Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/1954 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Kai Seefried (CDU), eingegangen am 07.08.2014 Leiharbeit an niedersächsischen Schulen? Im 2012 veröffentlichten sogenannten Regierungsprogramm der niedersächsischen SPD für 2013 bis 2018 heißt es: „Eine SPD-Landesregierung orientiert sich am Leitbild der ,Guten Arbeit‘: Es stellt den Menschen in den Mittelpunkt und seine berechtigten Forderungen nach fairen Löhnen und Arbeitsbedingungen, nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit, nach Beendigung von Lohndum- ping durch Leiharbeit, nach stabilen statt befristeten Beschäftigungsverhältnissen und nach einem Recht auf Weiterbildung.“ Im neuen Erlass „Die Arbeit in der Ganztagsschule“ des SPD-geführten Kultusministeriums vom 1. August 2014 wird den niedersächsischen Ganztagsschulen als eine mögliche „Gestaltungsmög- lichkeit“ für außerunterrichtliche Angebote vorgeschlagen, Kooperationsverträge zur Arbeitnehmer- überlassung abzuschließen. Ein Muster für einen „Kooperationsvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung “ wurde zusammen mit dem Erlass veröffentlicht. Darin fungiert die jeweilige Schule als Entlei- her, der jeweilige Kooperationspartner als Verleiher. Wie dem Mustervertrag zu entnehmen ist, muss der Kooperationspartner (also beispielsweise ein Verein oder Verband) über eine entspre- chende Erlaubnis zur Überlassung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verfügen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet sie Arbeitnehmerüberlassung bzw. Leiharbeit im Allgemeinen? 2. Wie ist das Verfahren der Arbeitnehmerüberlassung im Allgemeinen geregelt? 3. Wer erteilt die Erlaubnis zur Überlassung von Arbeitnehmern, welche Voraussetzungen sind zu erfüllen und welche (einmaligen und gegebenenfalls laufenden) Kosten kommen auf den potenziellen Entleiher zu? 4. Welche Kriterien muss Arbeitnehmerüberlassung nach Ansicht der Landesregierung erfüllen, um in Schulen sinnvoll zur Anwendung zu kommen? 5. Wie bewertet die Landesregierung Arbeitnehmerüberlassung an Ganztagsschulen im Ver- gleich zu freien Dienstleistungsverträgen an Ganztagsschulen? 6. Was hat die Landesregierung bewogen, das Instrument der Arbeitnehmerüberlassung als ei- ne mögliche „Gestaltungsmöglichkeit“ für außerunterrichtliche Angebote vorzuschlagen? 7. Welche Organisationen und Verbände kommen nach Ansicht der Landesregierung als Entlei- her im Sinne der Arbeitnehmerüberlassung an niedersächsischen Ganztagsschulen in Be- tracht und warum? 8. Wie bewertet die Landesregierung Arbeitnehmerüberlassung an Ganztagsschulen im Ver- gleich zur Beschäftigung von pädagogischen Mitarbeitern über Arbeitsverträge nach 7.3 des Erlasses? 9. Hat die Landesregierung die Möglichkeit der Arbeitnehmerüberlassung an Ganztagsschulen absichtlich nicht in der Entwurfsfassung des Erlasses erwähnt, die der breiten Öffentlichkeit und den Fraktionen des Landtags zur Kenntnis gegeben wurde? 10. Da die Möglichkeit der Arbeitnehmerüberlassung in der Entwurfsfassung des Erlasses noch nicht enthalten war: Handelt es sich um eine Anregung aus der Anhörung oder ist die Idee der Arbeitnehmerüberlassung im Zusammenhang mit Ganztagsschulen im Kultusministerium entwickelt worden? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1954 2 11. Ist der Erlass mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr abgestimmt? 12. Ist der Erlass mit der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit oder einer anderen Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit abgestimmt? 13. Ist der Erlass mit der Deutschen Rentenversicherung abgestimmt? 