Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2034 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Heiner Schönecke (CDU), eingegangen am 07.08.2014 Was tut die Landesregierung gegen illegale Sportwetten? Bei der Praxis des Glücksspielrechts in Deutschland bestehen Unklarheiten. Obwohl alle Bundes- länder den neuen Glücksspielstaatsvertrag unterzeichnet haben, weichen Rechtslage und Rechts- praxis voneinander ab. Der neue Glücksspielstaatsvertrag sieht bundesweit 20 Lizenzen für Sport- wetten vor. Das Lizenzierungsverfahren wird federführend vom Land Hessen durchgeführt. Obwohl bereits im Jahr 2012 das Lizenzierungsverfahren begonnen wurde, sind bislang keine Lizenzen er- teilt worden. Das schwebende Lizenzverfahren führt zu rechtlichen Unklarheiten. Besonders in Niedersachsen stehen die örtlichen Behörden vor schwierigen Entscheidungen, da aus dem Fehlen der erforderlichen Genehmigungen nicht zwingend die Untersagung einer solchen Gewerbetätigkeit folgt. Wettbüros von Anbietern, die eine Lizenz beantragt haben, können gegen- wärtig nur schwer geschlossen werden. So hat es in der Stadt Buchholz i. d. N. bereits mehrere Anfragen an die Stadtverwaltung gegeben. Die Stadt konnte mit dem ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten kein Verbot eines Wettbüros durchsetzen. Bei Nachfragen der Stadt in den zuständigen Ministerien gab es die Aussage des damals zuständigen Wirtschaftsministeriums vom 23. September 2013: „Zu Ihrer Anfrage teile ich Ihnen mit, dass ein solches Wettbüro der Firma (…) illegal ist. Im Rahmen der derzeit bestehenden Möglichkeiten geht die Glücksspielaufsicht gegen solche Wettbüros vor. Eine inoffizielle Duldung findet mithin nicht statt.“ Niedersachsenweit werden in innerstädtischen Lagen Wettbüros als Franchiseunternehmen einge- richtet. Dennoch gibt es Gerichtsentscheidungen, dass die Behörden gegen Sportwettenanbieter, die sich um eine Konzession bewerben, nicht einschreiten dürfen, wenn diese bereits vor Konzes- sionserhalt ihr Geschäft aufnehmen oder fortsetzen. Es existieren sogar aktuelle Gerichtsbeschlüs- se, die Untersagungsverfügungen gegen Onlineanbieter gestoppt haben, obwohl Onlinepoker nach dem Glücksspielstaatsvertrag illegal ist. In § 284 des Strafgesetzbuches heißt es, wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtung hierzu bereitstellt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. Die Wettanbieter nutzen diese ungeklärte Rechtslage und schaffen auch in Niedersachsen Fakten. So wurden auch kleinere Städte Niedersachsens vor schwierige Rechtsfragen gestellt. Die Hamburger Psychologin Gisela Alberti von der „Aktiven Suchthilfe“ in Hamburg beklagt, dass es eine Unzahl von unterschiedlichen Gesetzen und Verordnungen gebe und viel zu viele Zustän- digkeiten bei den Behörden der Länder. Eine Zusammenarbeit von Ordnungsämtern, Bauämtern, Polizei und Rechtsaufsichtsbehörden des Landes scheint es in dieser Frage in Niedersachsen nicht zu geben. Da aber anscheinend weder Baurecht- noch Jugendschutz- oder Ladenschlussvorgaben wirken, ist auch das Wettbüro in Buchholz weiterhin geöffnet und vertreibt u. a. Sportwetten. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welchen Stand hat das Lizenzierungsverfahren für die 20 Sportwettenlizenzen? 2. Ist das Vermitteln oder Anbieten von Sportwetten in Niedersachsen gegenwärtig rechtmäßig? 3. Wie wird in Niedersachsen gegenwärtig von wem gegen das Anbieten und Vermitteln von Sportwetten vorgegangen? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2034 2 4. Wie viele legale Wettbüros gibt es in Niedersachen? 5. Gibt es illegale Wettbüros in Niedersachsen und, wenn ja, wie viele? 6. Welche Umsätze werden mit Wettbüros in Niedersachsen erzielt? 