Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2082 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 06.08.2014 Aufnahme syrischer Flüchtlinge - Wurden die Kurden unzureichend berücksichtigt? Seit März 2011 wütet ein gewaltsamer Konflikt in Syrien, welcher sich inzwischen zu einem Bürger- krieg entwickelte. Bis heute ist kein Ende des Konfliktes absehbar. Der Bürgerkrieg kostete bis Juni 2014 schätzungsweise 160 000 Menschen das Leben. Viele Bürger mussten seit Beginn der Aus- einandersetzungen ihre Häuser verlassen und vor der Gewalt fliehen. Derzeit befinden sich daher 9 Millionen Syrer innerhalb ihres Landes auf der Flucht, und weitere 2,6 Millionen haben das Land bereits verlassen. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass sich sowohl die Bundes- als auch die Landesre- gierung für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen haben. Am 27. Juni 2014 wurde im Landtag ein Entschließungsantrag beschlossen, der es für hier lebende Syrer künftig erleichtern sollte, ihre Verwandten nachzuholen. Es gibt jedoch Probleme mit diesen Regelungen, insbesondere bezogen auf syrische Kurden, da hier lebende Syrer einen deutschen Pass oder eine Aufenthaltsgenehmigung als Syrer vorweisen müssen, um die Maßnahmen in Anspruch nehmen zu können und ihre Verwandten nachzuholen. Durch einen Erlass der syrischen Regierung aus dem Jahr 1962 wurden jedoch alle syrischen Kur- den enteignet und ausgebürgert, somit besitzen sie heute keinen syrischen Pass und sind staaten- los. Von dieser Situation sind laut UNHCR rund 200 000 Menschen betroffen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Inwiefern besteht aus Sicht der Landesregierung Handlungsbedarf, bezogen auf die besonde- re Situation syrischer Kurden? 2. Welche Möglichkeiten haben hier lebende syrische Kurden, an dem Aufnahmeverfahren teil- zunehmen, obwohl sie zum Teil als Staatenlose gelten und somit weder eine Aufenthaltsge- nehmigung als Syrer noch einen deutschen Pass besitzen? 3. Wie viele in Niedersachsen lebende Syrer haben das beschlossene Verfahren nach Kenntnis der Landesregierung bisher in Anspruch genommen, und wie viele von diesen sind kurdischer Abstammung? (An die Staatskanzlei übersandt am 12.08.2014 - II/725 - 898) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 26.09.2014 für Inneres und Sport - 61.11 – 12230/1-8 (§ 23)7 - Mit Beginn des Krieges in Syrien häuften sich Nachfragen von in Deutschland lebenden Verwand- ten, auf welche Weise sie ihre von den Kriegsereignissen bedrohten Angehörigen zu sich holen könnten. Da eine Aufnahme nach den sonstigen ausländerrechtlichen Regelungen nicht möglich war, ergriff der Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius, die Initiative zum Erlass spezifischer Aufnahmeanordnungen. Mit den Anordnungen wurde die Absicht verfolgt, eine humanitäre Hilfsak- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2082 2 tion durchzuführen, die eine für alle Beteiligten finanziell angemessene Belastung beinhaltet und die sowohl seitens der Begünstigten als auch der Kommunen und der Bevölkerung eine größtmög- liche Akzeptanz findet. Im Spätsommer/Herbst letzten Jahres gaben alle Länder bis auf Bayern inhaltsgleiche Länderauf- nahmeanordnungen gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG heraus, um syrischen Flüchtlingen, die aufgrund des Bürgerkriegs in Syrien fliehen mussten, die Einreise zu ihren hier lebenden Angehörigen zu ermöglichen. Hierbei handelt es sich um zusätzliche von den Ländern initiierte Aufnahmeaktionen zu den mittlerweile drei Aufnahmeanordnungen des Bundes. Um die vorstehend genannte Zielset- zung zu erreichen war es notwendig, Rahmenbedingungen festzulegen, die einerseits den humani- tären Charakter der Aufnahme nicht infrage stellen, andererseits jedoch die finanziellen Belastun- gen der öffentlichen Hand in einem vertretbaren Rahmen halten. Die Aufnahmeanordnungen der Länder beinhalten hierzu folgende Voraussetzungen: Eine Aufenthaltserlaubnis