Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/1959 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Ingrid Klopp, Lutz Winkelmann und Frank Oesterhelweg (CDU), einge- gangen am 26.05.2014 10 % Flächenstilllegung in Landesforsten? Die Einbecker Morgenpost berichtete am 08.05.2014 in ihrem Artikel „Ein Gewinn für die Natur und die Allgemeinheit“ über den Plan der Landesregierung, bis zum Jahr 2020 10 % der Landesforste stillzulegen. Besonders wertvoll einzustufende Flächen sollen dafür aus der Bewirtschaftung ge- nommen werden, um Natur und Erholung zu fördern, verspräche Landwirtschaftsminister Christian Meyer laut besagtem Artikel bei einer Besichtigung des Einbecker Märchenwaldes. Im gleichen Ar- tikel findet sich zudem die Aussage: „Den finanziellen Verlust müsse man durchaus sehen, und ergänzend stelle sich die Frage, wie die verbleibenden 90 % bewirtschaftet würden.“ Waldbesitzer und Waldbesitzerverbände führen gleichzeitig an, dass eine Flächenstilllegung zu ei- ner getrennten Waldwirtschaft führen könne. Sie fürchten um den Verlust der Akzeptanz ihrer Ar- beitsweise in der Politik und in der Bevölkerung. Zusätzlich kritisieren sie die Pläne Meyers mit dem Argument, dass sorgfältig bewirtschaftete Flächen in Deutschland zulasten weniger nachhaltig be- wirtschafteter Waldflächen im Ausland aus der Bewirtschaftung genommen würden. „In einem der Länder mit dem höchsten Rohstoffverbrauch lassen wir unsere Ressourcen - über Jahrhunderte gepflegt - ungenutzt und bedienen uns … Holzes aus anderen Ländern. Welch ein ,Holzweg’“, kriti- siert Dirk Schäfer, Landesvorsitzender des Bundes deutscher Forstleute (BdF). Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Aus welchen Gründen plant die Landesregierung eine Stilllegung von 10 % der Landesforst- flächen? 2. Welche Bedeutung hat die Aussage: „Den finanziellen Verlust müsse man durchaus sehen“? Plant die Landesregierung Ausgleichszahlungen für stillgelegte Waldflächen? 3. Welche Art von Bewirtschaftung schlägt die Landesregierung für die verbleibenden, nicht still- gelegten 90 % der Waldflächen vor? 4. Wie will die Landesregierung den Waldbesitzern eine Planungssicherheit bieten, wenn diese fürchten, einen Teil ihrer Fläche kurzfristig aus der Bewirtschaftung nehmen zu müssen? 5. Wie ist nach Meinung der Landesregierung die Kritik der Waldbesitzer und Waldbesitzerver- bände zu sehen, die eine getrennte Waldwirtschaft fürchten? 6. Warum sollen nach Meinung der Landesregierung nachhaltig bewirtschaftete Flächen in Deutschland stillgelegt werden, wenn daraufhin gleichzeitig Holz aus dem Ausland importiert werden muss, das unter weniger guten Umweltschutzbedingungen erzeugt wurde? (An die Staatskanzlei übersandt am 02.06.2014 - II/725 - 762) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1959 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 02.09.2014 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 405–02261/8-86 - Im Oktober 2007 veröffentlichte die Bundesregierung die „Nationale Strategie zur biologischen Vie l- falt“ (NBS) zur Umsetzung des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt in Deutschland. Übergeordnetes Ziel ist es, den weltweiten Trend zum Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhal- ten und umzukehren. Hierzu sollen auch Wälder in Deutschland einen Beitrag leisten. Sie beher- bergen die naturnächsten terrestrischen Lebensräume mit einer Fülle von Tier- und Pflanzenarten und einem äußerst vielfältigen Genpool. Die Bundesregierung hat sich in der NBS zum Ziel gesetzt, bis 2020 einen Flächenanteil von Wäl- dern mit natürlicher Waldentwicklung auf 5 % der Waldfläche (entsprechend 570 000 ha) zu errei- chen, um ohne Einflussnahme des Menschen die dauerhaft ungestörte Entwicklung natürlicher Prozesse zu gewährleisten. Ungenutzte Wälder sind schon jetzt integraler Teil einer multifunktiona- len Forstwirtschaft. Aufgrund der Vorbildfunktion des Staates will die Bundesregierung das 5-%-Ziel vorrangig durch die natürliche Waldentwicklung auf 10 % der Waldfläche der öffentlichen Hand er- reichen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Landesregierung teilt die Ziele und Maßnahmen der Strategie für biologische Vielfalt des Bun- des. Sie will bei der Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt auch in der Wald- politik mitwirken und den Anteil von Wäldern mit natürlicher Entwicklung (NWE) auf 10 % der Flä- che der Niedersächsischen Landesforsten