Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2008 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Jan-Christoph Oetjen, Hillgriet Eilers, Almuth von Below- Neufeldt, Björn Försterling und Christian Dürr (FDP), eingegangen am 19.06.2014 Medizinische Versorgung von Asylbewerbern Das Asylbewerberleistungsgesetz regelt u. a. auch die Krankenversorgung (§ 4 AsylbLG, § 6 AsylbLG). Die Regelungen zur medizinischen Versorgung machen aber in der Praxis oft Schwierig- keiten. Nach Angaben des Flüchtlingsrates tun manche Ärzte nicht alles, was nötig wäre. Manche Sozialämter lehnen Anträge ab oder schicken Flüchtlinge, die um einen Krankenschein bitten, wie- der weg, weil sie meinen, dass die Krankheit nicht akut, sondern chronisch sei. Manchmal scheitert eine Behandlung auch schlicht an der Sprachbarriere. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wer ist für die medizinische Erstuntersuchung der Flüchtlinge vor bzw. unmittelbar nach der Aufnahme zuständig? 2. Wie gestaltet sich die personelle und technische Ausstattung der für die Erstuntersuchung zu- ständigen Stelle? 3. Wie hat sich die Zahl der Erstuntersuchungen von Flüchtlingen in den Jahren 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 (bis zum Stichtag 01.06.) entwickelt? 4. Wie viele Patientenkontakte hatten die zuständigen Mediziner in den Jahren 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 (bis zum Stichtag 01.06.)? 5. Welche Probleme traten bei der a) Untersuchung und b) Behandlung der Patienten auf? 6. Gibt es Überlegungen, die Erstuntersuchungen in den Aufnahmeeinrichtungen, bei denen es in erster Linie um die Erkennung von Infektionskrankheiten, die eine Gefährdung der Deut- schen Bevölkerung darstellen könnten, geht, auszuweiten auf eine vollständige Untersuchung mit Anamnese, bei der a) Vorerkrankungen und Behandlungsbedarf geklärt werden und b) Hinweise auf psychische Traumastörungen gewonnen werden? 7. Sofern dies nicht der Fall ist, welche Gründe sprechen dagegen? 8. Inwiefern wird bei der Auswahl der die Flüchtlinge untersuchenden Mediziner darauf geachtet, dass diese auch über Grundkenntnisse interkultureller Kommunikation und Kompetenz verfü- gen (bitte für die unterschiedlichen Fachbereiche - Kinderarzt, Allgemeinmediziner, Zahnärzte, Gynäkologen, etc. - angeben)? 9. Wie hat sich die Zahl der durch die Amtsärzte in den einzelnen Landkreisen durchgeführten Untersuchungen in den Jahren 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 (bis zum Stichtag 01.06.) entwickelt? 10. Welche Probleme traten hier bei der a) Untersuchung und b) Behandlung der Patienten auf? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2008 2 11. In wie vielen Fällen wurden Erkrankungen festgestellt, die a) ambulante und b) stationäre Behandlungen nach sich zogen? 12. Inwieweit sind die aufnehmenden Krankenhäuser auf die Behandlung von Flüchtlingen vorbe- reitet? 13. Welche Kosten sind den Kostenträgern für die medizinische Behandlung von Flüchtlingen im Zeitraum 2007 bis 2014 entstanden (bitte nach Jahren und Trägern auflisten)? 14. Welche Initiativen hat die Landesregierung gemeinsam mit den Landkreisen und Kommunen in der aktuellen Legislaturperiode gestartet, um die medizinische Versorgung von Asylbewer- bern zu verbessern, und welche Fortschritte wurden bislang erzielt? (An die Staatskanzlei übersandt am 27.06.2014 - II/725 - 796) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 11.09.2014 für Inneres und Sport - 62.15 - 01425 - Die Durchführung des AsylbLG und damit auch die Gewährung medizinischer Hilfe ist in Nieder- sachsen den Landkreisen, kreisfreien Städten