Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1798 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Björn Försterling, Almuth von Below-Neufeldt, Sylvia Bruns, Christian Dürr, Dr. Marco Genthe und Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 02.06.2014 Rechtextremistische Propaganda an Niedersachsens Schulen? Im Rahmen der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für 2013 wurde bekannt, dass in vielen Orten Niedersachsens rechte Gruppierungen mit Propaganda-CDs auf den Schulhöfen agieren. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wird die Landesregierung (Kultusministerium) bei derartigen Vorfällen in Kenntnis gesetzt? 2. Wie viele Vorfälle dieser Art gab es in 2013 in Niedersachsen, und wie ist es dazu gekommen (bitte nach Schulen bzw. Landkreisen/Städten auflisten)? 3. Was passiert mit dem Material (CD, Hefte oder Broschüren), falls eine Lehrerin oder ein Lehrer dies auf dem Schulhof entdeckt (nimmt die Schule es in Besitz, oder darf derjenige es behalten )? 4. Informiert die Schule in so einem Fall die Polizei, oder muss sie zunächst die Landesschulbehörde um Erlaubnis bitten? (An die Staatskanzlei übersandt am 10.06.2014 - II/725 - 775) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Kultusministerium Hannover, den 16.07.2014 - 01-0 420/5-775 - Aus dem Verfassungsschutzbericht 2013 geht hervor, dass im niedersächsischen Landtagswahlkampf 2013 die Jugendorganisation der NPD in geringer Stückzahl eine „Schulhof-CD Niedersachsen “ verteilt hat. Im November 2012 wurde polizeilich bekannt, dass die vorgenannte Jugendorganisation der NPD eine neue „Schulhof-CD“ für die Landtagswahl 2013 in Niedersachsen als Werbemittel für die „heiße Wahlkampfphase“ zu verwenden beabsichtigte. Die NPD wollte die angekündigten 20 000 CDs u. a. auf Informationstischen auslegen und über die NPD-Jugend an mehreren Berufsschulen verteilen. Das Landeskriminalamt Niedersachsen informierte darüber sämtliche niedersächsischen Polizeidienststellen. Mit Schreiben vom 28.12.2012 informierte das Innenministerium den Niedersächsischen Landkreistag. Des Weiteren wurde das Kultusministerium von der Abteilung 5 - Verfassungsschutz - des Innenministeriums am 03.12.2012 hinsichtlich eventueller Verteilaktionen im Umkreis von Schulen in Kenntnis gesetzt. Die Information wurde der Niedersächsischen Landesschulbehörde (NLSchB), dort den Regionalabteilungsleiterinnen und Regionalabteilungsleitern sowie allen schulfachlichen Dezernatsleiterinnen und Dezernatsleitern weitergegeben , die in solchen Fällen gehalten sind, die Schulen zu informieren. Die „Schulhof-CD Niedersachsen - Aktivismus-Bildung-Gemeinschaft“ wurde im Vorfeld der Landtagswahl bis zur Indizierung am 07.03.2013 - danach ist eine Verteilung an Minderjährige nicht mehr zulässig - durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) nach polizeilichen Erkenntnissen überwiegend an Informationsständen und nur vereinzelt an Schulen verteilt. Nach der Indizierung kam es in Niedersachsen nur noch zu einer Verteilaktion in Tostedt im Landkreis Harburg (siehe Antwort zu 2). 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1798 Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) hat die Schulleiterin oder der Schulleiter für die Einhaltung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu sorgen. Dazu übt die Schulleitung gemäß § 111 Abs. 2 NSchG das Hausrecht und die Aufsicht über die Schulanlage im Auftrag des Schulträgers aus. Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt: Zu 1: Eine allgemeine Berichtspflicht der Schulen oder der NLSchB gegenüber dem Kultusministerium oder der Landesregierung zu Vorfällen dieser Thematik besteht nicht. Werden derartige Aktionen der NLSchB bekannt, etwa durch Ankündigungen, verweist die Behörde die Schulen an die zuständige Polizeidienststelle. Allgemein werden Schulen vor Verteilaktionen von „Schulhof-CDs“ von der Polizei gewarnt, wenn solche Aktionen angekündigt oder auf andere Weise bekannt werden. Zu 2: Folgende Fälle sind 2013 bekannt geworden: Am 07.01.2013 teilte die Schulleitung der HS Bleckede mit, dass im Umfeld der Schule, aber außerhalb des Schulgeländes, CDs der NPD verteilt würden. Die Schulleitung wurde von der zuständigen NLSchB, Regionalabteilung Lüneburg, gebeten, die Polizei zu verständigen. Diese konnte aber nach ihrem Eintreffen keine Verteiler mehr identifizieren. Am 09.01.2013 wurden an der Bushaltestelle des Schulzentrums Scharnebeck im Landkreis Lüneburg CDs mit rechtsextremistischem Inhalt verteilt. Der Schulleiter des Gymnasiums informierte daraufhin die Polizei, bei deren Eintreffen die beiden Personen, die die CDs verteilt hatten, aber flüchteten. Die Fahndung blieb erfolglos. Eine CD wurde sichergestellt. Am 09.01.2013 verteilte eine männliche Person vor dem Gelände des Schulzentrums Dahlenburg in Dahlenburg im Landkreis Lüneburg mehrere CDs der Jugendorganisation der NPD an Schülerinnen und Schüler. Der Schulleiter hatte Kontakt zu der Person und stellte einige CDs sicher. Vor Eintreffen der alarmierten Polizei entfernte sich die Person. Am 10.01.2013 verteilten fünf Personen vor dem Schulgelände der Friedrich-Hartmann-Schule Bardowick im Landkreis Lüneburg die aktuelle „Schulhof-CD“ der NPD. Die Schulleitung informierte umgehend die Polizei. Die verteilenden Personen wurden nach dem Eintreffen der Polizei nicht mehr angetroffen. Nach Angaben der Schulleiterin handelte es sich bei den Verteilern nicht um ortsbekannte Personen oder Schülerinnen und Schüler der Schule. Am 23.05.2013 wurde nach Mitteilung der Schulleiterin der Töste Realschule in Tostedt im Landkreis Harburg die zu diesem Zeitpunkt bereits durch die BPjM indizierte „Schulhof-CD“ der Jugendorganisation der NPD Niedersachsen auf dem Lehrertisch in einer 9. Klasse bemerkt. Nach Auskunft der Schülerinnen und Schüler gegenüber dem Klassenlehrer hatten mehrere „Schulhof-CDs“ morgens an der Bushaltestelle ausgelegen. Darüber hinaus wurden im Januar 2013 von einem NPD-Kandidaten zur Landtagswahl 2013 in Niedersachsen mehrere Schülervertretungen mit einem Brief angeschrieben, in dem dieser anbot, an Schulen in Diskussionsveranstaltungen Konzepte der NPD vorzustellen. Weiter bot er Informationsmaterial u. a. in Form der „Schulhof-CD“ an. An welche Schülervertretungen dieser Brief im Einzelnen adressiert wurde, ist nicht bekannt. Nachweislich ging jedenfalls ein solcher, an den Schülervertreter adressierter Brief am 15.01.2013 beim Ratsgymnasium Stadthagen im Landkreis Schaumburg ein. Der Brief wurde im Schulsekretariat geöffnet und unverzüglich der Polizei übergeben . Es kam zu keiner CD-Verteilung. Ein weiteres Mal hat sich der NPD-Kandidat nicht im Ratsgymnasium Stadthagen gemeldet. Auch im Übrigen sind CD-Verteilaktionen, die im direkten Zusammenhang mit dem Anschreiben stehen, nicht bekannt geworden. 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1798 Zu 3: Lehrkräfte können sich entsprechende CDs oder Material mit rechtsextremistischen Inhalten von derjenigen Schülerin oder demjenigen Schüler, in deren oder dessen Besitz sich das Material befindet , aushändigen lassen. Zu 4: Die Schulen sind gehalten, sich direkt an die Polizei zu wenden. Hier ist auf Nummer 3.1 des Gem. RdErl. d. MK, d. MI u. d. MJ v. 09.11.2010, „Sicherheits- und Gewaltpräventionsmaßnahmen in Schulen in Zusammenarbeit mit Polizei und Staatsanwaltschaft“, zu verweisen, wo die Anzeigepflicht von Schulen auch bei politisch motivierten Straftaten hervorgehoben wird. In Vertretung Peter Bräth 3 (Ausgegeben am 23.07.2014) Drucksache 17/1798 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Björn Försterling, Almuth von Below-Neufeldt, Sylvia Bruns, Christian Dürr, Dr. Marco Genthe und Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 02.06.2014 Rechtextremistische Propaganda an Niedersachsens Schulen? Antwort der Landesregierung