Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2133 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/1923 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Reinhold Hilbers (CDU), eingegangen am 29.08.2014 Wie geht es weiter mit der Pflegekammer? Am 30.07.2014 hat die Landesregierung auf einer Fachveranstaltung mit Pflegerinnen und Pflegern sowie Verbandsvertreterinnen und -vertretern über die von ihr in einem Eckpunktepapier zusam- mengefassten Chancen und bedenkenswerten Aspekte der Errichtung einer Pflegekammer disku- tiert. Das Meinungsbild unter den Anwesenden - Befürwortern wie auch Gegnern einer Pflegekam- mer - war uneinheitlich. Frau Sozialministerin Rundt äußerte in einer Pressemitteilung vom 30.07.2014, es gebe kritische Stimmen, aber durchaus auch viel Rückenwind für eine Pflegekammer. Besonders wichtig sei ihr, dass die Pflegekräfte beim Aufbau der Pflegekammer intensiv mitwirkten. Daher sollten auf dem Weg zu einem Gesetzentwurf nach der Sommerpause vier weitere Regionalveranstaltungen in Niedersachsen stattfinden, bei denen mit allen Beteiligten über die Anforderungen an eine Pflege- kammer diskutiert werde, so Frau Ministerin Rundt. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche neuen Erkenntnisse über die Anforderungen an eine Pflegekammer erhofft sich die Landesregierung aus vier weiteren Regionalveranstaltungen? 2. Welche der im Eckpunktepapier zusammengefassten Anforderungen an eine Pflegekammer sind verhandelbar, welche nicht? 3. Plant die Landesregierung über die angekündigten vier Regionalveranstaltungen hinaus wei- tere Initiativen, um neue Erkenntnisse über die Anforderungen zur Errichtung einer Pflege- kammer zu gewinnen, die dann in den bereits angekündigten Gesetzentwurf einfließen? 4. Wie beurteilt die Landesregierung die u. a. vom Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) vertretene Auffassung, dass die Pflegekammer zu einer Spaltung der Pflegeberufe beitragen werde, da von ihr nicht alle in der Pflege Beschäftigten vertreten wer- den? 5. Inwieweit können nach Auffassung der Landesregierung Pflegehelferinnen und Pflegehelfer von der mit der Errichtung einer Pflegekammer beabsichtigten Aufwertung der Pflegeberufe profitieren? 6. Sieht die Landesregierung bei den aktuell beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Ver- fassungsbeschwerden (1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13) gegen die Zwangsmitgliedschaft in Industrie- und Handelskammern Parallelen zur beabsichtigten Zwangsmitgliedschaft in der Pflegekammer? 7. Wäre nach Auffassung der Landesregierung auch eine freiwillige Mitgliedschaft in der Pflege- kammer denkbar? 8. Wann beabsichtigt die Landesregierung, eine Entscheidung bezüglich der Einrichtung einer Pflegekammer zu treffen? (An die Staatskanzlei übersandt am 08.09.2014) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2133 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 07.10.2014 für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - 104.2 - 41070-08/2 - Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass die Pflege eine deutliche Aufwertung erfährt, u. a. mit der Gründung einer eigenen berufsständischen Vertretung in Form einer Kammer. Die Errichtung einer Pflegekammer wird nicht nur in Niedersachsen kontrovers diskutiert. Das Mi- nisterium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MS) hat die bislang vorgetragenen Argu- mente bewertet, die Chancen und Risiken der Errichtung einer Pflegekammer sorgfältig abgewo- gen und das Ergebnis dieser Abwägung in einem Eckpunktepapier zur Organisation, zu Aufgaben und zur Finanzierung einer Pflegekammer (Anlage) zusammengestellt. Das Eckpunktepapier wurde am 30.07.2014 von MS im Rahmen einer zentralen Informationsver- anstaltung mit ca. 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern (u. a. Vertreterinnen und Vertreter von Be- rufsverbänden und Gewerkschaften, Landtagsabgeordnete und interessierte Pflegefachkräfte) vor- gestellt. Vier weitere regionale Veranstaltungen sind an den Standorten der Regionalbeauftragten und mit deren Beteiligung geplant (08.10. in Lüneburg, 21.10. in Braunschweig, 11.11. in Olden- burg, 13.11. in Hildesheim). Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Landesregierung möchte die Diskussion um die Errichtung einer Pflegekammer nicht abstrakt und ohne die von der Gründung einer Pflegekammer Betroffenen führen. Sie sucht vielmehr ganz bewusst den frühzeitigen Austausch mit den Pflegefachkräften vor Ort. Die Regionalveranstaltun- gen haben deshalb zum Ziel, die Pflegefachkräfte über die Pflegekammer zu informieren und ihre Fragen und Anregungen aufzugreifen und gegebenenfalls in den Gesetzentwurf einfließen zu las- sen. Des Weiteren sollen im Rahmen der Regionalveranstaltungen Multiplikatorinnen und Multipli- katoren gewonnen werden, die bereit sind, die Informationen weiter in die Fläche zu tragen und ak- tiv an der Errichtung der Pflegekammer mitzuarbeiten. Zu 2: Das Eckpunktepapier fasst die wesentlichen Inhalte des Gesetzentwurfs zusammen. Änderungs- vorschläge können im Rahmen der Anhörungsverfahren Berücksichtigung finden. Besonderes Ge- wicht werden dabei die Anregungen der