und der Region Hannover als Pflichtaufgabe zur Er- füllung nach Weisung übertragen worden. Die medizinische Versorgung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, geduldeten, ausreise- pflichtigen Personen und Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, de- ren Aufenthalt zunächst nur von vorübergehender Dauer ist, ist maßgeblich in den Bestimmungen der §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) geregelt. Danach sind die zur Be- handlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Be- handlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstige zur Gene- sung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderliche Leis- tungen zu gewähren. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt, soweit dies im Einzelfall aus medizi- nischen Gründen unaufschiebbar ist. Werdenden Müttern und Wöchnerinnen sind ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel zu gewähren. Die zuständige Behörde stellt ferner gemäß § 4 AsylbLG die ärztliche und zahnärztliche Versor- gung einschließlich der amtlich empfohlenen Schutzimpfungen und medizinisch gebotenen Vorsor- geuntersuchungen sicher. Ergänzt werden diese Regelungen durch § 6 AsylbLG, wonach sonstige Leistungen insbesondere gewährt werden können, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung der Ge- sundheit unerlässlich sind. Von den medizinischen Leistungen nach §§ 4 und 6 AsylbLG zu unterscheiden ist die Gesund- heitsuntersuchung nach § 62 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG), auf die sich, im Gegensatz zu der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage, die Fragen überwiegend beziehen. Nach dieser Vorschrift sind Ausländerinnen und Ausländer, die in einer Aufnahmeeinrichtung oder Gemeinschaftsunter- kunft zu wohnen haben, verpflichtet, eine ärztliche Untersuchung auf übertragbare Krankheiten ein- schließlich einer Röntgenaufnahme der Atmungsorgane zu dulden. Die oberste Landesgesund- heitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle bestimmt den Umfang der Untersuchung und die Ärztin oder den Arzt, die oder der die Untersuchung durchführt. Das Ergebnis ist der für die Unter- bringung zuständigen Behörde mitzuteilen (§ 62 Abs. 2 AsylVfG). Personen, die in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht sind, sind mitunter auch wegen der en- gen Wohnbedingungen grundsätzlich einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Die Gesund- heitsuntersuchung nach § 62 Abs. 1 AsylVfG dient daher dem Ausschluss von übertragbaren Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2008 3 Krankheiten mit dem Ziel, andere in der Einrichtung lebende Personen sowie die Betreuenden und Bediensteten vor Infektionen und den hierdurch drohenden Gefahren zu schützen. Zu diesem Zweck wird eine körperliche Untersuchung durchgeführt, einschließlich einer Blutentnahme für eine labordiagnostische Untersuchung auf bestimmte Krankheiten. Der zurzeit gültige Katalog der vorzunehmenden Untersuchungen soll nach dem Willen der Lan- desregierung in Kürze aktualisiert werden. Mit Blick auf verschiedene mögliche Krankheitsge- schehnisse in Aufnahmeeinrichtungen soll zukünftig die serologische Bestimmung der impfpräven- tablen Krankheiten Masern, Röteln und Varizellen erfolgen. Die bisher angeordneten labordiagnos- tischen Untersuchungen auf Lues und Hepatitis B sollen im Gegenzug entfallen. Damit rücken Er- krankungen in den Fokus, die weitestgehend verhaltensunabhängig sowie leicht übertragen werden und daher für ein sogenanntes Ausbruchsmanagement in den Aufnahmeeinrichtungen und auch für ein eventuelles Impfangebot von