Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/1932 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP), eingegangen am 24.07.2014 Aktenpanne im Arbeitsgericht Hannover - Wie sicher sind die Bürgerdaten? Laut Medienangaben wurden Abfallsäcke mit lesbaren Aktenschnippeln aus dem Arbeitsgericht in Hannover am Straßenrand gefunden. In den Gerichtsakten sind sensible persönliche Daten von Bürgerinnen und Bürgern. Die Betroffenen haben kein Interesse daran, dass ihre Daten durch eine bewusste Weitergabe oder durch eine unsachgemäße Müllentsorgung in die Öffentlichkeit gelan- gen. Vor diesem Hintergrund frage ich Landesregierung: 1. Welche konkreten Konsequenzen wurden aus dem oben geschilderten Vorfall gezogen? 2. Kann die Landesregierung ausschließen, dass weitere Aktenteile bei der Entsorgung in unbe- fugte Hände geraten sind? 3. Wie werden die Gerichtsakten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Niedersachsen entsorgt? 4. Wie werden die Gerichtsakten in den Verwaltungsgerichten in Niedersachsen entsorgt? 5. Wie werden die Gerichtsakten in den Sozialgerichten in Niedersachsen entsorgt? 6. Wie werden die Gerichtsakten in den Finanzgerichten in Niedersachsen entsorgt? 7. Wie werden die Gerichtsakten in den Arbeitsgerichten in Niedersachsen entsorgt? 8. Welches Konzept verfolgt die Landesregierung, den Datenschutz beim Umgang mit den Ge- richtsakten (Eingang, Bearbeitung, Entsorgung) zu gewährleisten bzw. zu erhöhen? (An die Staatskanzlei übersandt am 01.08.2014 - II/725 - 873) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Justizministerium Hannover, den 02.09.2014 - 1552 – 102. 187 - Die Gewährleistung effizienten Datenschutzes ist eine unverzichtbare Voraussetzung für das Ver- trauen der Bürgerinnen und Bürger in die Justiz. Die Vernichtung des Schriftguts bei den nieder- sächsischen Justizbehörden, das weder dauernd aufzubewahren noch archivwürdig ist, hat das Justizministerium deshalb schon seit Jahren ausführlich in Nr. 14 der Aussonderungsbestimmun- gen (AV d. MJ v. 8.3.2007 - 1452 - 102. 10 -, Nds. Rpfl. 2007, S. 90) geregelt. Danach – ist bei der Vernichtung von Schriftgut, insbesondere von Ausdrucken aus Datenverarbeitungs- anlagen, darauf zu achten, dass hierbei Unbefugte nicht von solchen Vorgängen Kenntnis nehmen können, die allgemeinen oder besonderen Geheimhaltungspflichten unterliegen (Nr. 14 Buchst. a) AussonderungsBest), – wird empfohlen, ausgesondertes Schriftgut unverzüglich einem Aktenvernichtungsgerät zuzu- führen oder, sofern kein behördeneigenes Aktenvernichtungsgerät vorhanden ist oder auszu- sonderndes Schriftgut sensiblen Inhalts in größeren Mengen anfällt, das ausgesonderte Schrift- gut bis zur Vernichtung in verschließbaren Behältnissen zwischenzulagern, in denen auch sons- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1932 2 tige zu vernichtende Unterlagen mit schutzwürdigem Inhalt (Vorentwürfe, „Knüllpapier“) eingeworfen werden können (Nr. 14 Buchstaben a) und b) AussonderungsBest), – kann sich eine Behörde zur Vernichtung von Schriftgut auch der Amtshilfe einer anderen Be- hörde bedienen, die einen Aktenvernichter besitzt (Nr. 14 Buchst. c) AussonderungsBest), – ist die Veräußerung des ausgesonderten Schriftguts als Altpapier zum Zwecke der Papierher- stellung allen anderen Arten der Vernichtung (z. B. der Verbrennung) grundsätzlich vorzuzie- hen; sensibles Schriftgut ist vorher jedoch so zu zerkleinern oder zusammenzupressen, dass es unmöglich ist, zusammenhängende Sätze, Wörter oder Zahlenkolonnen zu rekonstruieren (Nr. 14 Buchs. d) AussonderungsBest), – darf ein Privatunternehmer mit der Vernichtung sensiblen Schriftguts nur dann beauftragt werden , wenn er zuverlässig ist und sich verpflichtet, das Schriftgut unverzüglich in eigenen Anla- gen zu vernichten; durch organisatorische Vorkehrungen muss sichergestellt sein, dass Unbe- fugte das noch nicht vernichtete Schriftgut nicht einsehen oder in Besitz nehmen können (Nr. 14 Buchst. e) AussonderungsBest). Für die Beachtung dieser Regelungen sind die einzelnen Justizbehörden selbst verantwortlich. Dass bei dem Arbeitsgericht Hannover aus nicht abschließend geklärten Gründen Schriftstücke, die dort anhängige Verfahren betrafen, in den gewöhnlichen Papiermüll gelangt waren, der in durch- sichtigen Plastiksäcken vor dem Haus abgestellt wurde, ist mit den Aussonderungsbestimmungen nicht vereinbar. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Der Präsident des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen hat als zuständige Dienstaufsichtsbehörde den Vorfall zum Anlass genommen, mit Rundschreiben vom 24. Juli 2014 die Direktorinnen und Di- rektoren aller niedersächsischen Arbeitsgerichte anzuweisen, die folgenden Regeln sämtlichen Ge- richtsangehörigen zur Kenntnis zu geben und eine erhöhte Sorgfalt in Bezug auf die datenschutz- gerechte Entsorgung anzumahnen: – Schriftgut mit personenbezogenen Daten ist nicht über den Papierkorb am Arbeitsplatz zu ent- sorgen. Entweder wird es in einen für die datenschutzgerechte Schriftgutvernichtung vorgese- henen verschlossenen Behälter eingeworfen, der von einem zertifizierten Unternehmen abge- holt wird; alternativ ist das Schriftgut zu schreddern. – Terminsrollen enthalten personenbezogene Daten. Nach Abnahme von der Gerichtstafel werden sie nicht mehr für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe des Gerichts benötigt. Sie gehören nicht in den Papiermüll, sondern sind datenschutzgerecht zu vernichten. – Namen von Prozess- und Verfahrensbeteiligten sind nur dann öffentlich auszuhängen, wenn sie sich auf einer Terminsrolle für eine öffentliche Verhandlung befinden. In anderen Fällen ist im Falle eines öffentlichen Aushanges des Termins nur das Aktenzeichen anzugeben. – Bestehen Zweifel, ob ein Schriftstück personenbezogene Daten enthält, so ist der Weg der datenschutzgerechten Schriftgutvernichtung zu wählen. Das Justizministerium hat dieses Rundschreiben mit Erlass vom 7. August 2014 an die übrigen Mit- telbehörden mit der Bitte um Kenntnisnahme und Beachtung auch im eigenen Geschäftsbereich weitergeleitet. In dem Erlass wird ausdrücklich – darauf hingewiesen, dass Schriftgut mit persönlichen Daten nicht im normalen Hausmüll ent- sorgt werden darf, sondern entweder durch ein besonders zertifiziertes Unternehmen zu ver- nichten ist oder so zerkleinert werden muss, dass die Schriftstücke nicht mehr lesbar sind, – darum gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt ist, dass eine Trennung von sensiblem Schriftgut und normalem Papier-Hausmüll für die Ange- hörigen der Behörden ohne größeren Aufwand möglich ist, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1932 3 – empfohlen, entsprechend dem Rundschreiben des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts alle Angehörigen der Gerichte des jeweiligen Geschäftsbereichs noch einmal besonders auf den sensiblen Umgang mit zu vernichtendem Schriftgut hinzuweisen. Zu 2: Bei den Papieren des Arbeitsgerichts Hannover, die in den gewöhnlichen Papiermüll gelangt wa- ren, handelte es sich nicht um Aktenbestandteile, sondern um sonstige zu vernichtende Unterlagen mit schutzwürdigem Inhalt (Terminszettel, Mitteilungen für die Vornahme von Akteneinsicht, Ent- wurf und Erstfassung einer dienstlichen Stellungnahme, Beschlussausfertigung). Es ist deshalb da- von auszugehen, dass bei der Entsorgung Aktenteile nicht in unbefugte Hände geraten sind. Zu 3: Zur Praxis der Entsorgung der ausgesonderten Gerichtsakten sind die Präsidenten der Oberlan- desgerichte Braunschweig, Celle und Oldenburg, des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, des Niedersächsischen Finanzgerichts und des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen befragt worden. Diese haben übereinstimmend berichtet, dass die Gerichte ihres jeweiligen Geschäftsbereichs, soweit ihre Bediensteten ausgesonderte Ak- ten nicht selbst mittels eines Aktenschredders vernichten und als Altpapier in geschlossenen Con- tainern bis zur Abholung durch die Abfallwirtschaft verwahren bzw. selbst zur Abfallwirtschaft brin- gen, zertifizierte Unternehmen damit beauftragt haben, die Akten nach DIN 66399 fachgerecht zu entsorgen. Die Gerichte haben dafür besondere, abschließbare Aufbewahrungsbehälter, die von den Gerichten befüllt und anschließend von den Entsorgungsfirmen abgeholt oder dort hingebracht werden. Zu 4: Siehe Antwort zu 3. Zu 5: Siehe Antwort zu 3. Zu 6: Siehe Antwort zu 3. Zu 7: Siehe Antwort zu 3. Zu 8: Die Gewährleistung effizienten Datenschutzes auch beim Umgang mit papiernen Gerichtsakten ist Gegenstand der Informationssicherheitsleitlinie (ISLL) Justiz (AV d. MJ v. 6.5.2014 - 1510 – 103. 232 SH 6 -, Nds. Rpfl. 2014, S. 180). Begleitet durch den Informationssicherheitsbeauftragten der niedersächsischen Justiz wird auf dieser Grundlage ein Informationssicherheitsmanagementsystem (ISMS) für die niedersächsische Justiz eingeführt, das Teil eines ressortübergreifenden Gesamt- ISMS der niedersächsischen Landesverwaltung sein wird. Mit der in diesem Jahr aktualisierten In- formationssicherheitsleitlinie Justiz ist u. a. die Zielsetzung verknüpft worden, das Sicherheitsbe- wusstsein aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der niedersächsischen Justiz bis hin zu den Lei- tungsebenen zu stärken und diese für die Belange der Informationssicherheit zu sensibilisieren. Zu diesem Zweck führen der Informationssicherheitsbeauftragte Justiz und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im gesamten Geschäftsbereich des Justizministeriums Sensibilisierungsveranstaltungen durch. Antje Niewisch-Lennartz (Ausgegeben am 10.09.2014) Drucksache 17/1932 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP), eingegangen am 24.07.2014 Aktenpanne im Arbeitsgericht Hannover - Wie sicher sind die Bürgerdaten? Antwort der Landesregierung