Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/1998 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 15.07.2014 Dashcams für Autofahrer - Datenschutz gewährleistet? Die in Deutschland durch Videos von Meteoriteneinschlägen in Russland bekannt gewordenen so- genannten Dashcams erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Dashcams sind Videoaufnahmege- räte, die in der Regel an der Windschutzscheibe oder auf dem Armaturenbrett befestigt werden. Hauptzweck der Videokameras ist die Beweissicherung im Falle eines Unfalls. Datenschutzrechtlich sind die Dashcams im Straßenverkehr zweifelhaft. Die im Düsseldorfer Kreis zusammengeschlossenen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder kamen in ih- rer Sitzung im Februar dieses Jahres zu dem Ergebnis, dass Dashcams im Straßenverkehr aus da- tenschutzrechtlicher Perspektive unzulässig seien. Begründet wird die Ablehnung mit § 6 b Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 des Bundesdatenschutzgesetzes. Dieses lege als Voraussetzung für die Zulässigkeit von Videoaufzeichnungen einen konkret festge- legten Zweck in Verbindung mit einem berechtigten Interesse fest. Schutzwürdige Interessen der Betroffenen dürften außerdem nicht überwiegen. Da Dashcams den Verkehr generell, permanent und ohne konkreten Anlass aufzeichneten, die Betroffenen von der Überwachung keine Kenntnis erhielten und sich dieser auch nicht entziehen könnten, seien Dashcams nicht mit geltendem Da- tenschutzrecht vereinbar. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung den Einsatz sogenannter Dashcams in Privatfahrzeugen im Straßenverkehr? 2. Wie bewertet die Landesregierung die datenschutzrechtliche Position des Düsseldorfer Krei- ses? 3. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit, durch Dashcams Verkehrsunfälle aufzu- klären? 4. Inwiefern sind der Landesregierung konkrete Einzelfälle bekannt, bei der eine Dashcam zur Unfallaufklärung beigetragen hat? 5. Werden bei Dienstfahrzeugen der niedersächsischen Kommunen und des Landes Nieder- sachsen, etwa der Polizei, sogenannte Dashcams eingesetzt? (An die Staatskanzlei übersandt am 21.07.2014 - II/725 - 853) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 11.09.2014 für Inneres und Sport - 34.26 – 01425/N - Der Einsatz sogenannter Dashcams ist bereits aus anderen Ländern bekannt und wird inzwischen laut Medienberichten auch in Deutschland immer häufiger praktiziert. Als Dashcam wird üblicher- weise eine Videokamera bezeichnet, die auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe von Fahrzeugen befestigt ist und die während der Fahrt permanent den Straßenverkehr aufzeich- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1998 2 net. Der Zweck der Aufzeichnung ist hauptsächlich, bei eventuellen Unfällen Beweismittel für die Schadensregulierung und die Klärung von Haftungsfragen bereitzuhalten. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Beim Einsatz von Dashcams handelt es sich datenschutzrechtlich um eine Videoüberwachung (VÜ). Die Zulässigkeit einer solchen VÜ bestimmt sich für nicht öffentliche Stellen und auch für Pri- vatpersonen nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Gemäß § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die VÜ öffentlich zugänglicher Räume nur zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interes- sen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen, d. h. der beobachteten Personen, überwiegen. Jede Person hat ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung über ihre Daten, so auch über Bildaufnahmen ihrer Person. Beim Einsatz von Dashcams müssten alle Teilnehmerinnen und Teil- nehmer am Straßenverkehr jederzeit damit rechnen, dass von ihnen Bildaufnahmen gefertigt, ge- speichert und gegebenenfalls weiter verarbeitet werden, ohne dass sie Kenntnis davon hätten oder dies beeinflussen könnten. Insbesondere würde kaum die Möglichkeit bestehen, sich dieser VÜ zu