zu verkammernden Pflegeberufe haben, deren Selbstver- waltung mit dem Gesetz geschaffen werden soll. Ein Großteil der pflegerischen Berufsverbände hat das Eckpunktepapier bereits ausdrücklich begrüßt. Zu 3: Wie zu Frage 1 erläutert, dienen die Regionalveranstaltungen nicht in erster Linie dem Ziel, neue Erkenntnisse über die Anforderungen zur Errichtung einer Pflegekammer zu gewinnen. Zur Ver- besserung des Informationsstands der von einer Verkammerung betroffenen Pflegefachkräfte sol- len von den Pflegefachkräften selbst - mit Unterstützung der Berufsverbände und Einrichtungsträ- ger - weitere lokale Informationsveranstaltungen organisiert werden. Zu 4 und 5: Eine Öffnung der Pflegekammer für alle Berufsgruppen, die in der Pflege tätig sind, ist nach Ansicht der Landesregierung aus rechtlicher Sicht nicht möglich. Der mit einer Zwangsverkammerung ein- hergehende Grundrechtseingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Artikel 2 des Grundge- setzes (GG) setzt zwingend eine bestimmbare Berufsgruppe voraus. Daraus ergibt sich eine Be- schränkung der Mitgliedschaft in der Pflegekammer auf die drei Berufe, deren Berufsbezeichnun- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2133 3 gen bundesgesetzlich geschützt sind (Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege sowie Ge- sundheits- und Kinderkrankenpflege). Die u. a. vom Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) postulierte Gefahr einer Spaltung der Pflegeberufe sieht die Landesregierung nicht. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass alle in der Pflege tätigen Berufsgruppen von der Gründung einer Pflegekammer profitieren, weil sich dadurch sowohl das Selbstverständnis als auch die öffentliche Wahrnehmung des pflege- rischen Berufsstandes insgesamt verbessern werden. Des Weiteren erhält der pflegerische Berufsstand über eine Pflegekammer das Recht, seine Ange- legenheiten innerhalb der bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen selbst zu regeln. Dies kann u. a. durch Empfehlungen zur Qualitätssicherung geschehen. In einem komplexen Arbeitsfeld wie der Pflege muss bei der Erarbeitung solcher Standards in der Regel der gesamte Pflegepro- zess Berücksichtigung finden. Die Pflegefachkräfte haben im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung für die pflegerische Versorgung sicherzustellen, dass sie beispielsweise auch von den unter ihrer Verantwortung tätigen Pflegehilfskräften beachtet werden. Zu 6: Die Landesregierung sieht davon ab, zu einem laufenden Verfassungsbeschwerdeverfahren Stel- lung zu nehmen. Für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht tatsächlich seine Rechtsprechung im Hinblick auf die Zwangsmitgliedschaften in Industrie- und Handelskammern aufgäbe, würde die Landesregie- rung etwaige Auswirkungen auf die Errichtung einer Pflegekammer unverzüglich prüfen. Dabei müsste zunächst untersucht werden, ob sich ein solches Urteil zu den Industrie- und Handelskam- mern - als gruppenplurale Kammerorganisationen - im konkreten Einzelfall auf die Pflegekammer - als monistische Berufskammer - übertragen ließe. Zu 7: Ein wesentliches Merkmal einer Kammer ist, dass sie eine demokratisch legitimierte berufspoliti- sche Vertretung aller Mitglieder der verkammerten Berufsgruppe darstellt (Majoritätsprinzip). Nur unter dieser Voraussetzung kann sie ihre Hauptaufgabe - die Bündelung der berufsständischen In- teressen - wahrnehmen. Um dies zu erreichen, sind eine Erfassung aller Berufsangehörigen - in diesem Fall der Pflegefachkräfte - in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit eine Pflichtmitgliedschaft erforderlich. Zu 8: Laut Koalitionsvereinbarung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands - Landesverband Nie- dersachsen - mit Bündnis 90/Die Grünen - Landesverband Niedersachsen - für die 17. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtages 2013 bis 2018 (S. 31) ist es das Ziel der Landesregierung, über die Einrichtung einer niedersächsischen Pflegekammer zu beraten und zu entscheiden. Das Eck- punktepapier, das aktuell den Pflegefachkräften vor Ort vorgestellt und mit ihnen diskutiert wird, stellt einen ersten Meilenstein in diesem Prozess dar. Nach Abschluss der Informationsveranstal- tungen wird das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet. Mit Vorlage des Gesetzentwurfs im Kabinett wird ein formeller Beschluss der Landesregierung zur Errichtung einer Pflegekammer herbeige- führt. In Vertretung Jörg Röhmann Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2133 4 Anlage Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2133 5 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2133 6 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2133 7 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2133 8 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2133 9 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2133 10 (Ausgegeben am 14.10.2014) Drucksache 17/2133 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/1923 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Reinhold Hilbers (CDU), eingegangen am 29.08.2014 Wie geht es weiter mit der Pflegekammer? Antwort der Landesregierung Anlage