Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/1878 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 15.07.2014 Einführung von Tasern für Polizeibeamte - Sinnvoll oder gefährlich? Polizeibeamte in Deutschland sind auch gezwungen, in Extremsituationen gegen gewaltbereite o- der gewalttätige Personen Gebrauch von der Schusswaffe zu machen. Die Polizei in Deutschland hat im Jahr 2012 dazu 36 Schüsse auf Personen abgeben, von denen acht sogenannte Todes- schüsse waren. Traurige Berühmtheit erlangt der Fall des schizophrenen Manuel F. in Berlin, der, mit einem Messer bewaffnet, auf einen Polizisten zuging und von diesem erschossen wurde. Da- raufhin kamen Forderungen auf, Distanz-Elektroimpulswaffen (im Folgenden Taser genannt) einzu- setzen. Befürworter argumentieren: Hätte der infrage kommende Polizist einen Taser mitgeführt, wäre der Einsatz der Dienstpistole womöglich nicht nötig gewesen. Durch den Taser könnte der Einsatz der Dienstpistole weitestgehend vermieden werden. Kritiker bemängeln vor allem die Forderung, Taser als sogenannte Hilfsmittel der körperlichen Ge- walt einzustufen und somit ähnlich wie den Schlagstock oder das Pfefferspray auch bei nicht unmit- telbarer Gefahr einsetzen zu können. Sie verweisen auf das gesundheitliche Risiko eines Tasers, das erheblich sei. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie steht die Landesregierung zur Anschaffung und Einführung von sogenannten Tasern für die Schutzpolizei? 2. Inwiefern werden in Niedersachsen bereits Taser von Polizeivollzugsbeamten eingesetzt? 3. Werden in anderen Bundesländern bereits Taser eingesetzt, und wie sehen die Erfahrungen mit den Waffen aus? 4. Wie teuer wäre die Anschaffung, wenn a) jeder Polizist in Niedersachsen mit einem Taser ausgestattet wird, b) jeder Streifenwagen mit einem Taser ausgestattet wird? 5. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung, den Taser als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt einzustufen? 6. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung, die Benutzung des Tasers unter ähnliche rechtliche Hürden wie die Benutzung der Dienstwaffe zu stellen? (An die Staatskanzlei übersandt am 25.07.2014 - II/725 - 863) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 14.08.2014 für Inneres und Sport - 26.11-01425-2014 - Nach einer zwölfjährigen Pilotierungsphase wurde das Distanzelektroimpulsgerät, sogenannter Ta- ser, im Juni 2013 als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt für den polizeilichen Gebrauch ausschließ- lich in Einsätzen des Spezialeinsatzkommandos Niedersachsen zugelassen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1878 2 Der Taser ist als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt im Sinne des § 69 Abs. 3 des Niedersächsi- schen Gesetzes über die öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) eingestuft. Neben der analogen Anwendung der Ausführungsbestimmungen 69.3 zu § 69 Nds. SOG für den Gebrauch der Reiz- und Betäubungsstoffe wurde darüber hinaus durch Erlass der Einsatz des Tasers zusätz- lich ausdrücklich auf die Fälle beschränkt, bei denen durch den Gebrauch des Tasers die Anwen- dung von Waffen vermieden werden kann. Zudem darf außer in Fällen der Notwehr und Nothilfe das Gerät nicht gegenüber Kindern eingesetzt werden. Bei erkennbar schwangeren Frauen, herz- vorgeschädigten Personen oder bei Personen unter Drogeneinfluss wird aus vorbeugenden Grün- den auf den Einsatz verzichtet. Der Taser ermöglicht es, Personen praktisch sofort so zu immobilisieren, dass sie zu keiner geziel- ten Aktion mehr fähig sind. Sie verfallen in Muskelkrämpfe, stürzen zu Boden und sind für die weni- gen Sekunden der Impulsstromübertragung nicht mehr gezielt