Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2081 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Björn Thümler, Dirk Toepffer und Clemens Große Macke (CDU), einge- gangen am 21.07.2014 Erfolgreiche Regionalpolitik vs. neue Regionalpolitik Die Landesregierung hat am 17. Juni 2014 mehrere Beschlüsse zu Operationellen Programmen für die EU-Förderperiode 2014 bis 2020 gefasst. Sie geht nach ihrer Presseinformation davon aus, mit der Förderung Anfang 2015 beginnen zu können. Zudem stellt sie in der Presseinformation heraus, durch die nunmehr getroffenen Beschlüsse erstmalig in der Geschichte des Landes Niedersachsen alle drei maßgeblichen Fonds in einem „Multifondsprogramm“ ressortübergreifend eng aufeinander abgestimmt zu haben. Mit einem neuen Ansatz einer integrierten Regionalentwicklung solle vor allem eine Doppel- oder Parallelförderung vermieden werden, es werde nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip gefördert, die lokale und regionale Kompetenz sei einbezogen worden und die regionalisierte Förderung wür- de eine größere Verteilungsgerechtigkeit gewährleisten. Wörtlich heißt es in der Presseinformation: „Die Kommission wird die Programme nach eingehen- der Prüfung voraussichtlich bis zum Jahresende genehmigen.“ Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Anhaltspunkte liegen der Landesregierung für einen voraussichtlichen Programmstart Anfang 2015 vor? Aufgrund welcher Tatsachen kann die Einschätzung aus den bisherigen Gesprächen mit der Europäischen Kommission abgeleitet werden? 2. Andere Bundesländer, für die derselbe Zeitrahmen für die Ausarbeitung der Operationellen Programme galt wie für Niedersachsen, haben ihre Operationellen Programme bereits vor Monaten in konsolidierter Entwurfsfassung der Europäischen Kommission bekannt gemacht und gleichzeitig veröffentlicht. Inwieweit hält die Landesregierung es für ausgeschlossen, dass diese Bundesländer eher mit der Förderung beginnen werden als Niedersachsen? 3. Welche Bundesländer haben nach Kenntnis der Landesregierung ihre Operationellen Pro- gramme - zumindest in konsolidierter Entwurfsfassung - öffentlich und damit bereits der Euro- päischen Kommission bekannt gemacht? Wann beginnen diese Bundesländer mit der EU-Förderung in der Förderperiode 2014 bis 2020? 4. Gibt es eine Einschätzung, ab wann ein verzögerter Programmstart, insbesondere im Ver- gleich zu benachbarten Bundesländern, Auswirkungen beispielsweise auf den Erhalt der nie- dersächsischen Trägerstrukturen der beruflichen Bildung oder Unternehmen und deren in Niedersachsen geplante Investitionsentscheidungen haben wird? 5. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass die für Herbst 2014 angekündigten regiona- len Handlungsstrategien konzeptionell kongruent sind mit der jetzt vom Kabinett beschlosse- nen Landesstrategie in Form der bei der Europäischen Kommission eingereichten Operatio- nellen Programme? 6. Durch welche konkreten und bislang noch nicht existierenden Maßnahmen gewährleistet die Landesregierung, dass finanzschwache Kommunen gleichermaßen Zugang zu EU-Mitteln im Sinne der herausgestellten Verteilungsgerechtigkeit haben werden wie finanzstarke Kommu- nen? 7. Was versteht die Landesregierung unter „Verteilung“ von EU-Mitteln im Vergleich zu den Auswahlgrundsätzen der jetzt auslaufenden EU-Förderperiode und der Auswahl von Projek- ten nach bepunkteten Wirkungsindikatoren? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2081 2 8. Plant die Landesregierung angesichts ihres Hinweises auf Verteilungsgerechtigkeit, einzelne Förderbereiche für bestimmte Regionen des Landes von der EU-Förderung ganz oder teilwei- se auszuschließen? 9. Was versteht die Landesregierung unter „Förderung mit der Gießkanne“, und wodurch kommt sie zu der Auffassung, dies sei bislang Grundlage für die Auswahl zu fördernder Projekte ge- wesen? 