Bedeutung sind. Bezüglich der Röntgenaufnahme der Atmungsorgane wird § 62 Abs. 1 AsylVfG durch die Bestim- mungen in § 36 Abs. 4 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) konkretisiert und erweitert. Danach ha- ben Personen, die in eine entsprechende Einrichtung aufgenommen werden sollen, vor oder un- verzüglich nach ihrer Aufnahme ein ärztliches Zeugnis darüber vorzulegen, dass bei ihnen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer ansteckungsfähigen Lungentuberkulose vorhanden sind. Das Zeugnis muss sich auf eine in der Bundesrepublik Deutschland gefertigte Röntgenaufnahme, bei Schwangeren und Jugendlichen, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, auf sonstige Befunde stützen. Das IfSG schreibt damit für den o. a. Personenkreis eine Röntgenaufnahme ver- pflichtend und bundeseinheitlich vor. Die Landesregierung ist davon überzeugt, dass die Ärztinnen und Ärzte auch bei der medizinischen Versorgung und Behandlung von Flüchtlingen wie sonst auch entsprechend ihrem Berufsethos al- les Notwendige tun, um die Gesundheit ihrer Patientinnen und Patienten wieder herzustellen oder zu erhalten. Darüber, dass Sozialämter Behandlungen von Flüchtlingen ablehnen oder Flüchtlinge, die um einen Behandlungsschein bitten, wieder wegschicken, weil sie meinen, dass die Krankheit nicht akut, sondern chronisch sei, ist der Landesregierung nichts bekannt. Zutreffend ist, dass sich die Untersuchungen und Behandlungen aufgrund von Verständigungsproblemen bisweilen schwie- rig gestalten. Darüber dass Behandlungen allein an der Sprachbarriere gescheitert wären, liegen jedoch keine Erkenntnisse vor. Daneben ist vorgesehen, die Krankenkosten für syrische Flüchtlinge, die aufgrund der niedersäch- sischen Aufnahmeanordnung nach Niedersachsen gekommen sind, zu übernehmen, um die Ver- pflichtungsgeber zu entlasten (Drucksache 17/1615). Weiterhin werden derzeit mit den kommunalen Spitzenverbänden erste Gespräche im Hinblick auf eine Erhöhung der Kostenpauschale nach dem Aufnahmegesetz geführt. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Gesundheitsuntersuchung nach § 62 Abs. 1 AsylVfG einschließlich der Röntgenuntersuchun- gen für Ausländerinnen und Ausländer, die in die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes am Stand- ort Braunschweig aufgenommen werden, wird von Ärztinnen und Ärzten des Gesundheitsamtes der Stadt Braunschweig durchgeführt. Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die in die Erstaufnahme- einrichtung des Landes am Standort Grenzdurchgangslager Friedland aufgenommen werden, wer- den von Ärztinnen und Ärzten der „Evangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende gGmbH“ und der „Gesundheitspark Lenglern gGmbH“ untersucht. Die am Standort der neuen Erstaufnahmeein- richtung in Bramsche durchzuführenden Untersuchungen werden demnächst europaweit ausge- schrieben. Die Verdingungsunterlagen sind in Vorbereitung. Bis zur Vergabe werden die Röntgen- untersuchungen und Blutentnahmen durch Ärztinnen und Ärzte der Niels-Stensen-Klinik Bramsche durchgeführt. Die im Rahmen der Erstuntersuchungen durchzuführenden körperlichen Untersu- chungen führt ein niedergelassener Arzt aus Bramsche durch. Zu 2: Bei der Stadt Braunschweig werden die Gesundheitsuntersuchungen von insgesamt fünf Ärztinnen und Ärzten vorgenommen, die je nach dem konkreten Bedarf eingesetzt werden. Daneben stehen Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2008 4 zwei Medizinisch-technische Assistentinnen zur Sicherstellung der Untersuchungen zur Verfügung. Diese werden in geringem Umfang auch in anderen Bereichen eingesetzt. Die