Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/1927 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen und Björn Försterling (FDP), eingegangen am 12.06.2014 Schulbuskontrolle im Landkreis Hildesheim - Eine Idee für ganz Niedersachsen? Die Polizei in Sarstedt im Landkreis Hildesheim kontrollierte am 2. Juni 2014 Schulbusse. Bei den Kontrollen ergaben sich nach Angabe der Polizei teils erhebliche Mängel. So mussten von zehn kontrollierten Bussen drei stillgelegt werden. Immer wieder geraten Schulbusse durch Unglücke in den Fokus der Öffentlichkeit, etwa Anfang des Jahres bei dem Unglück in Georgsmarienhütte oder Ende 2011 bei dem tragischen Schulbus- unfall in Vechta. Nicht immer können technische Mängel ausgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie fiel das Ergebnis der Kontrolle von Schulbussen der Polizei in Sarstedt am 2. Juni 2014 aus? 2. Welche Sicherheitsrisiken gibt es bei Schulbussen generell, und welche fallen bei Kontrollen regelmäßig auf? 3. Wie viele Unfälle gab es in den letzten fünf Jahren, an denen Schulbusse beteiligt waren? 4. Wie viele Unfälle gab es in den letzten fünf Jahren, bei denen gravierende Mängel an den Schulbussen ursächlich waren? 5. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um eine bessere Sicherheit von Schulbussen zu gewährleisten? 6. Wie bewertet die Landesregierung die Einführung von flächendeckenden Schulbuskontrollen seitens der Polizei, um einen hohen Sicherheitsstandard bei Schulbussen zu gewährleisten? (An die Staatskanzlei übersandt am 17.06.2014 - II/725 - 787) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 29.08.2014 für Inneres und Sport - 24.2 - 01425/2/11430/14 - Träger der Schülerbeförderung sind gemäß § 114 Abs. 1 Niedersächsisches Schulgesetz die Landkreise und kreisfreien Städte, die diese Aufgabe im Rahmen des eigenen Wirkungskreises wahrnehmen. Die Körperschaften unterstehen bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe nur der staat- lichen Rechtsaufsicht (Kommunalaufsicht) gemäß § 170 Abs. 1 Niedersächsisches Kommunalver- fassungsgesetz. Die Schülerbeförderung erfolgt im Regelfall im Linienverkehr des Öffentlichen Per- sonennahverkehrs oder ersatzweise mit linienmäßig verkehrenden Bussen oder Taxen des freige- stellten Schülerverkehrs, der üblicherweise mit vom Träger der Schülerbeförderung beauftragten Unternehmen durchgeführt wird. In Einzelfällen werden auch Fahrten mit privaten Pkw anerkannt und die Kosten dafür erstattet. Durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen wurde am 14. Juli 2005 ein mit den Bundesländern erarbeiteter Anforderungskatalog für Kraftomnibusse und Kleinbusse, wel- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1927 2 che insbesondere zur Schülerbeförderung eingesetzt werden, veröffentlicht. Dieser gilt jedoch nicht für die Beförderung von Schülerinnen und Schülern in öffentlichen Buslinien. Der Katalog beschreibt umfassend die technischen sowie die betrieblichen Anforderungen, welche an eine sichere Schülerbeförderung zu stellen sind, und wird als Bestandteil der Verträge zwischen Verkehrsunternehmen und Trägern der Schülerbeförderung empfohlen. Der Anforderungskatalog ist ein Leitfaden für die Träger der Schülerbeförderung. Diese haben es als Auftraggeber somit in der Hand, gezielt und je nach örtlicher Gegebenheit in Bezug auf Fahr- zeugkapazität und -qualität allen Vorstellungen und Notwendigkeiten gerecht zu werden. Vertrag- lich können sie sich ausbedingen, wie die Schulbusse zu belegen sind, um die Sicherheit und Ord- nung beim Schülerverkehr zu gewährleisten. Erfolgt die Beförderung der Schülerinnen und Schüler mit Kraftomnibussen, die nach ihrer Bauart und Ausstattung geeignet und dazu bestimmt sind, mehr als neun Personen einschließlich Fahrer zu befördern und die im Linienverkehr mit einer Linienlänge bis zu 50 km eingesetzt sind, hat das Fahrpersonal gemäß § 1 Abs. 1 Fahrpersonalverordnung die Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten nach Maßgabe der Artikel 4, 6 bis 9 und 12 der VO (EG) Nr. 561/2006 einzuhalten. Bei der Schülerbeförderung mit Kraftomnibussen außerhalb des genannten Linienverkehrs, z. B. im Rahmen von Schulfahrten, hat das Fahrpersonal alle