch ist die durchschnittliche Fluktuation an einer Schule? 2. Wie viele Lehrkräfte haben die Gutzmannschule seit 2007 tatsächlich pro Jahr verlassen? 3. Welche Gründe lagen laut Versetzungsantrag der oben genannten Lehrerin für das Verlassen vor? 4. Gab es Beschwerden gegen die Rektorin der Gutzmannschule in Langenhagen? Wenn ja, wann und mit welchem Inhalt? 5. Gab es nachweislich Beschwerden von Eltern oder Schülern der Gutzmannschule? Wenn ja, wann und mit welchem Inhalt? 6. Gab es seit dem Jahre 2003 nachweislich Gespräche mit der Rektorin, in denen dieser Kritik an ihrer Amtsführung aufgezeigt wurde? Wenn ja, wann, durch wen und welche lösungsorientierten Angebote erfolgen zur Unterstützung der Rektorin? 7. Inwieweit kam es zum Disput mit der zweiten Konrektorin wegen einer Honorarkraft? 8. Hat die Niedersächsische Schulinspektion die Gutzmannschule besucht? Wie lautet das Ergebnis der Inspektion, bezogen auf die fachlichen Kompetenzen und die Führungsverantwortung der Rektorin? Wer war zum Zeitpunkt der Inspektion verantwortlicher Dezernent der Gutzmannschule? 9. Wann wurde die betroffene Rektorin über das Verbot der Ausführung der Dienstgeschäfte in Kenntnis gesetzt? 10. Wie wurde die betroffene Rektorin über das Verbot der Ausführung der Dienstgeschäfte in Kenntnis gesetzt? Falls eine persönliche Mitteilung erfolgt ist, wer war anwesend, und wurde die betroffene Rektorin über ihre Rechte informiert? 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1719 11. Gab es im Vorwege eine Anhörung der betroffenen Rektorin über die Pläne des Dienstverbotes ? Falls ja, wann und wer war anwesend, und wurde die betroffene Rektorin über ihre Rechte informiert? 12. Wer hat seit der Erkrankung der betroffenen Rektorin die Dienstführung kommissarisch übernommen ? 13. Seit wann hat die Landesregierung über diesen Sachverhalt Kenntnis, und was hat sie bislang in dieser Sache unternommen? (An die Staatskanzlei übersandt am 19.11.2013 - II/725 - 498) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Kultusministerium Hannover, den 07.07.2014 - 01-0 420/5-498 - Eine umfassende und vollständige Beantwortung einzelner der gestellten Fragen stellt einen möglichen Eingriff in das aus Artikel 2 Abs. 1 GG i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Schulleiterin sowie weiterer angefragter Personen dar. Aus diesem Grunde hatte die Landesregierung zu prüfen, ob zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes der Schulleiterin sowie anderer angefragter Personen darauf zu verzichten ist, bestimmte Informationen im Rahmen dieser Drucksache öffentlich zu machen. Um dies zu entscheiden, ist eine Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Schulleiterin sowie weiterer angefragter Personen einerseits und dem parlamentarischen Informationsrecht andererseits vorgenommen worden. Die Landesregierung kommt zu dem Ergebnis, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor dem Hintergrund der Informationen, die bereits durch die Verhandlungen und Entscheidungen vor dem Verwaltungsgericht Hannover sowie vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind, in entsprechenden Teilbereichen zurückstehen muss und das parlamentarischen Informationsrecht insoweit den Vorrang genießt . Gleiches gilt für Informationen, die bereits durch die mediale Berichterstattung öffentlich geworden sind. Anderenfalls hat die Landesregierung wegen des überwiegenden Schutzinteresses der Schulleiterin sowie anderer angefragter Personen von einer detaillierten Beantwortung abgesehen . Seit dem Jahr 2005 ist der Niedersächsischen Landesschulbehörde (NLSchB) bekannt, dass es in der betreffenden Schule Konflikte zwischen der Schulleiterin und dem Kollegium gibt. In diesem Zusammenhang erfolgten mehrfache Beratungsgespräche, Mediationsversuche sowie die Teilnahme von Dezernenten der NLSchB an Dienstsprechungen. Die Situation stellte sich im Sommer 2013 dergestalt dar, dass aus schulfachlicher Sicht der ordnungsgemäße Schulbetrieb gefährdet erschien. Die NLSchB entschloss sich, für den Fall des Scheiterns eines Konfliktlösungsgesprächs am 16.08.2013 ein Verbot der Ausübung der Dienstgeschäfte gegenüber der Schulleiterin zu verfügen . Da das Gespräch nicht zur Beruhigung der Situation beitragen konnte, händigte die NLSchB am selben Tag die Verfügung zum Verbot der Ausübung der Dienstgeschäfte aus. Zeitgleich bemühte man sich, eine anderweitige