Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1829 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Heiner Schönecke und Hans-Heinrich Ehlen (CDU), eingegangen am 23.05.2014 Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen durch Kraniche Die Kranichpopulation nimmt in Niedersachsen schon seit Langem erheblich zu. Die jährlichen Zuwachsraten betragen etwa 15 % (Brutvogelatlas Niedersachsen 2005 bis 2008). Seit mehreren Jahren ist eine große Anzahl von Kranich-Brutpaaren auch im Naturschutzgebiet „Tister Bauernmoor“ im Landkreis Rotenburg/Wümme heimisch geworden. Außerdem scheint es eine größere Zahl von vagabundierenden Kranichen zu geben, die sich als separate Trupps von den Zug- und Rastvögeln abgesondert haben und die Umgebung im Sommerhalbjahr als ihr Nahrungsreservoir nutzen. Wiederholt ist es zu extremen Schäden, teils sogar Totalschäden, an landwirtschaftlichen Kulturen gekommen. Betroffen war in diesem Jahr der Betrieb Hermsdorf in der Gemeinde Heidenau, Ortsteil Vaerloh. Im vergangenen Jahr wurden in der gleichen Region u. a. Schäden in den Maisschlägen des Landwirts Meinke aus Wistedt verursacht. In vorherigen Jahren waren in dem Gebiet verschiedene Kartoffelschläge betroffen. Kraniche unterliegen nicht dem Jagdrecht, sondern sind dem Naturschutzrecht unterstellt. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Gibt es eine Entschädigungsregelung des Landes Niedersachsen für geschädigte Landwirte wegen Kranichfraßschäden? 2. Wenn nein oder nur befristet, wird es in Zukunft eine Entschädigungs- oder Härtefallregelung für geschädigte Landwirte geben? Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, entsprechende Schäden auszugleichen? 3. Welche Möglichkeiten der Schadensabwehr gibt es (z. B. Vergrämung o. Ä.)? 4. Wer ist Ansprechpartner für geschädigte Landwirte vor Ort? 5. Gibt es derartige Fraßschäden auch an anderen Kranichstandorten in Niedersachsen, wenn ja, an welchen, und welcher Art sind die aufgetretenen Schäden? 6. Werden gemeldete oder festgestellte Kranichschäden zentral oder regional dokumentiert? 7. Gibt es Erfahrungen oder Erkenntnisse, nach denen gezielte Ablenkfütterungen das Schadensproblem reduzieren können, und gibt es für Ablenkfütterungen eine finanzielle Fördermöglichkeit ? 8. Wäre eine Regelung in Anlehnung an die Entschädigung für Wolfsschäden möglich? (An die Staatskanzlei übersandt am 02.06.2014 - II/725 - 760) 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1829 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 28.07.2014 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - Ref17-01425/17/7/01-0038 - Beim Kranich handelt es sich um eine nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützte Vogelart (§ 7 Abs. 2 Nr. 14), die nicht dem Jagdrecht unterliegt. Die Brutbestände des Kranichs haben europaweit zugenommen. In Niedersachsen stieg der Brutbestand von etwa zehn Paaren Mitte der 1970er-Jahre auf aktuell über 800 Paare an. Mit diesem Bestandsanstieg einher ging eine Wiederausbreitung der Art von ihren Refugialräumen im Osten des Landes nach Westen. Ursächlich für den Bestandsanstieg in Niedersachsen sind in erster Linie die Wiedervernässung und Neuschaffung von Feuchtgebieten und Nasswaldparzellen. Dies trifft vor allem auf die wiedervernässten Hoch- und Übergangsmoore zu. Mit dem europaweiten Anstieg der Brutbestände haben in Niedersachsen auch die im Winterhalbjahr durchziehenden Rastbestände deutlich zugenommen. Die bisher bekannt gewordenen landwirtschaftlichen Schäden, die durch Kraniche verursacht wurden , traten lokal und dabei wiederum nur punktuell auf. Sie beschränken sich im Wesentlichen auf das Umfeld der wiedervernässten Moore im Landkreis Rotenburg, wobei im Einzelfall auch landwirtschaftliche Flächen im angrenzenden Landkreis Harburg betroffen sein können. Zwischen September 2011 und April 2014 sind der Landwirtschaftskammer Niedersachsen insgesamt acht Fälle bekannt geworden, die eine erneute Aussaat von Getreide oder Mais auf einer Fläche von weniger als 10 ha zur Folge hatten. Die beobachteten Schäden zeigen kein einheitliches Bild: Im Frühjahr können Mais- und Sommergetreideschläge betroffen sein, wobei die Vögel hier die Einsaat auffressen . Auch kommt es gelegentlich vor, dass heranwachsende Getreide- und Maishalme ausgerissen werden. Das Land Niedersachsen ist nicht verpflichtet, für Schäden aufzukommen, die durch Wildtiere verursacht werden. Dies schließt auch den Kranich ein. Deshalb muss es das Ziel sein, durch geeignete Präventionsmaßnahmen Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen möglichst zu verhindern. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Nein. Zu 2: Es wird seitens des Landes keine Entschädigungs- oder Härtefallregelung für betroffene Landwirte geben. Im Landkreis Rotenburg bestand bis Juni 2013 die Möglichkeit über eine Härtefallregelung finanzielle Mittel der kreiseigenen Stiftung Naturschutz bei Kranichschäden in Anspruch zu nehmen . Mit Beschluss des Stiftungs-Kuratoriums vom 21. Juni 2013 wurde diese Regelung mangels Inanspruchnahme eingestellt. Zu 3: Nach Mitteilung der Staatlichen Vogelschutzwarte im Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft , Küsten- und Naturschutz (NLWKN) lassen sich allgemein die folgenden Maßnahmen zur Schadensabwehr bzw. -vermeidung benennen: – Berücksichtigung günstiger Saattermine in Relation zum Rastgeschehen bzw. lokalen Kranichvorkommen (nur dann drillen, wenn örtlich keine Kraniche anwesend sind), – Veränderung der Einsaattiefe von Winter-/Sommergetreide (hier: tiefer einsäen), 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1829 – Vorbeugemaßnahmen wie das Aufstellen von „Vogelscheuchen“ auf frisch eingesäten Maisund Getreideflächen (derartige Maßnahmen werden seit langem wirkungsvoll von Landwirten in der Diepholzer Moorniederung praktiziert), – notfalls temporäres Verscheuchen der Vögel von empfindlichen landwirtschaftlichen Kulturen (z. B. von frisch gesätem und auflaufendem Getreide). Inwieweit die hier genannten Maßnahmen bereits in dem in Rede stehenden Raum praktiziert werden , ist nicht bekannt. Zu 4: Nach Mitteilungen der Landkreise Rotenburg und Harburg stehen den betroffenen Landwirten als Ansprechpartner vor Ort Mitarbeiter der Bezirksstelle Bremervörde der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zur Verfügung. Die Dokumentation von Kranichschäden erfolgt gemeinsam mit der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Rotenburg. Zu 5: Der Staatlichen Vogelschutzwarte im NLWKN sind keine vergleichbaren landwirtschaftlichen Schäden aus anderen Kranichgebieten in Niedersachsen bekannt. Zu 6: Kranichschäden werden aufgrund des nur lokalen und dabei auch nur punktuellen Auftretens nicht landesweit und zentral dokumentiert. Zu 7: Schäden gehen nach bisherigen Erkenntnissen in erster Linie von übersommernden, nicht brütenden Vögeln aus. Das räumlich-zeitliche Verhalten dieser Vögel lässt sich kaum prognostizieren. Insofern wäre der Erfolg von Ablenkfütterungen ungewiss, zumal die Dichte dieser Vögel gering ist und ausreichend viele Nahrungsquellen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus fressen übersommernde Kraniche nach vorliegenden Informationen eine Mischkost aus vegetabilischen und animalischen Quellen. Saatkörner dürften daher immer nur einen Teil des Nahrungsbedarfs decken, was zwangsläufig bedingt, dass die Bindung an eine Ablenkfütterung nicht sehr stark sein dürfte. Aus den vorgenannten Gründen wird eine potenzielle Ablenkfütterung der vergleichsweise kleinen Anzahl nichtbrütender Kraniche zur Vermeidung landwirtschaftlicher Schäden für nicht Erfolg versprechend gehalten. Zu 8: Bei der geplanten Förderrichtlinie Wolf geht es um freiwillige Leistungen des Landes gegenüber Nutztierhaltern, um beispielsweise bestimmte durch den Wolf verursachte Schäden auszugleichen und Akzeptanz für die natürliche Wiederausbreitung des Wolfes in Niedersachsen zu schaffen. Auf diese freiwilligen Leistungen besteht kein Rechtsanspruch. Das MU plant keine solche Richtlinie für den Kranich. Stefan Wenzel 3 (Ausgegeben am 06.08.2014) Drucksache 17/1829 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Heiner Schönecke und Hans-Heinrich Ehlen (CDU), eingegangen am 23.05.2014 Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen durch Kraniche Antwort der Landesregierung