Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2179 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Mechthild Ross-Luttmann (CDU), eingegangen am 07.08.2014 Hat Justizministerin Niewisch-Lennartz in der Plenarsitzung vom 26. Juni 2014 falsch infor- miert? In der Plenarsitzung am 26. Juni 2014 wurde die Landesregierung im Rahmen der Dringlichen An- frage der CDU-Fraktion („Wie viele Dienstwagenaffären hat die Regierung Weil?“) nach der wider- rechtlichen Verwendung von Dienstwagen und damit zusammenhängenden Verfahren befragt. Erst auf ausdrückliches Nachfragen, ob der Präsident des Landgerichtes Hannover während seiner Amtszeit als Präsident des Landgerichtes Hildesheim mehrfach unerlaubt einen Dienstwagen der Behörde für Privatfahrten nutzte, wurden entsprechende Vorfälle von der Landesregierung einge- räumt. Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz sagte zu diesem Fall, der übergeordnete Mittelbehörden- leiter habe die 13 Privatfahrten des Landgerichtspräsidenten mit dem Dienstwagen der Behörde für „genehmigungsfähig“ befunden und sie „im Nachhinein genehmigt“ (Plenarprotokoll vom 26. Juni 2014, Seite 3475). In der Richtlinie über Dienstkraftfahrzeuge in der Landesverwaltung (Kfz-Richtlinie) vom 11. Mai 2012 (Nds. MBl 2012, 398) heißt es in Ziffer 6 („Privatfahrten“) u. a.: „Für regelmäßige Fahrten zwi- schen Wohnung und Dienststätte dürfen Dienstkraftfahrzeuge benutzt werden von Behördenleite- rinnen und Behördenleitern in besonders begründeten Ausnahmefällen mit Einwilligung der zustän- digen obersten Landesbehörde.“ Eine Einwilligung setzt nach dem allgemeinen Rechtsverständnis voraus, dass diese vor der Hand- lung, für die sie benötigt wird, erteilt wird. In Ziffer 14 der Kfz-Richtlinie heißt es unter der Überschrift „Abweichende Regelungen“: „Von die- ser Richtlinie abweichende Regelungen für besondere Bereiche kann die zuständige oberste Lan- desbehörde mit Zustimmung des MF treffen.“ Die Möglichkeit einer nachträglichen Genehmigung von Privatfahrten mit Dienstkraftfahrzeugen durch eine Mittelbehörde wird in der Kfz-Richtlinie nicht erwähnt. Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz erklärte in der Plenarsitzung vom 26. Juni 2014 auf eine Nachfrage des Abgeordneten Dr. Stefan Birkner (FDP), wie es im Ergebnis sein könne und wie sie es bewerte, dass vergleichbare Sachverhalte offensichtlich unterschiedlich behandelt worden sei- en, dass das Ergebnis der Prüfung ihre „Billigung“ finde (Plenarprotokoll vom 26. Juni 2014, S. 3480). Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Auf welcher rechtlichen Grundlage können unerlaubte Privatfahrten von Behördenleiterinnen und Behördenleitern von wem nachträglich genehmigt werden? 2. Falls es keine rechtliche Grundlage zur nachträglichen Genehmigung unerlaubter Privatfahr- ten geben sollte: Wie kann ein Disziplinarverfahren wegen unerlaubter Privatnutzung von Dienstwagen eingestellt werden, weil diese im Vorhinein genehmigungsfähig gewesen wäre, aber nicht im Vorhinein genehmigt war? 3. Unterlag Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz mit ihrer Äußerung in der Plenarsitzung am 26. Juni 2014, wonach der übergeordnete Mittelbehördenleiter die 13 Privatfahrten des sei- nerzeitigen Hildesheimer Landgerichtspräsidenten im Nachhinein genehmigt habe, und dass sie dies ausdrücklich billige, einem rechtlichem Irrtum bei der Zulässigkeit der nachträglichen Genehmigung? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2179 2 4. Billigt es die Justizministerin weiterhin, wenn in ihrem Geschäftsbereich Privatfahrten mit Dienstwagen nachträglich von einer Mittelbehörde genehmigt werden, obwohl diese Möglich- keit in der Kfz-Richtlinie gar nicht vorgesehen und damit rechtswidrig ist? 5. Hat die Landesregierung inzwischen Kenntnisse über weitere unerlaubte private Fahrten von Behördenleiterinnen und Behördenleitern, wenn ja, wie viele und vom wem? 6. Wie viele und welche Behördenleiterinnen oder Behördenleiter haben gegenwärtig eine Ein- willigung einer obersten Landesbehörde und/oder eine Genehmigung einer Mittelbehördenlei- terin oder eines Mittelbehördenleiters für Fahrten zwischen Wohnung und Dienststätte, und von wem wurde diese aus welchen Gründen erteilt? (An die Staatskanzlei übersandt am 13.08.2014 - II/725 - 889) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Justizministerium Hannover, den 10.10.2014 - 5451 I – 101. 