Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2099 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP), eingegangen am 15.08.2014 Korruptionsverdacht im LJPA - Der gelöschte E-Mail-Verkehr des Staatssekretärs Scheibel Auf eine Anfrage zur Vorbereitung der Aktenvorlage vom 19. Mai 2014 teilte Staatssekretär Schei- bel durch einen handschriftlichen Vermerk - datiert auf den 20. Mai 2014 - mit: „Ich verfüge über keine ,eigenen‘ Unterlagen, weil mein E-Mail-Verkehr gelöscht ist und etwa erforderliche Ausdrucke dieses Verkehrs zu den Vorgängen genommen werden.“ Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wer hat die Löschung des E-Mail-Verkehrs von Staatssekretär Scheibel veranlasst? 2. Durch wen erfolgte wann genau die Löschung des E-Mail-Verkehrs von Staatssekretär Schei- bel? 3. Wurde der E-Mail-Verkehr von Staatssekretär Scheibel vor dem Löschvorgang hinsichtlich seiner Aktenrelevanz gesichtet? Wenn ja, von wem? Gab es ein Vier-Augen-Prinzip? 4. Wie viele Ausdrucke hat Staatssekretär Scheibel gefertigt oder - von wem - fertigen lassen? Hat er auf den Ausdrucken etwas verfügt? Wenn ja, was? 5. Zu welchen Vorgängen sind diese Ausdrucke dann gelangt? Wer hat diese Ausdrucke wem und auf welchem Wege übergeben? 6. Falls Staatssekretär Scheibel die Löschung selbst veranlasst hat, welche Gründe haben ihn zu dieser Löschung vor Abschluss des Verfahrens veranlasst? 7. Was sehen Geschäfts-, Aktenordnungen und sonstige Regelungen der Landesregierung und interne Regelungen des MJ zum Umgang mit Vorgängen, Posteingängen und elektronischem Mail-Verkehr im Hinblick auf deren Löschung vor? Hat Staatssekretär Scheibel mit der Lö- schung des kompletten E-Mail-Verkehrs im Verfahren gegen den beschuldigten Richter gegen diese Regelungen verstoßen? 8. Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass weder jetzt noch zum damali- gen Zeitpunkt die staatsanwaltlichen Ermittlungen und die parlamentarische Aufarbeitung die- ses Falles abgeschlossen waren, die Entscheidung von Staatssekretär Scheibel, die Lö- schung seines E-Mail-Verkehrs zu veranlassen? 9. Wie ist die Löschung des E-Mail-Verkehrs dienstrechtlich zu bewerten? 10. Betraf die Löschung des E-Mail-Verkehrs nur die E-Mails aus dem besagten Vorgang um den beschuldigten Richter, oder wurden auch E-Mails aus anderen Vorgängen gelöscht? 11. Wurde Justizministerin Niewisch-Lennartz vor oder nach der Löschung des E-Mail-Verkehrs von Staatssekretär Scheibel davon in Kenntnis gesetzt? 12. Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass sich aus dem gelöschten E- Mail-Verkehr von Staatssekretär Scheibel wichtige Informationen sowohl für die staatsanwalt- lichen Ermittlungen als auch für die parlamentarische Aufarbeitung ergeben könnten, den möglicherweise unwiderruflichen Verlust des E-Mail-Verkehrs von Staatssekretär Scheibel? 13. Sind Datenkopien vom E-Mail-Verkehr des Staatssekretärs Scheibel auf Servern der Landes- verwaltung gespeichert? Falls ja, unter welchen Voraussetzungen können diese Kopien zur Verfügung gestellt werden? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2099 2 14. Welche Maßnahmen wurden zur möglichen Wiederherstellung des gelöschten E-Mail- Verkehrs durch die Landesregierung bzw. das MJ ergriffen, nachdem Staatssekretär Scheibel in seiner handschriftlichen Notiz auf die Löschung seines E-Mail-Verkehrs hinwies? 