Bestimmungen der VO (EG) Nr. 561/2006 einzuhalten. Die Einhaltung der genannten Vorschriften wird durch Kontrollen der Polizei, des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) und der Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter überwacht. Dabei führen die Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit sowohl an- lassbezogene (z. B. nach Anzeigen der Polizei oder des BAG) als auch punktuelle Überprüfungen der Unternehmen durch. Bezüglich des technischen Zustandes von Schulbussen gelten hier, wie für Kraftomnibusse, die folgenden gesetzlichen Prüffristen und Untersuchungen, die durch zugelassene Prüfinstitutionen abgenommen werden: Hauptuntersuchung (HU) alle 12 Monate Hierbei handelt es sich um eine Untersuchung des gesamten Fahrzeuges sowie seiner Bauteile und Systeme auf Einhaltung der geltenden Bestimmungen. Ergänzungsuntersuchungen müssen durchgeführt werden, wenn dies aufgrund des Zustandes oder des Alters des Fahrzeuges notwen- dig ist. Die Entscheidung über den Umfang der Ergänzungsuntersuchung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Prüfingenieurs. Sicherheitsprüfung (SP) Diese erfolgt zusätzlich zwischen den Intervallen der Hauptuntersuchung (SP). Die Intervalle variie- ren je nach Zulassungszeitraum: im ersten Zulassungsjahr: keine SP; im zweiten bis dritten Zulas- sungsjahr: alle sechs Monate; ab dem vierten Zulassungsjahr: alle drei Monate nach der letzten HU. Hier werden nach vorgegebenen Prüfpunkten die Sicht-, Wirkungs- und Funktionsprüfung des Fahrgestells (inklusive Ansprechkräfte der Einklemmschutzeinrichtungen) und Fahrwerks, der Ver- bindungseinrichtung, Lenkung, Reifen, Räder, Auspuffanlage und Bremsanlage kontrolliert. Somit werden bei Kraftomnibussen, bis auf relativ neue Fahrzeuge, alle drei Monate Sicherheits- prüfungen durchgeführt, bei denen sicherheitsbeeinträchtigende Mängel erkannt werden können. Soweit die Belange der Polizei Niedersachsen betroffen sind, habe ich mir von den Polizeidirektio- nen berichten lassen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregie- rung wie folgt: Zu 1: Bei der am 2. Juni 2014 im Bereich des Polizeikommissariats Sarstedt durchgeführten Maßnahme wurden zehn Schulbusse kontrolliert. Hierbei wurden folgende Feststellungen getroffen: Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1927 3 – Zwei Busse mussten stillgelegt werden, weil die Reversiereinrichtung (Einklemmschutz der Bustür) nicht funktionierte. – Ein Reisebus, der anlässlich einer Schulfahrt eingesetzt werden sollte, musste stillgelegt wer- den, weil die Notentriegelung einer hinteren Bustür nicht funktionierte. – In einem Bus waren alle Gefahrenhinweise im Bus nur in norwegischer Sprache geschrieben. Außerdem war der vorgeschriebene Fahrtenschreiber nicht eingebaut. – In einem Bus war der Verbandkasten nicht griffbereit und konnte nicht vorgezeigt werden, weil er in einem verschlossenen, verglasten Aufbewahrungsfach lag und der Busfahrer für das Fach keinen Schlüssel hatte. – In zwei Bussen fehlten Unterlegkeile und an einem der beiden war die Heckklappensicherung defekt. – Ein Busfahrer war der deutschen Sprache nicht mächtig, was insofern keinen Verstoß darstellt. Im Gefahrenfalle wäre jedoch die Verständigung mit Schulkindern nicht bzw. nicht ohne Ein- schränkung möglich gewesen. Zu 2: Sicherheitsmängel bei Schulbussen generell sind der Landesregierung nicht bekannt. Im Rahmen von polizeilichen Kontrollmaßnahmen bei Schulbussen wird aufgrund polizeilicher Er- fahrungen insbesondere auf die folgenden Faktoren geachtet: – Kontrolle aller Bustüren hinsichtlich des Einklemmschutzes (Reversiereinrichtung) und der Notentriegelung , – Sichtkontrolle des Motors, der Radnaben, der Bremsanlagen und der Aggregate auf Ölverlust, zum Ausschluss einer Brandgefahr, – Kontrolle der Sicherung der Motorklappe bzw. -abdeckung, – Sichtkontrolle der Reifen und Profil-Tiefenmessung, – Kontrolle der Feuerlöscher, Unterlegkeile und Verbandskästen, – Kontrolle der sicherheitsrelevanten Inneneinrichtung und Gefahrenaufkleber, – Kontrolle des Fahrpersonals auf Fahrtauglichkeit, – Prüfung der Fahrerlaubnis. Darüber hinaus wird hinsichtlich der fahrpersonalrechtlichen Vorschriften auf