Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/1846 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Björn Försterling, Almuth von Below-Neufeldt, Sylvia Bruns und Christian Dürr (FDP), eingegangen am 25.06.2014 Beschwerden der niedersächsischen Grundschulen In den vergangenen Wochen und Monaten sind zahlreiche niedersächsische Grundschulen mit einem Brief u. a. an die Fraktionen und das Kultusministerium herangetreten. Ziel dieses Briefes war und ist, auf die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen an den Grundschulen aufmerksam zu machen und gleichzeitig Verbesserungsvorschläge in die Diskussion mit einzubringen. Zentrale Aussagen zu Belastungen und Möglichkeiten der Entlastung sind: 1. erhöhter Zeitaufwand für Vor- und Nachbereitung individualisierter Lernformen; erhöhter Zeitaufwand für diagnostische Verfahren, Dokumentation und Gutachten; erhöhter Zeitaufwand für fachfremden Unterricht; Maßnahme: ausgleichen durch die Verringerung der Pflichtstundenzahl; 2. Belastung durch Ämterhäufung (Klassenlehrerschaft, Fachkonferenzleitung, Arbeitsgruppen etc.); Belastung durch Vernetzung mit anderen Institutionen (Kita, Förderschulen, Therapeuten , Jugendamt etc.); Belastung durch Beratungsgespräche mit Fö-Lehrkräften, Eltern; Maßnahme: ausgleichen durch Anrechnungsstunden; 3. Belastung durch Zunahme erzieherischer Aufgaben; Belastung durch Anstieg von verhaltensund Sprachauffälligkeiten, Konzentrationsstörungen; Belastung durch ansteigende Zahl jüngerer , häufig sozial-emotional und kognitiv überforderter Kinder; Maßnahme: Ausgleichen durch verlässliche Doppelbesetzung. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Von welchen Belastungen und Problemen sind die Grundschullehrkräfte nach Meinung der Landesregierung derzeit am meisten betroffen? 2. Wie bewertet die Landesregierung die von den Grundschulen vorgeschlagenen Maßnahmen zur Entlastung, und hält sie diese für umsetzbar (bitte die Punkte 1 bis 3 einzeln beantworten )? 3. Wie hoch ist aktuell das Durchschnittsalter der niedersächsischen Lehrkräfte an den Grundschulen ? 4. Wie will die Landesregierung den steigenden Arbeitsbelastungen der Grundschullehrkräfte künftig entgegenwirken, und welche konkreten Maßnahmen sind wann geplant? 5. Wie hoch ist die Zahl der Krankentage der Grundschullehrkräfte in Niedersachsen im Durchschnitt , und gibt es möglicherweise Regionen, die intensiver betroffen sind als andere, und, wenn ja, welche sind das? (An die Staatskanzlei übersandt am 08.07.2014 - II/725 - 824) 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1846 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Kultusministerium Hannover, den 01.08.2014 - 01-0 420/5-824 - Die Landesregierung nimmt Mitteilungen der Bediensteten und Beschäftigten zu sich verändernden Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastungen sehr ernst. Zu bedenken und zu bewerten ist bei derartigen Benachrichtigungen, dass objektive Belastungen - z. B. durch sich wandelnde Arbeitsaufgaben und Arbeitsbedingungen - auf die jeweilige Person einwirken und von ihr subjektiv unterschiedlich wahrgenommen und bewertet werden. Die persönliche Wahrnehmung und die individuelle Einschätzung sind dafür verantwortlich, was beispielsweise die einzelne Lehrkraft als besonders belastend und veränderungsbedürftig empfindet. Bei der einen sind es beispielsweise Dokumentationspflichten , bei der anderen der Umgang mit den Schülerinnen und Schülern, die im sozialemotionalen Verhalten besonders auffällig sind. Regionale Unterschiede, verschiedenartige Vorgesetzte , unterschiedliche Zusammensetzungen von Kollegien, verschiedenartige Klassen und ungleiche Klassengrößen können gleichfalls zu unterschiedlichen Wahrnehmungen und Bewertungen von Belastungen führen. In den letzten Jahren sind viele Maßnahmen entwickelt, bereits umgesetzt oder auf den Weg gebracht worden, von denen auch die Beschäftigten an den Grundschulen profitieren, u. a. - Neuregelung der Leitungszeit für Schulleitungen, - Fortführung der Absenkung der Klassenfrequenzen auf 26 Schülerinnen und Schüler pro Klasse, - Doppelzählung von Schülerinnen und Schülern bei festgestelltem Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung, - Fortbildungen zur Umsetzung der Inklusion, - Erhöhung der Leitungszeit im Rahmen des Ganztags an kleinen Grundschulen, - Einrichtung einer Servicestelle bei der Niedersächsischen Landesschulbehörde zur Unterstützung in Vertragsangelegenheiten. Um weitere geeignete Maßnahmen zu entwickeln, braucht es den genauen Blick auf die Arbeitsaufgaben und Arbeitsbedingungen sowie den Dialog mit den betroffenen Menschen, wie es in der Koalitionsvereinbarung 2013 bis 2018 vereinbart worden ist. Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt: Zu 1: Aus den Schulen werden als Hauptbelastungsfaktoren eine zunehmende Erledigung von Verwaltungsaufgaben , eine hohe Anzahl an Schülerinnen und Schülern mit Störungen im sozialemotionalen Verhalten, ein erhöhter Kooperationsaufwand mit unterschiedlichen Professionen sowie eine Aufgabenhäufung an kleinen Grundschulen genannt. Auf die Vorbemerkung und die darin skizzierten Maßnahmen zur Begegnung der sich wandelnden Aufgaben und Belastungen wird verwiesen . Zu 2: Zu den von den Fragestellern angeführten zentralen Aussagen zu Belastungen und Möglichkeiten der Entlastung ist Folgendes zu sagen: 1. Eine Veränderung der Regelstundenzahl für Lehrkräfte bedarf einer entsprechenden Prüfung und Folgenabschätzung. Speziell die Reduzierung der Regelstundenzahl für Lehrkräfte an Grund- 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1846 schulen sollte nicht isoliert betrachtet werden, die für die anderen Schulformen normierten Regelstundenzahlen sollten ebenfalls in die Überlegungen einbezogen werden. Dabei sind - pauschaliert betrachtet - die jeweils gegebenen außerunterrichtlichen arbeitszeitlichen Belastungen (z. B. Vorund Nachbereitung des Unterrichts, Korrekturaufwand etc.) zu berücksichtigen. Dies ist vorliegend schulformübergreifend schulfachlich zu bewerten. Eine Verringerung der Regelstundenzahl für Lehrkräfte an Grundschulen erfordert für die öffentlichen Schulen einen Mehrbedarf von: 28 auf 27 Stunden: rund 650 Stellen bei einer Besoldung von A 12: ca. 48,2 Millionen Euro, 28 auf 26 Stunden: rund 1 300 Stellen bei einer Besoldung von A 12 ca. 96,3 Millionen Euro, 28 auf 25 Stunden: rund 1 950 Stellen bei einer Besoldung von A 12 ca. 144,5 Millionen Euro. Bei diesen beispielhaft aufgeführten Modellen sind mögliche Änderungen für die Lehrkräfte an Hauptschulen (27,5 Stunden), Realschulen (26,5 Stunden), Oberschulen (25,5 Stunden) und bei einem überwiegenden Einsatz in den entsprechenden Zweigen der Kooperativen Gesamtschulen noch nicht berücksichtigt. 2. Ob und inwieweit der in der Anlage 3 zur Niedersächsischen Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten an öffentlichen Schulen für den Umfang der Anrechnungen für besondere Belastungen für Grundschulen ausgewiesene Faktor (noch) angemessen ist, ist gleichermaßen schulformübergreifend schulfachlich zu bewerten. Eine Erhöhung des Faktors könnte z. B. dann in Betracht gezogen werden, wenn im Vergleich mit anderen Schulformen - bei generalisierender Betrachtungsweise - arbeitszeitmäßig eine Vergleichbarkeit der durch diese Anrechnungsstunden auszugleichenden besonderen außerunterrichtlichen Belastungen festgestellt würde. Die Erhöhung des Faktors für besondere Belastung erfordert für die öffentlichen Schulen einen Mehrbedarf von 0,3 auf 0,5: rund 100 Stellen bei einer Besoldung von A 12 ca. 7,4 Millionen Euro, 0,3 auf 0,7: rund 200 Stellen bei einer Besoldung von A 12 ca 14,8 Millionen Euro. 3. Zu der von den Fragestellern skizzierten Maßnahme „Ausgleichen durch verlässliche Doppelbesetzung “ können keine Angaben gemacht werden, da aus der Forderung nicht hervorgeht, in welcher Anzahl eine Doppelbesetzung erfolgen soll, welche beruflichen Qualifikationen (z. B. Förderschullehrkräfte , Pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) gegeben sein sollen und ob eine Abhängigkeit von Klassengrößen mitgedacht werden soll. Für die in Rede stehenden Maßnahmen stehen derzeit keine weiteren finanziellen Ressourcen zur Verfügung. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung und die darin angeführten Maßnahmen verwiesen. Zu 3: Das Durchschnittsalter der hauptamtlichen bzw. hauptberuflichen Lehrkräfte an niedersächsischen Grundschulen lag zum Stichtag 22.08.2013 bei 45,6 Jahren. Zu 4: Die Landesregierung prüft fortlaufend Möglichkeiten, Schulleitungen und auch Lehrkräfte weiter zu entlasten. Auf die Vorbemerkung und die darin angeführten Maßnahmen wird verwiesen. In einem nächsten Schritt ist eine Erhöhung der Leitungszeit im Rahmen des Ganztags an kleinen Grundschulen zum 01.09.2014 beabsichtigt. Zu 5: Im Rahmen der Erhebung der Unterrichtsversorgung an allgemein bildenden Schulen werden die Krankheitstage der Lehrkräfte nicht erhoben. Die Niedersächsische Landesschulbehörde führt ebenfalls keine Erhebung der Krankheitstage der Lehrkräfte an allgemein bildenden Schulen durch. Die Krankheitstage der Lehrkräfte werden bei den jeweiligen Schulen erfasst. Eine Abfrage und Erfassung dieser Daten bei den über 1 700 Grundschulen würde nicht nur einen unverhältnismäßig 3 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1846 hohen Aufwand verursachen - insoweit wird auf die von den Fragestellern angeführten Belastungen verwiesen -, sie würde auch zu Irritationen bei Schulleitungen und Lehrkräften führen. In Vertretung Peter Bräth (Ausgegeben am 08.08.2014) 4 Drucksache 17/1846 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Björn Försterling, Almuth von Below-Neufeldt, Sylvia Bruns und Christi-an Dürr (FDP), eingegangen am 25.06.2014 Beschwerden der niedersächsischen Grundschulen Antwort der Landesregierung