14. Ist der Erlass mit den Personalvertretungen abgestimmt? (An die Staatskanzlei übersandt am 13.08.2014 - II/725 - 890) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Kultusministerium Hannover, den 11.09.2014 - 01-0 420/5-890 - Dem am 01.08.2014 in Kraft getretenen Erlass zur Arbeit in der Ganztagsschule sind zwei Ver- tragsmuster zur Zusammenarbeit mit außerschulischen Kooperationspartnern beigefügt. Eines die- ser Muster sieht eine Kooperation durch Arbeitnehmerüberlassung, das andere eine Kooperation ohne Arbeitnehmerüberlassung vor. Mit diesen dem Erlass beigefügten Vertragsmustern hat das Kultusministerium auf eine veränderte Gesetzeslage und die damit verbundene Unsicherheit der Schulen im Rahmen der Ausgestaltung des Ganztagsangebotes reagiert. Vor dem Hintergrund einer intensiven Beratung der Schulen durch den Fachbereich „Service“ der Niedersächsischen Landesschulbehörde und verbunden mit der Bereitstellung von Handreichun- gen zum Erlass und zum Umgang mit den Vertragsmustern werden den Schulen mit dem neuen Erlass gute Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Hierdurch wird eine rechtskonforme Kooperation im Ganztag sichergestellt und es werden den Schulen Instrumente an die Hand gegeben, mit denen sie flexibel und angepasst an ihre individuel- len Bedürfnisse ein Ganztagsangebot gestalten können. Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt: Zu 1: Leiharbeit darf nicht zur Regel werden. Ziel der Landesregierung ist es, möglichst viele Menschen in sichere und langfristige Beschäftigungsverhältnisse zu bringen. Leiharbeit ist gleichwohl dort zu akzeptieren, wo ihre Inanspruchnahme bzw. Nutzung aufgrund besonderer Umstände des Einzel- falls erforderlich ist und Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer nicht allein aus Gründen der Kostenersparnis eingesetzt werden. Zu 2: Arbeitnehmerüberlassung ist im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG liegt Arbeitnehmerüberlassung immer dann vor, wenn im Rahmen einer „wirt- schaftlichen Tätigkeit“ Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überlassen werden. Dies schließt auch eine „selbstlose“ Überlassung durch eine gemeinnützige Organisation mit ein. Die Überlassung ist gemäß § 1 AÜG erlaubnispflichtig. Erteilung und Erlöschen der Erlaubnis sind in § 2 AÜG geregelt. Zu 3: Eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung erteilt die Bundesagentur für Arbeit. Der Verleiher muss über entsprechende Fachkenntnisse für die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Ar- beitnehmern und über eine ausreichende Betriebsorganisation verfügen. Gemäß § 2 a Abs. 1 AÜG werden vom Antragsteller Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben. Die Gebühr darf gemäß § 2 a Abs. 2 Satz 3 AÜG im Einzelfall 2 500 Euro nicht übersteigen. Sie beträgt derzeit für die Erteilung Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1954 3 oder Verlängerung einer befristeten Erlaubnis 750 Euro, für die Erteilung einer unbefristeten Er- laubnis 2 000 Euro. Zu 4: Eine Zusammenarbeit mit „klassischen“ gewinnorientierten Leiharbeitsfirmen soll ausgeschlossen sein. Aus diesem Grund ist die gemeinnützige Ausrichtung eines potenziellen Kooperationspartners Voraussetzung einer Zusammenarbeit. Unternehmen, die Arbeitnehmerüberlassung gewerbsmäßig betreiben, scheiden somit als Vertragspartner aus. Zu 5: Im Unterschied zu einem freien Dienstleistungsvertrag kann ein Kooperationsvertrag zur Arbeit- nehmerüberlassung nicht mit einer Einzelperson, sondern nur mit einer Organisation oder Körper- schaft geschlossen werden. Insoweit unterscheiden sich ein Dienstleistungsvertrag und ein Vertrag zur Arbeitnehmerüberlassung grundsätzlich und sind insoweit auch nicht zu vergleichen. Vergleich- bar sind lediglich die damit erbrachten Leistungen, das heißt die außerunterrichtlichen Angebote im Rahmen des Ganztags. Den Schulen werden mit dem Erlass zur Arbeit in der Ganztagsschule verschiedene Möglichkeiten der Vertragsgestaltung (Arbeitsvertrag, Kooperationsverträge mit und ohne Arbeitnehmerüberlas- sung, freier Dienstleistungsvertrag) zur Verfügung gestellt, um ihnen die Möglichkeit zu geben, mit Blick auf die individuellen Verhältnisse vor Ort flexibel handeln zu können. Zu 6: Die Landesregierung hat durch die Bereitstellung eines Vertragsmusters zur Arbeitnehmerüberlas- sung der Erweiterung des Anwendungsbereichs des AÜG Rechnung getragen. Seit der Streichung des Begriffs der Gewerbsmäßigkeit aus dem AÜG im Jahr 2011 fällt auch die Kooperation von Kommunen und Land oder jene zwischen dem Land und gemeinnützigen Organisationen potenziell in den Anwendungsbereich des AÜG. Maßgeblich für die Wertung, ob Arbeitnehmerüberlassung vorliegt oder nicht, sind allein die tatsächlichen Umstände. Eine anderslautende Bezeichnung im