Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/1876 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 15.07.2014 Falschfahrer auf Autobahnen - Technische Mittel einsetzen? Laut einer Erhebung des Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC) gibt es jährlich etwa 2 400 bis 2 700 Meldungen von Falschfahrern. Der ADAC hat festgestellt, dass lediglich ein Viertel tatsächliche Falschfahrer, umgangssprachlich auch „Geisterfahrer“ genannt, sind. Der kleinere An- teil hängt mit Falschmeldungen und dem sofortigen, zwischenfalllosen Verlassen der Autobahn sei- tens der Falschfahrer zusammen. Weiterhin zählt der ADAC etwa 20 Tote pro Jahr durch Unfälle mit Falschfahrern auf Autobahnen. Das entspricht ungefähr 5 % der Autobahntoten in Deutschland. Dabei sind nach einer Studie der Bergischen Universität Wuppertal, im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen, überproportional viele ältere Personen (über 65 Jahre) betroffen, die besonders häufig in Verbindung mit Orientierungslosigkeit stehen. Außerdem sind auch viele Falschfahrten mit Alkohol und Drogen zu beobachten, die dabei oft mit Fahrern unter 35 Jahren im Zusammenhang stehen. Inwieweit Falschfahrten mutwillig oder unabsichtlich begangen werden, geht dabei nicht hervor. Fachleute raten zum Einsatz von technischen Hilfsmitteln an Autobahnen, um besonders die orien- tierungslosen Autofahrer auf ihre Falschfahrt aufmerksam zu machen und den fließenden Verkehr zu warnen. Dabei werden beispielsweise spezielle LED-Tafeln mit Warnlichtern empfohlen, die mit- tels Radar ein falsch auffahrendes Fahrzeug erkennen, dieses warnen und gleichzeitig den Verkehr und die Polizei informieren. Andere Mittel könnten etwa der Einsatz von Metallkrallen zur Neutrali- sation von erkannten Falschfahrern oder aber zusätzliche Markierungen auf der Fahrbahn bzw. auf den Auffahrten sein. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie viele Falschfahrer gab es in den letzten fünf Jahren auf welchen Autobahnen in Nieder- sachsen? 2. Welche Gründe waren für die Falschfahrten ausschlaggebend? 3. Wie bewertet die Landesregierung den Einsatz von technischen Hilfsmitteln bei der Falsch- fahrerprävention? 4. Welche technischen Hilfsmittel hält die Landesregierung aus welchen Gründen für am besten geeignet? 5. Werden in Niedersachsen bzw. in Deutschland bereits technische Hilfsmittel dieser Art getes- tet, und wie lauten die bisherigen Erkenntnisse? 6. Wird die Landesregierung in näherer Zukunft technische Hilfsmittel zur Falschfahrerprävention an niedersächsischen Autobahnen einsetzen? (An die Staatskanzlei übersandt am 21.07.2014 - II/725 - 855) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1876 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 15.08.2014 für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Z3-01424/0020/855/Falschfahrer - Rund 1 800 Falschfahrten werden jährlich in Deutschland via Verkehrsfunk gemeldet. Insbesonde- re die schweren aufgrund von Falschfahrten verursachten Unfallfolgen haben den Bund veranlasst, die Bundesanstalt für Straßenwesen sowie die Universität Wuppertal zu beauftragen, diese Unfälle zu untersuchen und deren Ursachen zu erforschen. Die in 12/12 veröffentlichte Arbeit bezieht sich auf das gesamte Bundesgebiet, betrachtet den Zeit- raum 2007 bis 2011 und hat u. a. folgende Ergebnisse erbracht: – Pro Jahr wurden in etwa 75 bis 80 Unfälle durch Falschfahrer ermittelt. Dies entspricht einem Anteil von 0,05 % aller Unfälle auf Autobahnen. Betrachtet man nur die Unfälle mit Personen- schaden beträgt der Anteil 0,2 %. Bei 15 % der Unfälle mit Falschfahrern kommen Menschen zu Tode. – Als häufigste Ursache wurde das falsche Auffahren auf die Autobahn ermittelt (30 %), daneben konnten 15 % Falschfahrten durch Wenden definiert werden. Bei 