die Vorbemerkung verwiesen. Zu 3: Die nachfolgenden Zahlen beruhen auf einer Analyse des polizeilichen Auswertungssystems. Es handelt sich ausschließlich um Verkehrsunfälle in Niedersachsen mit Fahrzeugen, deren Verkehrs- beteiligungsart mit „Schulbus“ angegeben wurde, somit also um Fahrzeuge aus dem sogenannten Schülerfreistellungsverkehr. Dazu ist anzumerken, dass die verunglückten Personen nicht zwangs- läufig Insassen eines Schulbusses waren. Es kann sich dabei auch um andere Unfallbeteiligte ge- handelt haben. Niedersachsen 2009 2010 2011 2012 2013 Anzahl der Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Schulbussen insgesamt 148 230 203 192 205 Anzahl der Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Schulbussen mit Personenschaden (Verunglückten) 44 50 50 41 50 – dabei getötete Personen 1 1 0 1 0 – dabei schwerverletzte Personen 11 18 7 12 15 – dabei leichtverletzte Personen 66 70 89 73 116 Quelle: Polizeiliches Auswertungssystem, Datenbasis vom 25. Juli 2014 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1927 4 Nach Angaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung sind Schulbusunfälle relativ selten, sodass der Bus als das mit Abstand sicherste Beförderungsmittel für den Weg zur bzw. von der Schule angesehen wird. Von allen Schulwegsunfällen sind die Verkehrsunfälle im direkten Schul- busverkehr die seltensten. Häufiger sind Schülerunfälle aufgrund von Rangeleien an Bushaltestel- len oder beim Besteigen oder Verlassen von Bussen. 1 Zu 4: Ausweislich der polizeilichen Verkehrsunfallstatistik ist der Landesregierung lediglich ein Fall aus dem Jahr 2009 bekannt, bei dem von einem technischen Mangel als Hauptunfallursache bei einem Schulbus ausgegangen wurde. In diesem Fall kam ein zur Beförderung von Schülerinnen und Schülern genutzter Kleinbus wegen eines Bremsenversagens von der Fahrbahn ab und stieß ge- gen parkende Fahrzeuge. Dabei wurden zwei Personen leicht verletzt. Zu 5: In Bezug auf die Kontrolle am 2. Juni 2014 im Landkreis Hildesheim wird das für die Überwachung des technischen Zustandes von Schulbussen zuständige Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr die Ergebnisse der polizeilichen Kontrolle analysieren, um zu erkennen, ob diese Fahrzeu- ge die regelmäßigen gesetzlichen Prüffristen eingehalten und vorgeschriebenen Untersuchungen absolviert haben, wie die Untersuchungen selber ausgeführt wurden oder ob weitere Erkenntnisse die Mängelvorfindung erklären. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend wird das zuständige Ressort gegebenenfalls die notwendigen Maßnahmen einleiten, die die Sicherheit von Schulbussen weiter steigern. Seitens der Landesregierung wird es begrüßt, dass die Träger der Schülerbeförderung zur Quali- tätssicherung zudem vermehrt auf eigene Kontrollen bzw. Zertifizierungen beauftragter Unterneh- men setzen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Zu 6: Maßgebliches strategisches Ziel der polizeilichen Verkehrssicherheitsarbeit ist die Reduzierung der Anzahl getöteter und verletzter Personen. Dabei bilden die Ergebnisse der örtlichen Unfallanalyse die Grundlage. Eine flächendeckende Schwerpunktsetzung auf Schulbuskontrollen durch die Polizei ist nach aktu- eller Erkenntnislage derzeit nicht notwendig. Dieses wird anhand der Auswertung des Verkehrsun- fallgeschehens im Hinblick auf die Beteiligung von Schulbussen, insbesondere aufgrund des Um- standes, dass technische Mängel bislang eine untergeordnete Rolle spielten, deutlich. Ergeben sich allerdings aus der regionalen Verkehrsunfallanalyse oder aus der Bevölkerung Hin- weise auf Problemstellungen, agieren die örtlichen Polizeibehörden selbstständig und verstärken ihre Kontrollen. Darüber hinaus informieren sie die Träger der Schülerbeförderung sowie die ande- ren für die Überwachung des Schulbusverkehrs zuständigen Institutionen und Einrichtungen. In Vertretung Stephan Manke 1 Bundesverband der Unfallkassen; GUV-SI 8046 (Ausgegeben am 08.09.2014) Drucksache 17/1927 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen und Björn Försterling (FDP), eingegangen am 12.06.2014 Schulbuskontrolle im Landkreis Hildesheim - Eine Idee für ganz Niedersachsen? Antwort der Landesregierung