Gesundheitsunter- suchungen werden in einem Dienstgebäude der Stadt Braunschweig durchgeführt. Die Stadt Braunschweig verfügt über ein rund 30 Jahre altes Röntgengerät, mit dem die nach dem IfSG vor- geschriebene Röntgenaufnahme gefertigt wird. Noch in diesem Jahr soll eine digitale Röntgenanla- ge beschafft werden. Die „Gesundheitspark Lenglern GmbH“ führt die körperlichen Untersuchungen der Asylbewerberinnen und Asylbewerber durch, die in die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes am Standort Grenz- durchgangslager (GDL) Friedland aufgenommen werden. Die Untersuchungen werden von einem Arzt oder einer Ärztin durchgeführt. Der Arzt bzw. die Ärztin wird jeweils von einer oder einem Me- dizinischen Fachangestellten unterstützt. Die Untersuchungen werden in den Räumlichkeiten der „Evangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende gGmbH“ durchgeführt, ein freigemeinnütziges Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung mit entsprechender Ausstattung, das im Nieder- sächsischen Krankenhausplan als zugelassenes Krankenhaus geführt wird. Für die Untersuchun- gen stehen ein Warteraum, ein Vorbereitungsraum und ein Behandlungszimmer zur Verfügung. Die Röntgenuntersuchungen werden von der „Evangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende gGmbH“ erbracht. Insgesamt stellen fünf Ärztinnen und Ärzte sowie 14 Medizinisch-technische Ra- diologieassistentinnen und -assistenten die Untersuchungen sicher. Hinzu kommen insgesamt vier Personen, die im Bereich der verwaltungsmäßigen Abwicklung tätig sind. Zur konkreten Durchfüh- rung der Röntgenuntersuchung sind jeweils zwei Medizinisch-technische Radiologieassistentinnen und -assistenten sowie eine Person im ärztlichen Dienst tätig. Die Röntgenuntersuchungen werden innerhalb der Räumlichkeiten der Abteilung Klinische Radiologie mit gesondertem Wartebereich, Umkleidekabinen und dem Untersuchungsraum vorgenommen. Der Röntgenraum ist mit einem Multifunktions-Röntgenarbeitsplatz mit Thoraxwandstand ausgestattet. Das verwendete Röntgen- gerät wurde im Jahr 2001 beschafft, die Digitalisierung des konventionellen Röntgenbetriebes wur- de im Juni 2010 realisiert. Zu 3: Die Zahl der Erstuntersuchungen hat sich an den Standorten der Landesaufnahmebehörde Nieder- sachsen (LAB NI) wie folgt entwickelt: Standort Braunschweig in der Zeit von 2007 bis 2014: Jahr Erstuntersuchungen gemäß § 62 AsylVfG 2007 451 2008 487 2009 884 2010 2 053 2011 2 286 2012 3 192 2013 4 769 2014 1 440 (Stand: 31.03.2014) Standort GDL Friedland 2011 bis 2014*: Jahr Erstuntersuchungen gemäß § 62 AsylVfG 2011 1 370 2012 2 304 2013 3 518 2014 1 567 (Stand: 31.05.2014) * Der Standort GDL Friedland wird erst seit dem 01.11.2011 als Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende genutzt . Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2008 5 Standort Bramsche*: Zeitraum: Erstuntersuchungen gemäß § 62 AsylVfG: 01.07.2013 bis 30.06.2014 2 464 * Der Standort Bramsche wird erst seit dem 21.05.2014 als Erstaufnahmeeinrichtung genutzt; zuvor nur in Ausnahmefällen vorübergehend bei Bedarf, sofern die Erstaufnahmen in Friedland und Braunschweig ausgelastet waren. Zu 4: Die Zahl der Patientenkontakte ist statistisch nicht an allen Standorten gleichermaßen erfasst wor- den, da es zu Abrechnungszwecken oder sonstigen Gründen nicht erforderlich war, diese Kontakte zu dokumentieren. Genaue Daten hierzu liegen also nicht vor. Zu 5 a und b: Das Gesundheitsamt der Stadt Braunschweig berichtet über immer wieder auftretende Schwierig- keiten bei der sprachlichen Verständigung. Aufgrund der Vielzahl der