Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1834 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Christian Grascha, Dr. Stefan Birkner und Dr. Gero Hocker (FDP), eingegangen am 24.06.2014 Entwicklung von Overlay-Netzen (Teil 3) Aus der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Grascha, Dr. Gero Hocker, und Dr. Stefan Birkner (Drs. 17/1231) ergeben sich Nachfragen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung vor dem Hintergrund einer noch ausstehenden Konzeptionierung eines deutschen bzw. europäischen HGÜ-Overlay-Netzes die fachliche und politische Notwendigkeit einer Neubewertung der im Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) und im Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) festgeschriebenen Netzausbauvorhaben? 2. Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund der im BBPlG festgeschriebenen Netzausbauvorhaben die Erforderlichkeit von Systemredundanzen im Bereich der Höchstspannungsgleichstromübertragung (HGÜ)? 3. Sieht die Landesregierung eine Notwendigkeit, bereits angelaufene Netzausbauverfahren wie Wahle–Mecklar zu stoppen, um die diesen Ausbauverfahren zugrunde liegende Gesetzeslage gegebenenfalls einer Neubewertung zu unterziehen? Falls ja, warum, falls nein, warum nicht? 4. Welche technischen Herausforderungen bestehen aus Sicht der Landesregierung bei der Erdverkabelung von HGÜ-Leitungen, und wie beurteilt die Landesregierung jeweils die technische Beherrschbarkeit dieser Herausforderungen? 5. Welche Erdverkabelungstechniken sind der Landesregierung bekannt, und wie beurteilt die Landesregierung diese Techniken im Einzelnen (bitte Faktoren wie z. B. Flächenverbrauch, Emissionen gemäß BImSchG, Vermeidung von sogenannten Raumwiderständen sowie Bau-, Betriebs- und Instandhaltungskosten berücksichtigen)? 6. Bei welchen konkreten im EnLAG und im BBPlG festgeschriebenen Netzausbauvorhaben strebt die Landesregierung eine Ausweitung des Anteils von Erdverkabelungen bzw. eine vollständige Erdverkabelung an? (An die Staatskanzlei übersandt am 02.07.2014 - II/725 - 800) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 28.07.2014 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - Ref17-01425/17/7/11-0035 - Die Kleine Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Im Rahmen der jährlichen Fortschreibung des Netzentwicklungsplans werden alle aktuellen Faktoren , die auf den Netzausbau Einfluss haben, berücksichtigt. Derzeit gibt es weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene Entscheidungen zur Schaffung eines Deutschen oder Europäischen HGÜ-Overlay-Netzes. Die bisher in HGÜ geplanten Leitungen sind nicht als Netz, sondern als 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1834 Punkt-zu-Punkt-Verbindungen geplant. Die sich aus diesen Planungen ergebenden Auswirkungen auf den Netzentwicklungsplan (NEP) sind bereits im bisherigen NEP berücksichtigt. Dadurch dass im NEP 2013 alle Vorhaben aus dem EnLAG als Startnetzvorhaben vorausgesetzt und die im BBPIG aufgeführten Vorhaben von der Bundesnetzagentur geprüft und bestätigt worden sind, ist eine Neubewertung dieser Vorhaben außerhalb des sich jährlich wiederholenden Überprüfungszeitraums nicht sinnvoll. Zu 2: Für das SuedLink-Projekt wird mit einer neuen HGÜ-Technologie geplant, die bisher weltweit nicht eingesetzt ist und die als drei Leiter-System auf dieser Strecke pilotiert werden soll. Grundsätzlich wird das (n-1)-Prinzip für HGÜ-Leitungen in vergleichbarer Weise angewendet wie für 380-kV-Leitungen . Das europäische Verbundnetz ist so ausgelegt, dass ein n-1-sicherer Netzbetrieb gewährleistet werden kann. Dazu werden 380-kV-Höchstspannungssysteme in der Regel mit zwei Systemen gefahren. Das heißt, fällt ein System aus, muss das zweite System die Last solange übernehmen , bis Abhilfe geschaffen ist. Da es sich bei SuedLink um eine Leitung mit zwei Systemen (Wilster–Grafenrheinfeld und Brunsbüttel –Großgartach, insgesamt 4 GW) handelt, wird die technische Planung so ausgelegt, dass bei Ausfall des Plus- oder Minusleiters eines Systems der Rückstrom vom Neutralleiter (Metallic Return ) geführt werden kann, sodass in diesem Fall immer noch insgesamt 3 GW übertragen werden können. Das fehlende 1 GW muss im Fehlerfall über das vermaschte Drehstromnetz übertragen werden. Um bei einem - zwar sehr unwahrscheinlichen, aber nicht ausschließbaren - Mehrfachfehler einen großflächigen Stromausfall zu vermeiden, ist der geplante Ausbau des 380-kV-Drehstromnetzes nach dem NEP als Back-Up für SuedLink unverzichtbar. Zu 3: Der Neubau der Höchstspannungsleitung von Wahle nach Mecklar wurde vom Bundesgesetzgeber als vordringliches Netzausbauvorhaben identifiziert und als Vorhaben Nummer 6 in den Bedarfsplan des EnLAG aufgenommen. Es ist als eine der bedeutendsten Netzausbaumaßnahmen in Norddeutschland anzusehen, da es als Netzlückenschlussmaßnahme die Leistungsfähigkeit im vermaschten Drehstromnetz deutlich erhöht. Zudem trägt es zur nachhaltigen Verbesserung der Einspeisemöglichkeiten des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms, zum Anschluss von Pumpspeicherkraftwerken und