amtsangemessene Verwendung für die Schulleiterin zu finden. Gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Verbots der Ausübung der Dienstsgeschäfte ging die Schulleiterin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor. Ihr Antrag hatte Erfolg, weil nicht beabsichtigt gewesen war, ein Verfahren mit dem Ziel der Beendigung des Beamtenverhältnisses einzuleiten, sondern die Schulleiterin lediglich anderweitig eingesetzt werden sollte. Die NLSchB hob daraufhin die Verfügung am 16.10.2013 auf und ordnete die Schulleiterin an eine andere Schule ab. Gegen die Abordnung setzte sich die Schulleiterin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren durch, da aus Sicht des Gerichts die angegebene Begründung der Unterrichtsversorgung für die Verfügung nicht tragfähig war. Daraufhin wurde eine neue Abordnungsverfügung mit der Begründung der Wahrung des Schulfriedens erlassen. Gegen diese Maßnahme wendet 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1719 sich derzeit die Schulleiterin in einem neuen einstweiligen Rechtsschutzverfahren und auf dem Klagewege. Dieses Verfahren vor dem VG Hannover wurde auf Vorschlag des Gerichts zur Durchführung einer Mediation unterbrochen. Das Mediationsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt: Zu 1: Eine statistisch aufbereitete Angabe über die durchschnittliche Fluktuation an einer Schule liegt nicht vor, sodass Zahlenwerte nicht genannt werden können. Zu 2: Seit 2007 hat die NLSchB insgesamt 15 Versetzungsanträgen von Lehrkräften stattgegeben, die sich wie folgt auf die einzelnen Jahre verteilen: 2007 5 2008 2 2009 2 2010 2 2011 1 2012 3 Zu 3: In dem Versetzungsantrag führt die betreffende Lehrkraft als Begründung Konflikte zwischen der Schulleitung und dem Kollegium bei der Klassenverteilung an, bei denen sie zwischen die streitenden Parteien geraten sei. Zu 4: Im Laufe der vergangenen Jahre erreichten die NLSchB wiederholt Beschwerden über die Schulleiterin . Die Beschwerden kamen sowohl von Lehrkräften wie auch von Eltern und richteten sich gegen den Führungs- und Leitungsstil der Schulleiterin. Beispielhaft genannt werden kann hier die Beschwerde einer Konrektorin im Juni 2013 über einen Konflikt zwischen ihr und der Schulleiterin. Zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Schulleiterin und unter Wahrung der Fürsorgepflicht wird auf detailliertere Angaben der Begründungen der nicht bereits öffentlich gewordenen Beschwerden verzichtet. Zu 5: Es gab in den vergangenen Jahren wiederholt Beschwerden von Eltern, in denen das Verhalten der Schulleiterin kritisiert wurde. Zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Schulleiterin und unter Wahrung der Fürsorgepflicht wird auf eine nähere Darstellung von Inhalten der einzelnen Beschwerden verzichtet. Zu 6: Seit dem Jahr 2005 sind zahlreiche Gespräche zwischen der NLSchB und der Schulleiterin geführt worden, die immer wieder die schulische Situation und die Beschwerden der Lehrkräfte in den Blick nahmen. Dabei ist anzumerken, dass nur einige dieser Gespräche dokumentiert worden sind, da eine durchgängige Dokumentation von Gesprächen mit Schulleitungen aus Sicht der NLSchB im Regelfall entbehrlich ist. Auch an dieser Stelle wird zum Schutz des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen und unter Wahrung der Fürsorgepflicht auf eine detaillierte Wiedergabe der Inhalte von Gesprächen oder Maßnahmen verzichtet. Die NLSchB hat in den geführten Gesprächen verschiedene Maßnahmen, die zur Konfliktlösung beitragen sollten, mit der Schulleiterin erörtert. Neben den von der NLSchB durchgeführten Beratungsgesprächen erfolgten Mediationsversuche in verschiedenen Zusammensetzungen (z. B. unter Beteiligung von Personalratsvertretern, Mediatoren, der Schulpsychologin), die Anregung für eine 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1719 Projektwoche zur gemeinsamen Schulgestaltung sowie die Teilnahme der Dezernenten der NLSchB an Dienstbesprechungen des Kollegiums. Am 31.07.2013 führten zwei Dezernentinnen der NLSchB ein Gespräch mit der Schulleiterin über die Konfliktlage an der Schule. Am 06.08.2013 fand ein Treffen mit der Schulleiterin, den Konrektorinnen und Vertretern der NLSchB in den Räumen der Schule statt, um gemeinsam Lösungsansätze für die Konfliktsituation zu finden. Am nächsten Tag nahmen die Dezernentinnen mit gleicher Zielsetzung an der Dienstbesprechung des Kollegiums