Herkunftsländer und der da- mit verbundenen Sprachenvielfalt sei es auch nicht möglich, dauerhaft entsprechende Dolmetsche- rinnen und Dolmetscher vorzuhalten und einzusetzen. Die Untersuchungen seien dennoch gut durchführbar, weil sich die Bediensteten intensiv um eine gute Kommunikation mit den Asylbewer- berinnen und Asylbewerbern bemühen. Dies gilt auch bei Arztbesuchen oder Krankenhausaufenthalten, bei denen zur Untersuchung und Behandlung in der Regel eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher in der jeweiligen Landesspra- che des Flüchtlings hinzuzuziehen ist, sofern der Flüchtling nicht an Ärztinnen und Ärzte verwiesen werden kann, die die Heimatsprache des Flüchtlings, etwa Arabisch oder Persisch, sprechen. Bei Untersuchungen und Behandlungen der Flüchtlinge wird auf kulturelle und ethnische Beson- derheiten und damit auf die Auswahl der Ärztin bzw. des Arztes Rücksicht genommen. Gynäkologi- sche Untersuchungen werden auf Bitte der Patientinnen fast ausschließlich von Frauenärztinnen durchgeführt. Viele Flüchtlinge können ihr Krankheitsbild und ihre Beschwerden nicht eindeutig beschreiben. Oftmals wird von den Patientinnen und Patienten lediglich berichtet, dass der „ganze Körper“ schmerzen würde, was die Diagnose durch den Arzt oder die Ärztin erschwert. Körperliche Krank- heitssymptome, die schwer einzugrenzen sind, können auch auf eine psychische Belastung, etwa eine posttraumatische Belastungsstörung hindeuten. Einige Flüchtlinge erwarten von den Ärztinnen und Ärzten oftmals eine schnelle medikamentöse Behandlung, wie es in einigen Herkunftsländern etwa durch eine frühzeitige Antibiotika-Gabe üblich ist. Bei einfachen grippalen Infekten geben sich daher einige Patientinnen und Patienten mit ärztli- chen Ratschlägen, wie Bettruhe, viel Trinken etc. nicht zufrieden. Die Anamnese der Krankheitsgeschichte wird durch das Fehlen von Befundberichten aus dem Heimatland erschwert. Viele Patientinnen und Patienten können auch nicht beschreiben, welche medizinischen Maßnahmen bisher in ihrem Heimatland durchgeführt wurden. Dadurch gestaltet sich die Weiterbehandlung in Deutschland unter Umständen schwierig. Impfungen, die im Heimatland des Flüchtlings durchgeführt wurden, sind oftmals wegen fehlender Impfpässe nicht dokumentiert. Dies kann im Einzelfall zu einer Impf-Überversorgung führen. Zu 6 und 7: Nach § 62 Abs. 1 AsylVfG sind Ausländerinnen und Ausländer, die in einer Aufnahmeeinrichtung oder Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen haben, lediglich verpflichtet, eine ärztliche Untersuchung auf übertragbare Krankheiten einschließlich einer Röntgenaufnahme der Atmungsorgane zu dul- den. Eine Ausweitung auf eine vollständige Untersuchung im Sinne der Fragestellung wäre von der gesetzlichen Ermächtigung im AsylVfG nicht hinreichend gedeckt und würde folglich zu einem un- zulässigen Eingriff in das verfassungsrechtlich verankerte Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Personen führen. Es gibt daher keine Überlegungen, die Untersuchungen auszuweiten. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2008 6 Zu 8: Die Untersuchungsleistungen für Personen, die in die Aufnahmeeinrichtung des Landes am Stand- ort Grenzdurchgangslager Friedland aufgenommen werden, wurden zuletzt im Jahr 2012 in einem EU-weiten Vergabeverfahren vergeben. Besondere interkulturelle Kompetenzen sind im Rahmen der Ausschreibung nicht gefordert worden. Für die Leistungsbeschreibung maßgeblich waren viel- mehr solche Anforderungen, die eine ordnungsgemäße Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe in Zu- sammenarbeit mit der