bewegungs- und handlungsfähig. Nachdem der Stromfluss abgeschaltet ist, ist die getroffene Person sofort ansprechbar, aufnahme- fähig und kann mit Unterstützung aufstehen. Der Taser verursacht neben der Immobilisierung auch einen, in seiner Stärke nicht mit anderen Einsatzmitteln vergleichbaren, starken Schmerz. Das Schmerzausmaß beim Taser kann, im Gegensatz zu anderen Mitteln, nicht bewusst vom Anwender beeinflusst werden. Die gesundheitlichen Risikofaktoren sind im primären, wie im sekundären Verletzungsbereich als hoch anzusehen. Primär entstehen zusätzlich zur elektrischen Wirkung diverse Gefahren: Es kön- nen Organe wie Augen oder nahe der Körperoberfläche gelegene Arterien verletzt werden. Zusätzliche Gefahren bestehen, wenn die Zielperson mit brennbarer Flüssigkeit übergossen ist, leicht entzündliche Flüssigkeiten oder Gase sich am unmittelbaren Einsatzort befinden, sich die Zielperson in einer unmittelbaren Absturzgefahr befindet, die Zielperson zum Zeitpunkt des Einsat- zes Maschinen oder Fahrzeuge bedient oder sie sich vollständig im Wasser befindet. Zum jetzigen Zeitpunkt sind jedoch nicht alle theoretischen primären gesundheitlichen Risikofaktoren bekannt. Hierzu fehlt es an wissenschaftlichen Studien. Bei den sekundären Verletzungen liegen herausra- gende Risiken in der plötzlichen Bewegungsunfähigkeit (dabei z. B. Sturzverletzungen, Verletzun- gen durch Abstürze aus der Höhe oder in Wasser) sowie in der unmittelbaren Ausführung von Fol- gemaßnahmen bei einer Wirkungslosigkeit des Tasers. Daher ist nicht nur eine taktische Ausbil- dung des Vorgehens zwingend erforderlich, sondern auch ein taktisches Ausweichkonzept mit kür- zesten Reaktionszeiten, um die einschreitenden Schützinnen/Schützen nicht zu gefährden. Die Beschränkung auf den ausschließlichen Einsatz durch das Spezialeinsatzkommando Nieder- sachsen ist wegen des hohen Trainingsaufwandes und der Anwendung eines taktischen Konzep- tes, welches auch eine eventuelle Wirkungslosigkeit des Tasers berücksichtigt und der sonstigen technischen Rahmenbedingungen, bislang für sachgerecht angesehen worden. Zudem empfiehlt auch die Deutsche Hochschule der Polizei, dortiges Polizeitechnisches Institut, dass von den bisher in Deutschland ausgesprochenen Empfehlungen zum Tasereinsatz bei entsprechender Beschulung nicht abgewichen werden sollte. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Es wird keine Ausweitung auf eine allgemeine Ausstattung der Polizei erfolgen. Der Einsatz des Tasers wird auch zukünftig ausschließlich im Spezialeinsatzkommando Niedersachsen zugelassen. Zu 2: Siehe Vorbemerkungen. Zu 3: Alle deutschen Länderpolizeien sowie die Bundespolizei beschränken den Tasereinsatz aus- schließlich auf Spezialeinheiten. Die Erfahrungen aus den anderen Ländern unterliegen der Ver- schlusssachenanweisung und sind als „VS - Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1878 3 Zu 4: Die reinen Gerätekosten (ohne Beschulung, ohne Zubehör, ohne Verbrauchsmittel) stellen sich wie folgt dar: a) 19 000 000 Euro (ohne Studierende an der Polizeiakademie Niedersachsen), b) 3 269 000 Euro. Zu 5 und 6: Im laufenden Novellierungsverfahren zum Nds. SOG wird u. a. die Thematik der Einordnung des Tasers aufgegriffen. Insoweit wird zu klären sein, ob weiterhin die Einstufung des Gerätes als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt im Sinne von § 69 Abs. 3 Nds. SOG erfolgt, oder der Taser künf- tig als Waffe im Sinne des § 69 Abs. 4 Nds. SOG zugelassen wird. In Vertretung Stephan Manke (Ausgegeben am 27.08.2014) Drucksache 17/1878 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 15.07.2014 Einführung von Tasern für Polizeibeamte - Sinnvoll oder gefährlich? Antwort der Landesregierung