7. Wie wird die Besteuerung der Wett- und Wettannahmebüros in Niedersachsen sichergestellt? 8. Wie viele und welche Steuern und Abgaben wurden niedersachsenweit 2012 und 2013 auf das Anbieten und Vermitteln von Sportwetten erhoben? 9. Hat die Landesregierung Nachbesserungsbedarf in Sachen Glückspielrecht erkannt und als Thema bei der Ministerpräsidentenkonferenz angemeldet? 10. Wie bewertet die Landesregierung die rechtliche Zulässigkeit des erwähnten Wettbüros des Wettanbieters in der Kirchenstraße, 21244 Buchholz i. d. N? 11. Welchen Behörden müssen nach Ansicht der Landesregierung einschreiten, wenn ein Wett- büro oder eine Wettannahmestelle rechtswidrig ist? 12. Welche Hilfestellung bietet die Landesregierung den Städten und Gemeinden bei der Be- kämpfung des illegalen Glücksspiels? 13. Unter welchen Voraussetzungen können in Niedersachsen Wettbüros oder Wettannahmestel- len eröffnet werden? 14. Welche Rechtsnormen sind zur Überwachung und Zulässigkeit von Wettanbietern und Wett- annahmestellen ohne Pferdewetten anzuwenden? (An die Staatskanzlei übersandt am 13.08.2014 - II/725 - 884) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 16.09.2014 für Inneres und Sport - 64.2 – 12252/6 - Mit dem am 01.07.2012 in Kraft getretenen Glücksspieländerungsstaatsvertrag vom 15.12.2011 (Nds. GVBl. S. 196) - GlüStV 2012 - wurde das Glücksspielrecht in Deutschland neu geordnet und an europarechtliche Anforderungen angepasst. Unter anderem wurde das Monopol auf Sportwetten aufgehoben und im Rahmen einer auf sieben Jahren befristeten Experimentierklausel die Vergabe von bis zu 20 Konzessionen an Sportwettveranstalter ermöglicht. Der Staatsvertrag enthält klare Regelungen zur Zulässigkeit der Veranstaltung und Vermittlung von öffentlichem Glücksspiel und regelt auch das Vorgehen gegen illegales Glücksspiel. Die Veranstaltung von Sportwetten ist nach dem GlüStV 2012 nur mit einer Konzession zulässig, die durch das Hessische Ministerium für Inneres und Sport erteilt wird, wobei die abschließende Entscheidung dem Glücksspielkollegium der Länder obliegt. Derzeit läuft das Konzessionsverfah- ren noch. Die Erlaubnis für die Vermittlung von Sportwetten in Sportwettvermittlungsstellen richtet sich nach den Vorschriften des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes vom 17.12.2007 (Nds. GVBl. S. 756) - NGlüSpG - und wird für Vermittlungsstellen in Niedersachsen durch das Nie- dersächsische Ministerium für Inneres und Sport erteilt. Da nur die Vermittlung an konzessionierte Veranstalter zulässig ist, konnten bislang noch keine Erlaubnisse erteilt werden. Als Glücksspielaufsichtsbehörde geht das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport auch gegen unerlaubtes Glücksspiel vor. Dies betrifft unerlaubte Angebote im Internet ebenso wie die Sportwettvermittlung in Geschäftslokalen vor Ort. Im Sinne eines gleichmäßigen und an den Zielen des GlüStV 2012 orientierten Vorgehens stehen dabei zunächst Angebote im Vordergrund, die von vornherein nicht genehmigungsfähig sind oder bei denen sonstige materielle Verstöße fest- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2034 3 gestellt werden. Gegen Sportwettvermittlungsstellen wird derzeit u. a. bei Verstößen gegen das Verbot der Vermittlung in einem Gebäude oder Gebäudekomplex, in dem sich auch eine Spielhalle befindet, gegen unzulässige Live-Wetten auf Ereignisse während eines Sportereignisses und bei Jugendschutzverstößen vorrangig eingeschritten. Das Ministerium für Inneres und Sport arbeitet dabei eng mit den Kommunen und Polizeibehörden vor Ort zusammen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Das Glücksspielkollegium der Länder hat Ende August über die Konzessionen