10. Welche Vorteile sind für Projektträger damit verbunden, dass die Verwaltung der EFRE- und ESF-Mittel in einem Multifondsprogramm erfolgt? 11. Wird dies zur Folge haben, dass sich Projekte aus EU-Mitteln verschiedener Fonds finanzie- ren könnten? 12. Sieht die Landesregierung dadurch konzeptionelle Einschränkungen, dass das Programm nicht Bestandteil des Multifondsprogramms ist? 13. Kann die Landesregierung bestätigen, dass es weiterhin verschiedene EU-Programme geben wird, die wie die Programme der jetzt auslaufenden EU-Forderperiode ressortübergreifend abgestimmt worden sind? 14. Wie steht die Landesregierung zur Kritik der kommunalen Spitzenverbände, bei der Erstellung der Operationellen Programme nicht vergleichbar wie bei der auslaufenden EU-Förderperiode einbezogen worden zu sein, und teilt die Landesregierung die Kritik der kommunalen Spitzen- verbände, ihre inhaltlichen und verfahrensmäßigen Anregungen hätten nur sehr unzureichend Berücksichtigung gefunden? (An die Staatskanzlei übersandt am 30.07.2014 - II/725 - 865) Antwort der Landesregierung Niedersächsische Staatskanzlei Hannover, den 29.09.2014 - 403 – 01 424 / 00 20 - Die Landesregierung hat am 17.06.2014 die Programmentwürfe für den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), den Europäischen Sozialfonds (ESF) und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) für die Förderperiode bis 2020 beschlossen. Die Programmentwürfe bilden die Grundlage für die künftige EU-Förderung in Niedersachsen. Erstmalig hat Niedersachsen die drei maßgeblichen Fonds mit ihren Fördermög- lichkeiten für das Land eng aufeinander abgestimmt. Dies ist nicht nur sinnvoll, um die Förderpro- gramme zu vereinfachen und Überlappungen auszuschließen, sondern auch um den Mittelrück- gang im EFRE und im ESF möglichst weitgehend zu kompensieren. Neu ist auch, dass es erstmals für das gesamte Landesgebiet ein „Multifondsprogramm“ gibt, das sowohl den EFRE und den ESF als auch die Zielgebiete Übergangsregion Lüneburg und das übri- ge Niedersachsen zusammenfasst. Damit können die geringeren zur Verfügung stehenden Mittel intelligenter eingesetzt und auf wichtige Kernziele ausgerichtet werden. Sie können so ressort- und fondsübergreifend dort zum Einsatz kommen, wo sie eine größtmögliche Wirkung entfalten. In den Programmentwürfen kommt der neue Politikansatz der Landesregierung zum Ausdruck: – Es wird nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip gefördert, sondern im Rahmen kontinuierlich weiter zu entwickelnder Handlungsstrategien, die jeweils auf regionaler und Landesebene ab- gestimmt sind. – Doppel- oder Parallelförderungen werden durch eine fondsübergreifende Verzahnung vermie- den. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2081 3 – Die Belange der Regionen werden besser berücksichtigt. Die Landesbeauftragten, die an der Spitze der Ämter für regionale Landesentwicklung stehen, fungieren dabei als Bindeglied zwi- schen dem Land und den kommunalen Partnern in den Regionen. – Die lokale und regionale Kompetenz ist beispielsweise durch die Mitwirkung bei der Erarbeitung und Umsetzung der regionalen Handlungsstrategien und in den Projektauswahlentscheidungs- prozessen einbezogen. – Der neue Ansatz der regionalisierten Förderung gewährleistet zudem eine größere Verteilungsgerechtigkeit , sodass alle Teilräume Niedersachsens von der EU-Förderung gleichermaßen profitieren können. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die maßgebliche Verordnung (EU) 1303/2013 sieht gemäß Artikel 29 vor, dass ein Programm im offiziellen Genehmigungsverfahren spätestens sechs Monate nach der Einreichung genehmigt wird. Die Landesregierung steht mit Vertretern der EU-Kommission im engen Austausch über die Erstellung der Programmentwürfe und deren Genehmigung. Die Kommission hat im Zuge des Kon- sultationsprozesses signalisiert, dass eine Genehmigung des Multifondsprogramms in einem über- schaubaren Zeitrahmen möglich ist. Insofern geht die Landesregierung derzeit davon aus, dass die neue Förderperiode - was die Maßnahmen im Bereich des Multifonds betrifft - nach Vorliegen der Genehmigung des Operationellen Programms (OP) ab Anfang 2015 vollzogen werden kann. Für den Bereich des ELER ist de facto mit dem am 02.04.2014 gestarteten Antragsverfahren für flächenbezogene Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen der Einstieg in die Förderung nach den neuen Bedingungen gemäß dem neuen ELER-Programm für Niedersachsen und Bremen (Kurzbe- zeichnung „PFEIL“ - Programm zur Förderung der Entwicklung im ländlichen Raum) bereits erfolgt. Zu 2 und 3: Niedersachsen hat seit Dezember 2013 im Rahmen der informellen Gespräche mit der Europäi- schen Kommission die Programmentwürfe fortlaufend erörtert. Nach einer Veröffentlichung der Ge- neraldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung vom 15.09.2014 haben alle Bundesländer ihre OP für den EFRE eingereicht, genehmigt wurde aber bisher erst das vergleichsweise kleine OP des Landes Schleswig-Holstein. Entsprechende Veröffentlichungen der für den ESF und den ELER zuständigen Generaldirektionen sind der Landesregierung nicht bekannt. Konkrete Informationen zur Aufnahme der Förderung nach den Bedingungen der EU-Förderperiode 2014 bis 2020 in anderen Bundesländern liegen der Landesregierung derzeit nicht vor. Insbeson- dere hat die Landesregierung in Bezug auf die ELER-Förderung keine Kenntnis darüber, ob andere Länder bereits vor dem 02.04.2014 (Beginn des Antragsverfahrens für Agrarumwelt- und Klima- maßnahmen in Niedersachsen/Bremen) mit der Förderung nach den Modalitäten der neuen För- derperiode (z. B. Antragsverfahren) begonnen haben. Zu 4: Die Landesregierung strebt eine schnellstmögliche Programmgenehmigung für das Multifondspro- gramm EFRE/ESF und das ELER-Programm an, um einen Start der neuen Förderperiode Anfang 2015 zu gewährleisten. Die relevanten Akteure und Institutionen sind von Anfang an eng in den Programmaufstellungsprozess einbezogen worden, sodass sie die zeitliche Perspektive kennen und die Möglichkeit hatten, sich darauf einzustellen. Nach dem derzeitigen Planungs- und Verfah- rensstand sind keine erheblichen Auswirkungen auf die niedersächsische Trägerstrukturen der be- ruflichen Bildung oder die Investitionsentscheidungen von Unternehmen zu erwarten. Zu 5: Der Aufstellungsprozess der Regionalen Handlungsstrategien war von Anfang an so angelegt, dass sie u. a. die Möglichkeiten und Anforderungen, die mit der EU-Förderperiode 2014 bis 2020 einher- gehen für die Entwicklung der jeweiligen Region berücksichtigen und aufgreifen. So wird gewähr- leistet, dass die regionalen Handlungsstrategien mit den aufeinander abgestimmten EU-Program- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2081 4 men und der von der Landesregierung verfolgten Strategie der stärkeren Verzahnung von EU-För- derung und Regionalentwicklung im Einklang stehen. Zu 6: Um einer weiteren Vertiefung der regionalen Disparitäten in Niedersachsen entgegenzutreten, wird die Landesregierung sich dafür einsetzen, dass auch finanzschwache Kommunen zukünftig EU-Mittel verstärkt in Anspruch nehmen können. Ziel dabei ist es, dass nicht allein finanzielle Gründe dafür maßgeblich sind, ob ein Förderprojekt realisiert werden kann oder nicht. Gegenwärtig prüft die Landesregierung, auf welche Weise besonders finanzschwache Kommunen bei der Kofi- nanzierung von Förderprojekten in der kommenden EU-Förderperiode unterstützt werden können. Zu 7: Wie bereits in der Antwort auf die Mündliche Anfrage Nr. 49 des Mai-Plenums „Weshalb wurde das Ziel der EU-Förderung verfehlt?“ (Drs. 17/1535) ausgeführt, erfolgte in der Förderperiode von 2007 bis 2013 die „Wahrnehmung der für die Regionalentwicklung maßgeblichen Aufgaben ohne operative Koordinierung in der Fläche.