40 % der Falschfahrten lagen keine Informationen vor. Auf dieser Grundlage hat der Bund am 11.03.2013 einen sogenannten Runden Tisch initiiert. Teil- nehmer sind Experten des Bundes, der Länder, verschiedener Verbände sowie Automobilklubs. Als gesicherte Erkenntnis sind zurzeit vor allem Verbesserungspotenziale bei der Beschilderung und Markierung der Anschlussstellen an Autobahnen, autobahnähnlichen Bundesstraßen sowie Rast- anlagen zu nennen. Diese Ansätze stehen seit September 2013 in Form einer Checkliste zur Über- prüfung der Anschlussstellen und der Rastanlagen zur Verfügung. Die Landesregierung unterstützt diese Initiative zur Verbesserung der Verkehrssicherheit mit großem Aufwand: Die notwendigen Kontrollen sind im Rahmen von Sonderverkehrsschauen in Angriff genommen worden und kom- men voraussichtlich bis Ende 2014 zum Abschluss. Immerhin gilt es im Flächenland Niedersachsen rund 280 Anschlussstellen sowie ca. 220 Rastanlagen zu bewerten! Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Der Anteil der Verkehrsunfälle mit Personenschäden durch Falschfahrer an der Gesamtzahl der Verkehrsunfälle mit Personenschäden liegt in den letzten fünf Jahren in einem Bereich von 0 % bis 0,015 %. Damit sind sie eher seltene Ereignisse, wenn auch oftmals mit schweren Unfallfolgen. Näheres zeigt anliegende tabellarische Auswertung. Zu 2: In Niedersachsen wird keine gesonderte polizeiliche Statistik zu Falschfahrern geführt. Nur wenn es aufgrund von Falschfahrten entweder zu einem Verkehrsunfall gekommen ist oder ausreichende Hinweise für eine Strafanzeige vorlagen, werden die Vorfälle polizeilich erfasst. Eine detaillierte Analyse der ausschlaggebenden Gründe für eine Falschfahrt auf Bundesautobahnen ist anhand der Auswertungen über das polizeiliche Vorgangsauskunftssystem nicht möglich, da es sich hierbei um anonymisierte Kurzdarstellungen für statistische Zwecke handelt. Bekannte Gründe von Falschfahrten waren Wenden auf der Autobahn, Beeinflussung der Fahrer durch Alkohol, Drogen oder Medikamente, Verwirrung, falsches Auffahren sowie Rückwärtsfahren zum Verlassen der Autobahn. Aktuell kam es am 31.07.2014 zu einem Verkehrsunfall durch einen Falschfahrer auf der A 2. Da- bei wurde der Verursacher getötet und drei weitere Personen zum Teil lebensgefährlich verletzt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1876 3 Auch in diesem Fall hat der Fahrzeugführer unmittelbar nach dem vorschriftsmäßigen Auffahren auf die Autobahn sein Fahrzeug gewendet. Zu 3, 4 und 6: Das Ergebnis der Begutachtungen im Rahmen der Sonderverkehrsschauen liegt noch nicht vor. In- sofern ist es zu früh, um über das „Ob“ und „Wie“ geeigneter Maßnahmen zu entscheiden. Dabei darf nicht außer Acht bleiben, dass es bei bewusst durchgeführten Falschfahrten - aufgrund Alkohol oder Drogenmissbrauch sowie Falschfahrten mit suizidalen Absichten keine technischen Möglich- keiten gibt, um diese zu verhindern. Zu 5: Soweit bekannt sind in Bayern zwei Pilotprojekte zur Falschfahrerprävention näher konkretisiert: – ein auf Basis von LED Unterflurbeleuchtung arbeitendes System bei Nürnberg, – ein Radar gesteuertes Warnsystem bei Würzburg. Beide Projekte werden im Bereich einer Rastanlage mit entsprechender Unfallbilanz in Aussicht genommen. Aufgrund der relativ geringen Anzahl von Falschfahrten wird eine wissenschaftlich fundierte Analy- se der Wirkungsweise erschwert. Aktuell gibt es keine Systeme, die Falschfahrten nachweislich verlässlich reduzieren oder verhindern können. In Vertretung Daniela Behrens Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1876 4 (Ausgegeben am 25.08.2014) Drucksache 17/1876 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 15.07.2014 Falschfahrer auf Autobahnen - Technische Mittel einsetzen? Antwort der Landesregierung Anlage