teil. Der NLSchB wurde deutlich, dass der Schulfrieden unzumutbar belastet und ein geordneter Beginn des neuen Schuljahres gefährdet waren . Weitere Maßnahmen erschienen nicht mehr erfolgversprechend. Im Anschluss an diese Besprechung versuchten die Dezernentinnen der Schulleiterin zu verdeutlichen , dass ihr Verweilen an der Schule für das Kollegium, aber auch für sie eine unzumutbare Belastung bedeute. Das Angebot der NLSchB, mit der Schulleiterin gemeinsam eine andere Einsatzmöglichkeit zu suchen, lehnte diese nach der ihr zugestandenen Bedenkzeit ab. Die gegebene Begründung verdichtete den Eindruck bei der NLSchB, dass die Schulleiterin die Situation in der Schule nicht realistisch einzuschätzen vermochte. Wie in der Vorbemerkung ausgeführt, erfolgte Mitte August 2013 ein weiteres Gespräch der beiden schulfachlichen Dezernentinnen mit der Schulleiterin und den beiden Konrektorinnen. Im Anschluss an dieses Gespräch wurde mangels Alternativen zur Vermeidung einer weiteren Eskalation das Verbot der Ausübung der Dienstgeschäfte ausgesprochen. Zu 7: Im Juni 2013 ist der NLSchB ein Disput zwischen der Schulleiterin und der Zweiten Konrektorin angezeigt worden. Der Inhalt des Disputes ist der Landesregierung bekannt, auf eine nähere Darstellung wird jedoch verzichtet, da es sich um Vorwürfe handelt, die nicht belegt werden konnten und zum Teil die Privatsphäre der betroffenen Personen berühren. Zu 8: Die Inspektion fand im März 2009 statt. Die Ergebnisse der Schule, auch die Bewertungen der Schulleitungstätigkeit, lagen im oberen Bereich. Zum Zeitpunkt der Inspektion war die zuständige schulfachliche Dezernentin des Dezernates 2 „Allgemeinbildende Schulen“ der Niedersächsischen Landesschulbehörde, Regionalabteilung Hannover, verantwortlich. Sie handelte als Bedienstete im Auftrage des Behördenleiters und damit für die Behörde. Aus datenschutzrechtlichen Gründen und unter Wahrung der Fürsorgepflicht wird auf die namentliche Nennung verzichtet. Zu 9: Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Zu 10: Die Mitteilung erfolgte mündlich und schriftlich. Anwesend waren zwei schulfachliche Dezernentinnen und eine Sachbearbeiterin des Dezernats 1 - Fachbereich Personal - der NLSchB. Die Verfügung wurde der Schulleiterin mit Rechtsbehelfsbelehrung gegen ein Empfangsbekenntnis durch eine Mitarbeiterin des Fachbereichs Personal übergeben. Zu 11: Eine formelle vorherige Anhörung erfolgte nicht. Im Anschluss an das am 16.08.2013 geführte Gespräch wurde mangels Alternativen zur Vermeidung einer weiteren Eskalation das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen und eine entsprechende Verfügung übergeben. Zu 12: Die kommissarische Wahrnehmung der Schulleitung ist den beiden Konrektorinnen übertragen worden. Sie leiten die Schule als Team mit Unterstützung eines außerschulischen Coachs. Die Zweite Konrektorin ist als langjährig erfahrene Konrektorin mit der Wahrnehmung der Leitungsaufgabe betraut. Die Erste Konrektorin nimmt ihre bisherigen Aufgaben wahr und ist Ansprechpartnerin für die Schulleitung und das Kollegium der Grundschule. Diese Entscheidung wurde unter dem 4 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1719 Gesichtspunkt getroffen, dass sich die Erste Konrektorin zum damaligen Zeitpunkt noch in der Erprobungszeit befand. Zu 13: Das für die Förderschulen zuständige Fachreferat im Kultusministerium ist bis zum Zeitpunkt des Eingangs der Anfrage mit dem Vorgang nicht befasst gewesen. Lediglich im Juli 2013 erfolgte eine telefonische Anfrage bei dem für Fort- und Weiterbildung im Schulwesen zuständigen Referenten, ob eine angemessene Verwendungsmöglichkeit im Bereich des Niedersächsischen Landesinstituts für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) für den Fall, dass die Schulleiterin die Schule verlasse, bekannt sei. Daraufhin hat das Ministerium nach Kontaktaufnahme zum NLQ der NLSchB mitgeteilt , dass gegebenenfalls eine Verwendung als Dezernentin im NLQ in Betracht käme und eine diesbezügliche Abstimmung zwischen der NLSchB und dem NLQ empfohlen. In Vertretung Peter Bräth 5 (Ausgegeben am 10.07.2014) Drucksache 17/1719 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Kai Seefried (CDU), eingegangen am 11.11.2013 Schulrektorin auf Vermutung suspendiert - Wie ernst nimmt die Kultusministerin als Dienst-herrin der Lehrkräfte in Niedersachsen ihre Fürsorgepflicht? Antwort der Landesregierung