“ Dadurch haben die in verschiedenen Studien aufgezeigten Dis- paritäten zwischen den niedersächsischen Landesteilen weiter zugenommen. In der EU-Förder- periode 2014 bis 2020 werden die Ämter für regionale Landesentwicklung die operative Koordinie- rung der Regionalentwicklung übernehmen. Diese werden dafür Sorge tragen, dass die aus den EU-Fonds für regional bedeutsame Maßnahmen zur Verfügung stehenden Mittel anhand der regio- nalen Bedarfe für geeignete Projekte eingesetzt werden. Diese regionale Komponente wird zukünf- tig in die Förderentscheidung mit einfließen. Zu 8: Nein. Zu 9: In der Förderperiode von 2007 bis 2013 erfolgte die Wahrnehmung der für die Regionalentwicklung maßgeblichen Aufgaben ohne operative Koordinierung in der Fläche. Auf die Antwort zu 7 wird verwiesen. Zu 10: Die Landesregierung hat sich zur Ausgestaltung eines solchen fonds- und zielgebietsübergreifen- den Multifondsprogramms entschlossen, weil sich die im Land vorhandenen regionalen Disparitä- ten in der Realität nicht nach der Abgrenzung zwischen der sogenannten Übergangsregion (ehe- maliger Regierungsbezirk Lüneburg) und der sogenannten stärker entwickelten Region (restlichen Niedersachsen) differenzieren lassen. Sie sind - mit unterschiedlicher Ausprägung - im gesamten Land vorhanden. Es bedarf daher eines ganzheitlichen Ansatzes zur Begegnung der unterschiedli- chen strukturpolitischen Herausforderungen. Anstelle der vier Programme in der Förderperiode 2007 bis 2013 wird Niedersachsen für diese beiden Strukturfonds zukünftig nur noch über ein ein- heitliches Regelwerk verfügen, das den Projektträgern eine bessere Übersicht zu den einzelnen Fördermöglichkeiten bietet. Zu 11: Die Förderung eines Projekts aus verschiedenen EU-Förderfonds auf der Basis eines Förderantra- ges ist nach den einschlägigen EU-Rechtsvorschriften nicht möglich. Die neuausgerichtete inte- grierte Förderpolitik der Landesregierung wird sich allerdings insbesondere dadurch auszeichnen, dass zukünftig unterschiedliche Fördertatbestände besser miteinander kombiniert werden können. Im Zuge dessen sollen auch fondsübergreifende Förderungen von Projektkombinationen aus un- terschiedlichen Fonds zum Tragen kommen. Zu 12: Die Frage ist nicht beantwortbar, da aus der Fragestellung heraus nicht erkennbar ist, welches Programm nicht Bestandteil des Multifondsprogramms sein soll. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2081 5 Zu 13: Im Bereich der EU-Struktur- und Investitionsfonds wird es zukünftig das Multifondsprogramm EFRE/ESF und das ELER-Programm geben. Diese Programme wurden am 17.06.2014 vom Kabi- nett beschlossen und sind somit ressortübergreifend abgestimmt. Zu 14: Aus Sicht der Landesregierung sind die kommunalen Spitzenverbände im Zuge der Programmauf- stellung für die EU-Förderperiode 2014 bis 2020 - wie in der Förderperiode 2007 bis 2013 - in die Erstellung der Programme einbezogen worden. Die Beteiligung im Rahmen der AG Programmauf- stellung für die Fonds EFRE und ESF wurde aus den Reihen der kommunalen Spitzenverbände gelobt. Wie bereits in der Vorbemerkung zur Antwort auf die Mündliche Anfrage Nr. 19 des Juni- Plenums „EU-Förderprogramm ohne Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände und des Par- laments?“ (Drs. 17/1695) dargelegt, erfolgte auch im Zuge der Aufstellung des ELER-Programms zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums in Niedersachsen und Bremen in der Förder- periode 2014 bis 2020 („PFEIL“) eine umfassende Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände. Die Anregungen der kommunalen Spitzenverbände wurden im Rahmen der Vorgaben berücksich- tigt. Dr. Jörg Mielke Chef der Staatskanzlei (Ausgegeben am 08.10.2014) Drucksache 17/2081 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Björn Thümler, Dirk Toepffer und Clemens Große Macke (CDU), einge-gangen am 21.07.2014 Erfolgreiche Regionalpolitik vs. neue Regionalpolitik Antwort der Landesregierung