Landesaufnahmebehörde gewährleisten. Weil die Untersuchungsleistungen nur direkt vor Ort in der Aufnahmeeinrichtung oder in angemessen erreichbarer Nähe erbracht wer- den können, war anzunehmen, dass die Zahl der potenziellen Anbieterinnen und Anbieter über- schaubar ist. Auch um die Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe nicht zu gefährden, sind daher keine über das allgemein übliche Maß hinausgehenden interkulturellen Kenntnisse erwartet worden. Personen, die in die Aufnahmeeinrichtung des Landes am Standort Braunschweig aufgenommen werden, werden seit Jahren von den Ärztinnen und Ärzten des Gesundheitsamtes der Stadt Braun- schweig untersucht. Aufgrund der langjährigen Aufgabenwahrnehmung verfügen die dort tätigen Ärztinnen und Ärzte und das sonstige medizinische Personal über umfassende Kenntnisse im Um- gang mit den zu untersuchenden Flüchtlingen, die auch eine kultursensible und auf die individuelle sprachliche Kompetenz eingehende Kommunikation umfassen. Die Bediensteten werden außer- dem entsprechend geschult. Ärztliches Handeln setzt stets gute Kommunikationsfähigkeiten und Einfühlungsvermögen für die besonderen Lagen der Patientinnen und Patienten voraus. Die Ärzteschaft hat bereits selbst er- kannt, dass es auch in einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft unverzichtbar ist, sich dem Thema einer kultursensiblen Gesundheitsversorgung verstärkt anzunehmen. Schulungen zu Kul- tursensibilität in der ärztlichen Gesprächsführung und interkulturelle Fragen der gesundheitlichen Versorgung haben daher bereits Eingang in die ärztliche Aus-, Weiter- und Fortbildung gefunden. Die Landesregierung hält dies für einen guten Weg, um sprachliche Barrieren weiter abzubauen und kulturelle Besonderheiten bei der medizinischen Versorgung von Menschen mit Zuwande- rungsbiographie, einschließlich Flüchtlinge besser zu berücksichtigen. Zu 9: Eine entsprechende Abfrage bei den in Niedersachsen für das AsylbLG zuständigen Landkreisen und kreisfreien Städten hat Folgendes ergeben: Zahl der Untersuchungen durch Amtsärzte 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014* Braunschweig, Stadt k. A. 2 2 0 0 4 4 3 Salzgitter, Stadt k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Wolfsburg, Stadt k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Gifhorn 175 117 79 113 87 116 156 125 Göttingen einschl. Stadt 89 133 124 82 139 109 115 82 Goslar k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Helmstedt 0 0 0 0 0 0 0 0 Northeim 65 65 25 44 62 64 88 113 Osterode am Harz k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Peine 20 20 40 17 18 41 58 33 Wolfenbüttel k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Region Hannover k. A. k. A. k. A. k. A. 150 50 60** k. A. dar. Hannover, Landeshauptstadt Diepholz k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Hameln-Pyrmont 8 16 17 13 25 48 40 23 Hildesheim 28 35 38 37 87 96 55 41 Holzminden k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Nienburg (Weser) 12 10 5 8 5 4 12 4 Schaumburg 3 1 2 3 16 12 12 10 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2008 7 Zahl der Untersuchungen durch Amtsärzte 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014* Celle 9 5 10 14 24 13 34 27 Cuxhaven k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Harburg k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Lüchow-Dannenberg k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Lüneburg 5 5 5 5 5 9 29 42 Osterholz 16 21 16 15 14 9 21 17 Rotenburg (Wümme) k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Heidekreis k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Stade k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. 