entziehen. Allen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern würde ferner unterstellt, poten- zielle Verursacherinnen und Verursacher eines Unfalls zu werden. Unter dem Eindruck einer latent allgegenwärtigen Überwachung würde das Verhalten dieser Verkehrsteilnehmerinnen und Ver- kehrsteilnehmer im öffentlichen Raum wesentlich beeinflusst und damit auch ihr Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit beeinträchtigt. Dagegen steht das Interesse der Betreiberinnen und Betreiber von Dashcams, einen möglichen Unfall mit ihrem Kfz zu erfassen und die Bildaufzeichnungen für die Beweisführung über den Unfall zu verwenden. Dieses Interesse bezieht sich im Verhältnis zum gesamten Verkehrsaufkommen auf den statistisch eher seltenen Fall eines Unfalls gerade der Verkehrsteilnehmerin oder des Ver- kehrsteilnehmers mit Dashcam, für die oder den die Daten bereits höchst vorsorglich erhoben wer- den sollen. Insoweit überwiegt das Grundrecht der beobachteten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteil- nehmer gegenüber dem Interesse des Einzelnen an der VÜ. Im Übrigen wäre die dauerhafte VÜ ein unverhältnismäßiges Mittel, um den gewünschten Zweck zu erreichen. Auch ist mit dem Einsatz von Dashcams nicht gewährleistet, dass die erhobenen Daten tatsächlich für eine Beweisführung geeignet sein werden und die Maßnahme tatsächlich ihren Zweck erfüllt. Der dargestellte Einsatz von Dashcams zum Zwecke einer möglichen Beweisführung nach einem Unfall wäre somit insge- samt datenschutzrechtlich unzulässig. Auch wären bei einer als zulässig unterstellten VÜ mittels Dashcams gemäß § 6 Abs. 2 BDSG die Maßnahme selbst sowie die für die Maßnahme verantwortliche Stelle kenntlich zu machen, damit sich die Personen im Umfeld der VÜ darauf einstellen und sich gegebenenfalls an die verantwortli- che Stelle wenden könnten, um ihre Rechte wie z. B. das Verlangen der Löschung der über sie er- hobenen Daten wahrnehmen zu können. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen ist bei einer VÜ im fließenden Straßenverkehr praktisch nicht möglich. Zu 2: Die Position der Datenschutzbehörden für den nicht öffentlichen Bereich (Düsseldorfer Kreis) wird geteilt. Zu 3: Verkehrsunfälle resultieren in der Regel aus einer Missachtung von Verhaltensvorschriften. Vor diesem Hintergrund findet eine polizeiliche Verkehrsunfallaufnahme insbesondere im Rahmen der Verfolgung von Straßenverkehrsdelikten und Verkehrsordnungswidrigkeiten statt. Zudem erfolgt die polizeiliche Unfallaufnahme auf der Grundlage des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentli- che Sicherheit und Ordnung zur Sicherung privater Schadensersatzansprüche, wenn die Rechts- verwirklichung ohne polizeiliche Hilfe vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Die unfall- aufnehmenden Polizeibeamtinnen und -beamten haben die Personalien der möglichen Beteiligten und Zeugen des Unfalls festzustellen, den Unfallhergang zu klären sowie potenzielle Beweismittel Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/1998 3 sicherzustellen. Dazu können in Einzelfällen auch Dashcam-Aufnahmen gehören, wobei jedoch auf die o. Antworten zu Fragen 1 und 2 zu verweisen ist. Zu 4: Nach Berichterstattung der niedersächsischen Polizeidirektionen haben private Dashcams bei der Unfallaufklärung bisher nur in einigen wenigen Fällen eine Rolle gespielt. Bei den geschilderten Fällen handelte es sich allerdings überwiegend um schwere Verkehrsunfälle mit Personenschäden, bei denen die Videoaufnahmen zur Aufklärung des Hergangs beigetragen haben. Zu 5: Zum Einsatz von Dashcams bei den Kommunen liegen keine Erkenntnisse vor. Die Fahrzeuge des zentralen Fahrdienstes des Landes sowie die Dienstfahrzeuge der niedersäch- sischen Polizei sind nicht mit Dashcams ausgestattet. Boris Pistorius (Ausgegeben am 24.09.2014) Drucksache 17/1998 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 15.07.2014 Dashcams für Autofahrer - Datenschutz gewährleistet? Antwort der Landesregierung