wird syrischen Staatsangehörigen erteilt, die infolge des Bürgerkriegs aus ihrem Wohnort fliehen mussten und sich in einem Anrainerstaat Syriens oder noch in Syrien aufhalten und die eine Einreise zu ihren in dem jeweiligen Bundesland lebenden Verwandten bean- tragen, soweit es sich bei diesen um deutsche Staatsangehörige oder syrische Staatsangehörige handelt, die im Besitz eines befristeten oder unbefristeten Aufenthaltstitels sind und sich mindes- tens seit dem 1. Januar 2013 im Bundesgebiet aufhalten. Begünstigt sind Ehegatten, Verwandte ersten Grades (Eltern, Kinder), Verwandte zweiten Grades (Großeltern, Enkel oder Geschwister) sowie deren Ehegatten und minderjährige Kinder. Weitere Personensorgeberechtigte begünstigter minderjähriger Kinder können (unter Wahrung der Einheit der Familie) mit einbezogen werden. Eine Begünstigung durch die Länderaufnahmeanordnungen setzt außerdem voraus, dass die hier lebenden Personen für den Unterhalt ihrer Angehörigen einschließlich aller mit dem Aufenthalt zu- sammenhängenden Kosten aufkommen und dies durch Abgabe einer Verpflichtungserklärung be- stätigen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Seitens der Landesregierung erfolgt keine Auswahl spezifischer Personengruppen, sondern es werden - wie auch in den anderen Ländern - die entsprechenden Rahmenbedingungen durch die Aufnahmeanordnungen vorgegeben. Um die Kriterien für die Aufnahme in diesem Rahmen abzu- stimmen, haben die Länder zusammen mit Vertretern des Bundesministeriums des Innern und des Auswärtigen Amtes den Personenkreis derer festgelegt, die von den Aufnahmeaktionen der Länder begünstigt werden können. Danach sind, wie in den Vorbemerkungen ausgeführt, syrische Flücht- linge in Syrien sowie in den Anrainerstaaten zu Syrien im Sinne der Aufnahmeanordnungen auf- nahmeberechtigt. In diesem Rahmen werden auch syrische Staatsangehörige kurdischer Volkszu- gehörigkeit aufgenommen. Zu 2: Syrische Kurden können unter den oben beschriebenen Voraussetzungen an den Aufnahmeanord- nungen der Länder partizipieren. Auch die Aufnahmeanordnungen des Bundes sehen vorzugswei- se eine Aufnahme von syrischen Staatsangehörigen vor. Hier können in begründeten Einzelfällen auch Staatenlose, deren Identität feststeht und die nachweislich seit mindestens drei Jahren in Sy- rien leben oder gelebt haben, mit ihren in familiärer Gemeinschaft lebenden Angehörigen in das Bundesgebiet aufgenommen werden. Die Länderaufnahmeanordnungen sehen diese ausnahms- weise Möglichkeit einer Aufnahme von Personen nichtsyrischer Staatsangehörigkeit nur vor, soweit es sich um Angehörige der Kernfamilie eines hauptbegünstigten Angehörigen handelt. Zu 3: Zum Stichtag 20.07.2014 wurde im Rahmen der niedersächsischen Aufnahmeanordnung für 401 Angehörige eine Verpflichtungserklärung abgegeben bzw. eine Vorabzustimmung der Auslän- derbehörde an die Botschaft gesandt. Weiteren 93 Personen wurden bereits Visa erteilt, weitere 68 sind schon eingereist und 623 Personen haben bereits eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Hinzu kommen noch 205 Personen, die nach der Einreise einen Asylantrag gestellt haben und 58, die als Asylberechtigte oder sekundär Schutzberechtigte anerkannt sind. Damit handelt es sich zum Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2082 3 20.07.2014 um 1 448 Personen, die die Möglichkeit bekommen haben, aufgrund der niedersächsi- schen Aufnahmeanordnung aufgenommen zu werden. Im bundesdeutschen Vergleich nimmt Nie- dersachsen hinter Nordrhein-Westfalen mit insgesamt 3 893 erteilten Visa zum 30.08.2014 am meisten syrische Flüchtlinge im Rahmen der Länderaufnahmeanordnungen auf. Die Anzahl derjenigen, die hiervon kurdischer Abstammung sind, werden statistisch nicht erfasst. Boris Pistorius (Ausgegeben am 08.10.2014) Drucksache 17/2082 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 06.08.2014 Aufnahme syrischer Flüchtlinge - Wurden die Kurden unzureichend berücksichtigt? Antwort der Landesregierung