14 11 Uelzen k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Verden k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Delmenhorst, Stadt k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Emden, Stadt k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Oldenburg (Oldb), Stadt 71 198 363 383 320 315 454 169 Wilhelmshaven, Stadt 12 6 2 9 9 16 22 20 Ammerland k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Aurich k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. Cloppenburg 41 47 49 42 31 20 55 30 Emsland 246 186 197 176 205 158 240 136 Friesland 9 54 23 37 40 26 49 24 Grafschaft Bentheim 11 4 3 7 8 14 27 26 Leer 26 18 5 12 20 12 13 14 Oldenburg 10 9 0 0 4 1 8 8 Osnabrück einschl. Stadt 144 116 85 115 76 64 60 k. A. Vechta 9 14 8 23 24 26 26 13 Wesermarsch 18 17 7 0 9 4 0 1 Wittmund k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. k. A. gesamt 1027 1099 1105 1155 1378 1231 1652 972 Schätzung * bis 01.06. ** bis 31.08. Zu 10 Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. Schwierigkeiten treten in erster Linie aufgrund von Verständigungsproblemen auf. Falls notwendig, werden zur Problemlösung Personen mit ausreichenden Sprachkenntnissen bzw. Dolmetscherin- nen und Dolmetscher herangezogen. Zu 11: Hierzu liegen der überwiegenden Mehrheit der zuständigen Leistungsbehörden keine Erkenntnisse vor. Zu 12: Die Landesregierung geht davon aus, dass in Niedersachsen in den Krankenhäusern die Behand- lung von Patientinnen und Patienten unabhängig von deren Aufenthaltsstatus gesichert ist. Zu 13: Asylbewerberinnen und Asylbewerber erhalten Leistungen für die medizinische Behandlung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). In den jährlichen Statistiken des Landesamtes für Statistik Niedersachsen werden die Aufwendungen für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG er- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2008 8 fasst. Hierzu zählen u. a. die Ausgaben für Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 AsylbLG. Nicht gesondert erfasst in der jährlichen Statistik und deswegen hier nicht darstellbar sind die „Sonstigen Leistungen“, die gemäß § 6 Satz 1 Alt. 2 AsylbLG im Ermessenswege gewährt werden können, wenn sie „zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich“ sind. Hierbei handelt es sich im We- sentlichen um einzelfallbezogene Leistungen, die die nach § 4 AsylbLG zu gewährenden Leistun- gen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt ergänzen. Kostenträger für die medizinische Behandlung von Flüchtlingen in der Landesaufnahmebehörde (LAB NI) mit den Standorten in Braunschweig, Bramsche und Friedland ist das Land. Laut Statistik sind in den Jahren 2007 bis 2013 folgende Ausgaben nach § 4 AsylbLG entstanden: 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 LAB NI 1 449 729 1 712 634 1 817 441 2 115 378 1 845 687 1 660 573 3 079 333 Statistische Werte für 2014 liegen noch nicht vor. Den in Niedersachsen für das AsylbLG zuständigen Landkreisen und kreisfreien Städten sind laut Statistik folgende Ausgaben nach § 4 AsylbLG entstanden: 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Braunschweig, Stadt 79 430 56 927 45 591 35 212 16 354 20 594 24 628 Salzgitter, Stadt 154 529 150 152 188 043 164 552 155 508 240 656 311 484 Wolfsburg, Stadt 412 701 350 554 278 047 290 496 305 681 316 712 345 594 Gifhorn 433 871 362 692 261 960 164 998 263 847 228 160 368 451 Göttingen 1 043 326 582 917 926 236 778 099 496 639 1 090 288 1 114 428 davon Stadt Göttingen 453 083 361 054 520 243 397 113 249 249 