15. Über welche Möglichkeiten verfügt die Landesverwaltung, gelöschten E-Mail-Verkehr wieder- herzustellen, und wann kommen diese zur Anwendung? (An die Staatskanzlei übersandt am 25.08.2014 - II/725 - 918) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Justizministerium Hannover, den 23.09.2014 - 2000 I HB – 105.3/14 - Herr Staatssekretär Scheibel arbeitet in erster Linie mit seinem dienstlichen iPad und benutzt nur selten den Arbeitsplatz-PC in seinem Dienstzimmer. Mit beiden Geräten hat er gleichermaßen Zu- gang zu seinem dienstlichen E-Mail-Postfach. Mit Dienstantritt als Staatssekretär im Justizministe- rium hat er seine in seiner Tätigkeit als Gerichtspräsident bereits erprobte Praxis des Umgangs mit E-Mails weitergeführt. Der Justizstaatssekretär nutzt das E-Mail-Postfach als Eingangspostfach und nicht zur Archivierung von Posteingängen. Das bedeutet, dass er die E-Mails, die ihn erreichen, zur Kenntnis nimmt und - sofern dies erforderlich ist - weiter bearbeitet. E-Mails an und von dem Justizstaatssekretär gelan- gen auf drei verschiedenen Wegen zu den Vorgängen des Justizministeriums: Erstens werden E-Mails, die neben dem Justizstaatssekretär auch die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbei- tern des Ministeriums erreichen, von diesen stammen oder vom Justizstaatssekretär an diese ge- richtet sind, von diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu dem jeweiligen Vorgang genommen, soweit sie aktenrelevant sind. Zweitens verfügt der Justizstaatssekretär in Einzelfällen ausdrücklich in von ihm selbst geschriebenen E-Mails innerhalb des Justizministeriums, dass die E-Mail zum Vorgang genommen werden muss. Drittens leitet er seiner Vorzimmerkraft E-Mails mit der Verfügung zu, diese auszudrucken und im Postumlauf der zuständigen Mitarbeiterin oder dem zuständigen Mitarbeiter im Justizministerium zuzuleiten, soweit dies geboten ist. Zur Kenntnis genommene und wie beschrieben weiter bearbeitete E-Mails löscht der Justizstaats- sekretär umgehend. Auf diese Weise reduziert sich im Regelfall täglich der Bestand an eingegan- genen E-Mails im Postfach des Justizstaatssekretärs auf Null. Am Ende des Arbeitstages leert der Justizstaatssekretär sein elektronisches Postfach, indem er den Inhalt des Ordners „gelöschte Objekte “ löscht. Diese Arbeitsweise dient dem Justizstaatssekretär dazu, einen Überblick über die von ihm abzuarbeitenden Themen eines Tages zu behalten. Ein „elektronisches Gedächtnis“, wie es das Programm Outlook anbietet, nutzt der Justizstaatssekretär demgegenüber nicht. Er lässt sich stattdessen Vorgänge vorlegen oder bittet gegebenenfalls um mündlichen Vortrag. Insoweit entspricht seine Arbeitsweise der tradierten papiernen Verwal- tung. Eigene Aktenvorgänge werden nicht im Büro des Staatssekretärs sondern in den Fachabtei- lungen des Justizministeriums geführt. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Siehe Vorbemerkung. Zu 2: Siehe Vorbemerkung. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2099 3 Zu 3: Siehe Vorbemerkung. Zu 4 und 5: Ausdrucke von E-Mails fertigt die Vorzimmerkraft des Justizstaatssekretärs. Verfügungen erfolgen meist handschriftlich, nur ausnahmsweise auch auf elektronischem Weg. Was der Justizstaatssek- retär im Einzelnen im Zusammenhang mit dem Korruptionsvorfall im Niedersächsischen Landesjus- tizprüfungsamt, auf den die Anfrage Bezug nimmt, verfügt hat, befindet sich in den hierzu angeleg- ten Vorgängen des Justizministeriums. Die Verfügungen im Einzelnen wiederzugeben, ist im Rah- men einer Kleinen Anfrage nicht mit vertretbarem Aufwand möglich. Die entsprechenden Vorgänge liegen dem Landtag im Rahmen des Aktenvorlagebegehrens gemäß Artikel 24 Abs. 2 NV vor. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Zu 6: Siehe Vorbemerkung. Zu 7 bis 9: Die Arbeitsweise des Justizstaatssekretärs entspricht den rechtlichen Vorgaben. Der Umgang mit Eingängen und die Dokumentation von Vorgängen sind grundsätzlich geregelt in §§ 17 und 18 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen (GGO). Danach sind Eingänge „unverzüglich durchzusehen, mit Sicht- und Arbeitsvermerken zu versehen und der weiteren Bearbeitung zuzuführen. Vorgänge sind einheitlich zu dokumentieren und im erforderlichen Umfang gegen Veränderungen zu schützen.