zur Versorgung von Lastzentren auch in Niedersachsen bei. Der Landesregierung liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor, welche die energiewirtschaftliche Notwendigkeit für das EnLAG-Vorhaben Nummer 6 entfallen lassen. Die Übertragungsnetzbetreiber haben in dem Entwurf des NEP Strom 2014, das EnLAG-Vorhaben Nummer 6 als Teil des Startnetzes in den Netzberechnungen entsprechend unverändert berücksichtigt . Die Landesregierung beabsichtigt nicht Genehmigungsverfahren für Netzausbauprojekte zu stoppen, für die es einen bundesgesetzlich festgestellten Bedarf gibt. Zu 4: Den technischen Herausforderungen bei der Erdverkabelung von HGÜ-Verbindungen sind zunächst vergleichbar mit allen Tiefbaumaßnahmen im offenen Kabelgrabenbau in unterschiedlichen Geländeformen und Bodenklassen mit einer Verlegetiefe von 1,5 bis 2,0 m. Neben der besonderen Verlegeart des Leitungssystems in verschiedene Füllmaterialien, um die thermischen Auswirkungen zu minimieren, beziehen sich die technischen Herausforderungen bei der Erdverkabelung von HGÜ-Verbindungen hauptsächlich auf den Transport der Kabeltrommeln zur Baustelle. Derzeitig sind für die Spannungsebene von +/- 500 kV DC(SuedLink) nur MI-Kabel (Masse-ImprägniertenKabel ) erhältlich. Durch das hohe Gewicht dieser MI-Kabel kann - unter Einhaltung der Straßenverkehrsordnung - mit einem Tieflader eine Kabellänge von maximal einem Kilometer transportiert werden. Damit die notwendige Übertragungsleistung einer 4 Gigawatt-Verbindung (SuedLink) realisiert werden kann, sind zehn parallele Erdkabel erforderlich. Neben den Transportanforderungen resultiert daraus ein hoher zeitlicher Arbeitsaufwand an den Verbindungsstellen der einzelnen Kabelabschnitte , den Muffen, welche aufgrund des Aufbaus der MI-Kabel aufwendig gewickelt werden müssen. VPE-Kabel, welche leichter sind, die nicht gewickelt werden müssen und deren Verbin- 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1834 dungen durch vorgefertigte Muffen einfach hergestellt werden können, sind derzeit nur bis 320 kV DC erhältlich. Zu 5: Im Höchstspannungsnetz können zur Erdverkabelung im Wesentlichen zwei Bauweisen (Verlegeoptionen ) zum Einsatz kommen. Zum einen können Erdkabel im Höchstspannungsnetz in offener Grabenbauweise für die Übertragungstechnologien Hochspannungsdrehstromübertragung (HDÜ), Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) und Gasisolierte Leiter (GIL), zum anderen als Tunnel und Röhrenlösungen für die gleichen Übertragungstechnologien gebaut werden. Da die Erdverkabelung im Höchstspannungsnetz nach wie vor noch eine Sonderbauweise darstellt und erste Erfahrungen in den EnLAG-Pilotvorhaben gewonnen werden sollen, liegen konkrete Erfahrungswerte derzeit noch nicht vor. Weiterführende Angaben zum Flächenverbrauch, Emissionen, Betriebs- und Instandhaltungskosten und Informationen der verschiedenen Erdverkabelungstechniken können der im Juli 2014 erschienenen Technologieübersicht der Deutschen Energie Agentur (DENA), die auch im Internet zur Verfügung steht, entnommen werden. Die Technologieübersicht wurde in enger Zusammenarbeit verschiedener Arbeitsgruppen unter Beteiligung des Landes Niedersachsen erarbeitet. Nach Auffassung der Landesregierung kann die Teilverkabelung im Höchstspannungsnetz einen deutlichen Beitrag zur Verbesserung der Akzeptanz und zur Überwindung von Raumwiderständen beim Netzausbau leisten und sollte künftig bei allen Netzausbauprojekten im Höchstspannungsnetz gesetzlich ermöglicht werden. Insoweit setzt sich die Landesregierung weiterhin für eine Ausweitung dieser technischen Option beim Bundesgesetzgeber ein. Zu 6: Die Landesregierung hat im Bundesrat eine Gesetzesinitiative ergriffen mit dem Ziel die Option der Teilerdverkabelung auf alle neuen Netzausbauvorhaben auszuweiten. Der Regelungsvorschlag der Landesregierung beinhaltet nachfolgende Punkte: – Teilerdverkabelungen sollen bei allen Netzausbauprojekten ermöglicht werden. – Teilerdverkabelungen sollen nicht nur - wie bisher - bei Unterschreitung von bestimmten Abständen zur Wohnbebauung möglich sein, sondern auch bei Streckenverkürzungsmöglichkeiten und zur Lösung naturschutzfachlich begründeter Konflikte. – Darüber hinaus soll die Möglichkeit bestehen in Planfeststellungsverfahren, denen ein Bundesfachplanungsverfahren zur Trassenfestlegung voraus gegangen ist, von dem maximal 1 000 m breiten Trassenkorridor in Ausnahmefällen abweichen zu können. Dieser Bundesratsantrag fand im Rahmen der aktuellen Novelle des Erneuerbaren-Energie-Gesetzes noch keine Ländermehrheit. Die Landesregierung hat allerdings die Erwartung, dass die Bundesregierung die Vorschläge des Landes Niedersachsen ernsthaft prüft und möglichst kurzfristig dazu eigene Gesetzesvorschläge vorlegt. Die Landesregierung wird ihre Vorschläge mit Nachdruck weiter verfolgen. Eine vollständige Erdverkabelung ist derzeit für kein Projekt vorgesehen und erscheint auf der Grundlage der bisher vorliegenden technischen, wirtschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen auch nicht als realisierbare Option. Stefan Wenzel (Ausgegeben am 06.08.2014) 3