696 550 654 768 Goslar 273 198 410 794 339 212 126 597 146 674 222 715 319 452 Helmstedt 234 173 136 199 153 511 157 612 164 742 159 390 410 574 Northeim 183 715 173 451 178 563 333 014 366 620 365 360 511 854 Osterode am Harz 60 529 64 995 16 570 76 212 149 442 139 951 215 100 Peine 323 924 274 308 244 217 241 681 252 906 282 137 685 151 Wolfenbüttel 181 970 206 881 146 576 143 114 142 554 137 523 324 665 Region Hannover 1 702 483 1 794 620 1 434 669 1 402 471 1 726 135 2 231 409 3 343 995 davon Stadt Hannover 624 742 718 005 596 776 645 471 814 455 1 420 461 1 903 532 Diepholz 348 040 390 787 522 035 330 073 265 388 336 774 455 204 Hameln-Pyrmont 242 180 266 118 267 129 210 544 212 795 323 209 450 835 Hildesheim 678 458 541 534 650 243 792 284 817 880 1 254 900 956 731 Holzminden 302 699 285 982 165 859 169 379 173 097 227 656 154 533 Nienburg (Weser) 346 529 209 553 143 612 141 707 74 429 197 378 327 010 Schaumburg 307 620 238 650 108 679 144 939 275 420 350 058 455 284 Celle 650 473 204 095 268 126 175 515 220 654 244 535 370 892 Cuxhaven 845 661 368 921 246 404 323 653 187 653 297 342 372 487 Harburg 225 076 374 635 178 528 195 269 131 849 284 938 389 918 Lüchow- Dannenberg 48 715 46 385 29 618 67 738 49 647 77 378 151 070 Lüneburg 116 222 130 053 175 931 163 102 181 823 193 877 410 208 Osterholz 219 286 142 273 126 361 97 491 53 864 100 647 230 166 Rotenburg 672 912 359 114 327 055 275 722 306 866 272 372 310 865 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2008 9 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 (Wümme) Heidekreis 391 515 300 671 177 041 193 671 238 030 273 189 378 794 Stade 289 146 224 087 285 358 287 222 304 586 320 873 468 736 Uelzen 216 690 135 815 147 898 99 644 136 106 173 370 239 583 Verden 119 907 136 659 179 809 190 851 135 139 202 717 197 769 Delmenhorst, Stadt 18 171 17 587 33 765 43 965 124 165 106 852 99 068 Emden, Stadt 182 008 45 732 127 099 52 112 96 356 150 469 154 538 Oldenburg, Stadt 72 226 59 847 60 355 60 655 121 833 372 546 522 256 Osnabrück, Stadt 68 514 86 118 95 615 146 575 200 691 262 875 307 040 Wilhelmshaven, Stadt 339 880 263 897 162 783 189 005 229 337 162 566 234 970 Ammerland 106 406 194 483 108 321 80 379 73 950 176 958 224 533 Aurich 417 433 326 033 228 941 337 616 308 974 303 345 408 791 Cloppenburg 309 361 243 229 187 743 188 134 192 786 188 442 331 798 Emsland 682 601 535 942 625 234 558 359 642 089 341 094 693 390 Friesland 95 632 284 308 147 051 130 307 131 580 116 571 298 076 Grafschaft Bentheim 73 740 37 785 31 553 33 932 55 189 45 701 255 533 Leer 189 337 150 659 130 083 151 205 224 945 230 376 427 511 Oldenburg 163 793 149 039 75 641 89 623 107 043 126 926 122 778 Osnabrück 661 644 483 990 656 398 702 714 262 945 229 229 253 708 Vechta 164 018 188 631 95 508 132 133 108 492 185 911 66 372 Wesermarsch 130 900 68 486 21 534 23 685 58 778 125 180 124 921 Wittmund 260 546 148 194 48 862 66 734 99 227 72 598 124 682 Statistische Werte für 2014 liegen noch nicht vor. Zu 14: Die Landesregierung prüft die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für Leistungen nach den §§ 4 und 6 AsylbLG analog des sogenannten Bremer Modells. Auf den in den Landtag eingebrachten Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen (Drs. 17/1619) wird verwiesen. Boris Pistorius (Ausgegeben am 25.09.2014) Drucksache 17/2008 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Jan-Christoph Oetjen, Hillgriet Eilers, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling und Christian Dürr (FDP), eingegangen am 19.06.2014 Medizinische Versorgung von Asylbewerbern Antwort der Landesregierung