erhöhen. Die Voraussetzungen für einen qualifizierten Beitrag gerade auch des Landeswaldes zur NBS sind daher besonders gut. Aufbauend auf den Ergebnissen des 2013 abgeschlossenen bundesweiten Forschungs- und Ent- wicklungsvorhabens „Natürliche Waldentwicklung (5 %) als Ziel der Nationalen Strategie zur biolo- gischen Vielfalt“ wird die Landesregierung bis Jahresende 2014 eine konsolidierte Kernbilanz veröffentlichen . Die bestehende Lücke zur Erreichung des 10-%-Zieles im Jahr 2020 soll dann im Jahr 2015 durch Auswahl besonders geeigneter Flächen mittels einer Zukunftsbilanz geschlossen wer- den. Zu 2: Der Verzicht auf forstliche Nutzung, insbesondere auf Holzeinschlag und -verkauf, kann für den öf- fentlichen Wald mit Mindereinnahmen und Mehraufwendungen verbunden sein, die zurzeit noch nicht beziffert werden können. Vom Nutzungsverzicht können auch Flächen mit bereits jetzt einge- schränkter oder besonders naturschutzorientierter Bewirtschaftung betroffen sein (z. B. Steilhänge, nicht begehbarer Wald, Naturschutzgebiete, Natura 2000-Flächen, ökologisch besonders wertvolle „Hot-Spots“). Ausgleichszahlungen für Nutzungsverzichte auf NWE-Flächen im Landeswald sind absehbar nicht vorgesehen. Finanzielle Mindereinnahmen und gegebenenfalls administrativer Auf- wand belasten im Wesentlichen den Forstwirtschaftsbetrieb der Niedersächsischen Landesforsten mit der Folge geschmälerter Jahresergebnisse. Zu 3: Für die bewirtschafteten Flächen der Anstalt Niedersächsische Landesforsten ist das seit 23 Jahren praktizierte Regierungsprogramm „Langfristige ökologische Waldentwicklung“ (LÖWE) der multi- funktionalen, naturschutzorientierten und gleichzeitig auch wirtschaftlich erfolgreichen Waldbewirt- schaftung in Verbindung mit der gesetzlichen Vorgabe zur naturnahen Waldbewirtschaftung (ge- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1959 3 mäß § 15 Abs. 3 NWaldLG) verbindlich. Auch dieses erfolgreiche Programm unterliegt einer stän- digen Weiterentwicklung. Zu 4: Durch die Aussagen des Bundes und des Landes gibt es Planungssicherheit. Die Aussagen des Ministers beziehen sich auf den Landeswald, verbindlich Flächen für das NWE-Programm bereitzu- stellen. Hier handelt das Land in seiner „Eigentümerrolle“ und als Vorbild, um andere Waldbesitzar- ten zur Nachahmung zu animieren. Zu 5: Die Befürchtungen der Waldbesitzer und Waldbesitzerverbände sind unbegründet. Bei der Auswahl der NWE-Flächen im Landeswald stehen die naturschutzfachlich bestgeeigneten Flächen im Fo- kus. Sie werden sich harmonisch in das Netz der bereits jetzt vorhandenen Flächen mit besonderer Naturschutzbestimmung einfügen. Im Landeswald mit seiner besonderen Gemeinwohlverpflichtung erfolgt die Umsetzung im Rahmen der waldrechtlichen Vorgaben sowie des Gesetzes über die An- stalt Niedersächsischer Landesforsten. Eine Segregation von Naturschutz und Holzproduktion innerhalb einer Waldbesitzart oder gar zwi- schen den Eigentumsarten öffentlicher und privater Waldbesitz lehnt die Landesregierung ab. Leit- bild für die Waldwirtschaft in Niedersachsen bleibt eine multifunktionale Forstwirtschaft auf ökologi- scher Grundlage. Innerhalb derer kann einzelnen Waldfunktionen lokal und begründet ein Vorrang eingeräumt werden. Zu 6: Dem Bund und dem Land geht es mit dem eigenen Beitrag auch um einen Erfolg im internationalen Schutz und Erhalt der biologischen Vielfalt. Deutschland und die EU können schlecht die Nichtnut- zung tropischer oder borealer Urwälder in anderen Ländern fordern und selbst noch nicht einmal 5 % ihrer eigenen Waldflächen einer natürlichen Entwicklung überlassen. Der Anteil des Landeswaldes am niedersächsischen Gesamtwald beträgt 29 %. Ein Beitrag zur NBS in Höhe von 10 % des Landeswaldes entspricht 2,9 % der Gesamtwaldfläche Niedersachsens (rund 33 500 ha). Dieser zu erwartende zusätzliche Nutzungsverzicht im Landeswald wird im globa- len Kontext keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Arbeitsbedingungen in Ländern mit weniger hohen Standards haben, da sich Holzvorräte und Nutzungsmöglichkeiten in Deutsch- land in den vergangenen Jahren weiter verbessert haben und dies auch mittelfristig so bleiben wird. Christian Meyer (Ausgegeben am 23.09.2014) Drucksache 17/1959 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Ingrid Klopp, Lutz Winkelmann und Frank Oesterhelweg (CDU), einge-gangen am 26.05.2014 10 % Flächenstilllegung in Landesforsten? Antwort der Landesregierung