befunden. Alle An- tragsteller, die in der zweiten Verfahrensstufe des Konzessionsverfahrens die Mindestanforderun- gen erfüllt haben, wurden Anfang September über den Ausgang des Auswahlverfahrens informiert, also über ihr eigenes Abschneiden und über das Ranking der 20 Antragsteller, die eine Konzession erhalten sollen. Diejenigen Antragsteller, welche im Auswahlverfahren ausgeschieden sind, wurden zeitgleich über ihren Ablehnungsbescheid in Kenntnis gesetzt und bekamen diesen per Post zuge- stellt. Nach Ablauf einer 15-tägigen Wartefrist ist die Bescheidung der 20 Antragsteller, die eine Konzession erhalten sollen, geplant. Die Bekanntgabe der Namen der Antragsteller, die eine Kon- zession erhalten, wird seitens des Hessischen Ministeriums für Inneres und Sport erst dann erfol- gen, wenn die Konzessionen erteilt wurden. Zu 2 bis 4: Siehe Vorbemerkung. Zu 5: Die genaue Anzahl der illegalen Wettbüros in Niedersachsen ist nicht bekannt. Auf der Grundlage der dem Ministerium für Inneres und Sport aktuell und in der Vergangenheit bekannt gewordenen Betriebsstätten wird die Zahl auf etwa 450 geschätzt. Zu 6: Der Landesregierung liegen keine Zahlen zu den in niedersächsischen Wettvermittlungsstellen er- zielten Umsätzen vor. Zu 7: Die Zuständigkeit für die Besteuerung von in Niedersachsen veranstalteten Sportwetten nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz ist beim Finanzamt Hannover-Nord zentralisiert. Soweit Spieler (aus Niedersachsen sowie solche aus den übrigen Ländern) an einer Sportwette bei Veranstaltern ohne Sitz im Inland teilnehmen, ist für die Besteuerung dieser Sportwetten das hessische Finanzamt Frankfurt am Main III zentral für das ganze Bundesgebiet zuständig. Für die Besteuerung (Sportwetten-, Ertrag- und Umsatzsteuern) von Wett- und Wettannahmebüros gelten keine Besonderheiten im Vergleich zu anderen steuerpflichtigen Unternehmen/Gewerbetrei- benden im Hinblick auf die Sicherstellung der Besteuerung. Die Besteuerung richtet sich nach den Verfahrensregeln der Abgabenordnung und den jeweiligen Steuergesetzen. Zu 8: Wett- und Wettannahmebüros unterliegen zunächst wie jeder andere wirtschaftlich Tätige den Er- tragsteuern. Seit der Gesetzesänderung zum 01.07.2012 unterliegt darüber hinaus sowohl das Veranstalten ei- ner Sportwette im Inland als auch die Teilnahme von inländischen Spielern an einer Sportwette bei Veranstaltern ohne Sitz im Inland der Steuer auf Sportwetten nach § 17 Abs. 2 Rennwett- und Lot- teriegesetz. Die Besteuerung nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz schließt nach § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes die Umsatzbesteuerung aus. Die Vermittlung von Sportwetten fällt nicht unter diesen Tatbestand. Für die Vermittlung von Wetten an inländische Spieler kommt die Besteuerung mit Umsatzsteuer in Betracht; hier liegt nach § 3 a Abs. 3 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes das Besteuerungsrecht am Ort der vermittelten Dienstleis- tung, derzeit also in aller Regel im Ausland. Aufgrund einer kürzlich erfolgten gesetzlichen Anpas- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2034 4 sung des § 3 a Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes an das Unionsrecht wird jedoch ab dem 01.01.2015 u. a. die Vermittlung von über das Internet oder ähnliche elektronische Netze bereitge- stellten Wetten an inländische Spieler der Umsatzbesteuerung im Inland unterliegen. Wie bereits zu Frage 7 dargestellt, ist Niedersachsen (nur) für die Steuer auf Sportwetten zustän- dig, die in Niedersachsen veranstaltet werden. Dieses Aufkommen wird vom Finanzamt Hannover- Nord vereinnahmt. Das Aufkommen hieraus betrug für das zweite Halbjahr 2012 rund 226 