“ Der Umgang mit E-Mails wird in der GGO nicht gesondert geregelt. Nach Nr. 3 der Dienstanweisung für die Nutzung der elektroni- schen Post (E-Mail-Dienst) im Justizministerium vom 16.01.2012 (Hausverfügung Nr. 425) sind „E-Mails im E-Mail-System nicht länger zu speichern, als dies für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Nicht mehr benötigte E-Mails sind zu löschen.“ In einer Fußnote zu dieser Vorschrift ist geregelt, dass die E-Mail-Postfächer nicht als Archiv dienen. Da der Justizstaatssekretär etwa erforderliche Ausdrucke dieses E-Mail-Verkehrs zu den Vorgän- gen hat nehmen lassen, hat er sich korrekt verhalten. Die Löschung der E-Mails entspricht den Vorschriften. Zu 10: Der Justizstaatssekretär löscht ausnahmslos jede von ihm zur Kenntnis genommene und gegebe- nenfalls weiter bearbeitete E-Mail. Dies gilt nicht nur für den hier nachgefragten Sachverhalt, son- dern entspricht seiner bereits in der Vorbemerkung dargestellten Arbeitsweise in jedem Vorgang. Zu 11: Frau Justizministerin Niewisch-Lennartz erhielt von der in der Vorbemerkung beschriebenen Ar- beitsweise des Justizstaatssekretärs im Zusammenhang mit dem Aktenvorlagebegehren vom 20. Februar 2014 der Fraktion der CDU im Niedersächsischen Landtag in Bezug auf das Ermitt- lungsverfahren gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy Kenntnis. Zu 12: Aufgrund der in der Vorbemerkung beschriebenen und regelkonformen Arbeitsweise des Justiz- staatssekretärs und der weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizministeriums ist sicher- gestellt, dass der E-Mail-Verkehr des Justizstaatssekretärs - soweit dies rechtlich geboten und er- forderlich ist - zu den Akten des Justizministeriums gelangt. Zu 13: Alle Objekte (u. a. E-Mails) aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der niedersächsischen Justiz wer- den zentral auf E-Mailservern am Standort des Technischen Betriebszentrums (TBZ) des Zentralen IT-Betriebs Niedersächsische Justiz (ZIB) im „Persönlichen Postfach“ gespeichert. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 15 verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2099 4 Zu 14: Es gab keinen Anlass dafür, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen, weil die praktizierte Verfah- rensweise des Justizstaatssekretärs den Vorschriften entspricht. Zu 15: Eine gelöschte E-Mail wird zunächst innerhalb des „Persönlichen Postfachs“ in den Ordner „Ge- löschte Objekte“ verschoben. Eine automatische Leerung dieses Ordners wird nicht vorgegeben, kann aber vom Anwender manuell oder durch eine Anwendungsregel beim Beenden der Anwen- dung Outlook initiiert werden. Wurde eine E-Mail aus dem Ordner „Gelöschte Objekte“ gelöscht, ist sie dennoch in einem für den Anwender im Zugriff befindlichen Bereich („Dumpster“) im Normalfall für 40 Tage wieder herstellbar . Nach 40 Tagen werden die im „Dumpster“ vorgehaltenen Objekte automatisch in der für den Endanwender nicht mehr in Zugriff befindlichen E-Mail-Server-Datenbank (Dumpster 2.0) für weite- re 40 Tage vorgehalten und können ausschließlich durch Administratoren des ZIB wieder zur Ver- fügung gestellt werden. Nach insgesamt 80 Tagen sind E-Mails noch weitere sieben Tage aus dem zentralen Backup (Sicherung) durch Administratoren des ZIB wiederherstellbar. Danach sind die E-Mails nicht mehr wiederherstellbar. Antje Niewisch-Lennartz (Ausgegeben am 10.10.2014) Drucksache 17/2099 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP), eingegangen am 15.08.2014 Korruptionsverdacht im LJPA - Der gelöschte E-Mail-Verkehr des Staatssekretärs Scheibel Antwort der Landesregierung