Kooperationsvertrag ist dabei unerheblich. Sofern aber faktisch Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, ohne dass der Kooperationspartner über eine entsprechende Erlaubnis verfügt, treten von Geset- zes wegen für das Land nachteilige Rechtsfolgen ein. Diese Entwicklung war zu berücksichtigen. Durch die Beifügung des hier angesprochenen Vertragsmusters neben einem Vertragsmuster zur Kooperation ohne Arbeitnehmerüberlassung wurde auf diese Veränderungen der Rechtslage rea- giert und die Handlungsmöglichkeiten der Schulen erweitert. Zu 7: Als Entleiher im Sinne des AÜG kommt ausschließlich das Land Niedersachsen in Betracht. Sofern nähere Informationen zum Kreis der potenziellen Kooperationspartner (als Verleiher) erfragt wer- den, wird auf die Antwort zu 4 verwiesen. Zu 8: Pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden nach der genannten Erlassregelung stets über Arbeitsverträge beschäftigt. Sofern ein Kooperationspartner Personen im Wege der Arbeit- nehmerüberlassung einsetzt, geschieht dies unabhängig von der Beschäftigung pädagogischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Schule. Ein Angebot, das eine Schule durch den Einsatz pädagogischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst erbringen kann, ist auch durch diese zu leis- ten. Ergänzend hierzu ist es denkbar, dass ein Kooperationspartner im Wege der Arbeitnehmer- überlassung eigene Personen einsetzt. Im Übrigen entzieht sich die Gestaltung eines Beschäfti- gungsverhältnisses zu einer Einzelperson dem Vergleich zur Gestaltung eines Rechtsverhältnisses zu einem Kooperationspartner. Zu 9: Nein. Es ist zutreffend, dass die Vertragsmuster in der Ende Januar in die Anhörung gegangenen Entwurfsfassung noch nicht enthalten waren. Nach der Auswertung der Stellungnahmen aus der Anhörung und einer Reihe von Fachgesprächen mit Kooperationspartnern und Rahmenvereinba- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1954 4 rungspartnern wurden aufgrund der dort erhaltenen Anregungen die beiden Vertragsmuster entwi- ckelt und dem Erlass als Anlage beigefügt. In einer schriftlichen Unterrichtung des Kultusausschusses durch die Landesregierung vom 26.05.2014 wurde mit Blick auf die Vertragsgestaltung bei Kooperationen mit außerschulischen Partnern darauf hingewiesen, dass die Fachebene damit befasst sei, die Regelungen zum Koope- rationsvertrag gegebenenfalls mit Varianten zu überarbeiten. Mit Informationsschreiben an alle Ganztagsschulen vom 18.06.2014 wurden die Schulleitungen darüber informiert, dass der Ganztagsschulerlass Kooperationen mit und ohne Arbeitnehmerüber- lassung vorsehen werde. Im Rahmen der Unterrichtung durch die Landesregierung in der Sitzung des Kultusausschusses am 04.07.2014 wurden auch beide dem Erlass beigefügten Vertragsmuster in den Grundzügen vorgestellt und erläutert. Insbesondere die Notwendigkeit der Erstellung eines Vertragsmusters zur Arbeitnehmerüberlassung wurde hierbei dargestellt. Zu 10: Es wird auf die Antwort zu 9 verwiesen. Zu 11: Nein, eine solche Abstimmung war nicht erforderlich. Zu 12: Es gab mit einem Vertreter der für Fragen der Arbeitnehmerüberlassung zuständigen Bundesagen- tur für Arbeit auf Bearbeiterebene Gespräche, deren Ergebnisse in den Erlass bzw. die beigefügten Vertragsmuster eingeflossen sind. Zu 13: Ja. Vonseiten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) wurden im Rahmen der Anhörung keine Einwände vorgebracht. Die aus Sicht der DRV sozialversicherungsrechtlich relevante Frage des Verhältnisses von Arbeits- und Honorarverträgen berührt im Übrigen nicht die Frage der Einschät- zung der Kooperationsverträge mit und ohne Arbeitnehmerüberlassung. Zu 14: Ja. Im Rahmen vertrauensvoller Zusammenarbeit wurde der Entwurf des Erlasses samt Vertrags- mustern dem Schulhauptpersonalrat zur Kenntnis und mit der Möglichkeit der Stellungnahme zuge- leitet. Ein Fall der verpflichtenden Mitbestimmung nach dem NPersVG war nicht gegeben. In Vertretung des Staatssekretärs Michael Markmann (Ausgegeben am ) (Ausgegeben am 23.09.2014) Drucksache 17/1954 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Kai Seefried (CDU), eingegangen am 07.08.2014 Leiharbeit an niedersächsischen Schulen? Antwort der Landesregierung