000 Eu- ro. Das Aufkommen für 2013 betrug rund 833 000 Euro. Das hessische Finanzamt Frankfurt am Main III generiert bundesweit das Aufkommen aus allen im Inland abgeschlossenen Sportwetten bei Wettveranstaltern, die ihrerseits ohne Sitz im Inland sind. Daher ist eine Zerlegung des Gesamtaufkommens nach § 17 Abs. 2 Rennwett- und Lotteriegesetz unter den Ländern erforderlich. Sie ist in § 24 Rennwett- und Lotteriegesetz geregelt und wird vom Land Hamburg wahrgenommen. Maßstab sind gemäß § 24 Abs. 2 Rennwett- und Lotteriegesetz zu 50 vom Hundert die Anteile der Länder am Rennwett- und Lotteriesteueraufkommen aus dem Jahr 2010 und zu 50 vom Hundert die Einwohneranteile der Länder. Der Anteil Niedersachsens nach der Zerlegung betrug für das Rumpfjahr 2012 rund 7,87 Mio. Euro. Im Jahr 2013 betrug der Zerlegungsanteil rund 17,67 Mio. Euro. Zu 9: Über Änderungen des GlüStV 2012 soll auf Grundlage einer Evaluierung entschieden werden, mit der bereits begonnen wurde und deren Ergebnisse fünf Jahre nach Inkrafttreten des Staatsvertrags vorgelegt werden sollen. Die Landesregierung hat das Thema nicht zur Ministerpräsidentenkonfe- renz angemeldet. Zu 10: Siehe Vorbemerkung. Die von dem Fragesteller benannte Betriebsstätte wurde im Juni dieses Jah- res durch einen Mitarbeiter des Ministeriums für Inneres und Sport in Abstimmung mit der Stadt Buchholz i. d. N. kontrolliert. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Zu 11: Siehe Vorbemerkung. Zu 12: Das Ministerium für Inneres und Sport als für die Unterbindung von unerlaubtem Glücksspiel zu- ständige Glücksspielaufsichtsbehörde führt Vor-Ort-Kontrollen von Betriebsstätten durch und geht nach den in der Vorbemerkung dargestellten Maßstäben gegen Rechtsverstöße vor. Dabei werden auch Hinweise der kommunalen Ordnungsbehörden aufgenommen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich häufig an den Kontrollen beteiligen. Zu 13: Sportwettvermittlungsstellen können nach § 8 Abs. 5 NGlüSpG nur auf Antrag eines konzessionier- ten Veranstalters hin erlaubt werden. Einzelheiten des Erlaubnisverfahrens sind in der Niedersäch- sischen Glücksspielverordnung vom 27.05.2013 (Nds. GVBl. S. 118) - NGlüSpVO geregelt. Der Be- treiber der Wettvermittlungsstelle hat seine Zuverlässigkeit durch Vorlage eines Führungszeugnis- ses sowie eines Auszugs aus dem Gewerbezentralregister nachzuweisen. Zusätzlich ist eine Ge- werbeanzeige und bei Nicht-EU-Bürgern ein Nachweis der Aufenthalts- und der Arbeitserlaubnis vorzulegen. Für die Person, die in der Vermittlungsstelle verantwortlich tätig wird, sind Kenntnisse über die Früherkennung problematischen Spielverhaltens und zu den Glücksspielen, die vermittelt werden sollen, durch Bescheinigungen über die Teilnahme an entsprechenden Schulungen nach- zuweisen. Die Höchstzahl der Wettvermittlungsstellen ist in Niedersachsen auf 2 400 festgesetzt. Die Anzahl pro Konzessionsnehmer ist auf 500 begrenzt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2034 5 Zu 14: In glücksspielrechtlicher Hinsicht richtet sich die Aufsicht über Veranstalter und Vermittler von Sportwetten nach den in der Vorbemerkung genannten Vorschriften des GlüStV und des NGlüSpG. Teilweise gleichlautende Regelungen zum Teilnahmeverbot Minderjähriger enthält auch das Ju- gendschutzgesetz des Bundes. Daneben gelten die allgemeinen Vorschriften z. B. des Gewerbe- rechts und des Baurechts, deren Einhaltung durch die jeweils zuständigen Behörden zu überprüfen ist. Boris Pistorius (Ausgegeben am 29.09.2014) Drucksache 17/2034 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Heiner Schönecke (CDU), eingegangen am 07.08.2014 Was tut die Landesregierung gegen illegale Sportwetten? Antwort der Landesregierung