32 - Die Landesregierung behandelt Verstöße gegen die Bestimmungen der Richtlinie über Dienstkraft- fahrzeuge in der Landesverwaltung des Landes Niedersachsen („Kfz-Richtlinie“) stets einzelfallab- hängig auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen. Die konkrete rechtliche Bewertung der Nutzung eines Dienstkraftfahrzeugs hängt maßgeblich von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Diese können dazu führen, dass es bei identischem rechtlichen Prüfungsmaßstab je nach Lage des Einzelfalls unterschiedliche Ergebnisse in der recht- lichen Bewertung gibt. Das Justizministerium ist mit der Frage der außerordentlichen Nutzung eines Dienstkraftwagens in den letzten Monaten allein mit dem nachfolgenden Sachverhalt befasst gewesen: Der damalige Präsident des Landgerichts Hildesheim hat im Juni und Juli 2013 während des soge- nannten Sommerhochwassers und den damit verbundenen Einschränkungen im ICE-Verkehr in insgesamt 13 Fällen seine Anreise vom Wohn- zum Dienstort in Hannover unterbrochen, um mit dem Dienstkraftfahrzeug vom Hauptbahnhof in Hannover zu seinem Dienstort nach Hildesheim zu fahren. Das Oberlandesgericht Celle als zuständige Disziplinarbehörde hat die Einleitung eines Disziplinarverfahrens überprüft und anschließend gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 NDiszG von der Einlei- tung eines Disziplinarverfahrens abgesehen. Dieser Entscheidung lag u. a. auch die Erwägung zu- grunde, dass es sich angesichts der hochwasserbedingten Einschränkungen im Zugverkehr und der dadurch drohenden Beeinträchtigung dienstlicher Verpflichtungen und Termine um besonders begründete Ausnahmefälle im Sinne von Nr. 6.2.2 der Kfz-Richtlinie gehandelt habe, die grundsätz- lich einwilligungsfähig gewesen wären. Die Beantwortung der Fragen hat gemäß Artikel 24 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung unter Beachtung schutzwürdiger Interessen Dritter zu erfolgen. Die Fürsorgepflicht gegenüber den Be- troffenen und die Unschuldsvermutung sowie das Recht der Bediensteten auf informationelle Selbstbestimmung gebieten es, zu persönlichen Daten aus laufenden Ermittlungsverfahren keine detaillierten Auskünfte zu erteilen. Im Übrigen wird auf die Antworten der Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung der Abge- ordneten Mechthild Ross-Luttmann (CDU): „Misst die Landesregierung bei mutmaßlichen Dienstvergehen leitender Beamter mit zweierlei Maß?“ (Drs. 17/1723), eingegangen am 23. Mai 2014, vollumfänglich Bezug genommen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2179 3 Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Nach Nr. 6.2.2 der Kfz-Richtlinie dürfen von Behördenleiterinnen und Behördenleitern in besonders begründeten Ausnahmefällen mit Einwilligung der zuständigen obersten Landesbehörde für regel- mäßige Fahrten zwischen Wohnung und Dienststätte Dienstkraftfahrzeuge benutzt werden. Eine Einwilligung ist vorher zu erteilen. Zu 2: Ob die Voraussetzungen für eine Einstellung eines Disziplinarverfahrens vorliegen, ist jeweils ein- zelfallabhängig unter Berücksichtigung der konkreten Umstände auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen zu entscheiden. Rechtsgrundlage für die Einstellung eines Disziplinarverfahrens - auch wegen unerlaubter Dienst- wagennutzung - ist § 32 NDiszG. Danach stellt die Disziplinarbehörde das Disziplinarverfahren ein, wenn 1. ein Dienstvergehen nicht erwiesen ist, 2. ein Dienstvergehen zwar erwiesen ist, eine Disziplinarmaßnahme jedoch nicht angezeigt er- scheint, 3. nach § 15 oder § 16 NDiszG eine Disziplinarmaßnahme nicht ausgesprochen werden darf, 4. das Disziplinarverfahren oder eine Disziplinarmaßnahme aus sonstigen Gründen unzulässig ist, 5. das Beamtenverhältnis aufgrund der Entlassung oder der Entfernung aus dem Beamtenver- hältnis oder bei Verlust der Beamtenrechte beendet ist oder 6. nach § 71 NBeamtVG der Verlust der Rechte als Ruhestandsbeamtin oder als Ruhestands- beamter eintritt. Daneben kann der Dienstvorgesetzte gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 NDiszG von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens absehen, wenn feststeht, dass eine Disziplinarmaßnahme nicht angezeigt er- scheint. Zu 3: Eine nachträgliche Genehmigung der Dienstwagenfahrten durch den Präsidenten des Oberlandes- gerichts Celle ist nicht erteilt worden. Der Präsident des Oberlandesgerichts Celle hat lediglich von disziplinarrechtlichen Maßnahmen gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 NDiszG abgesehen. Wegen der Äußerung der Justizministerin wird auf die Drs. 17/1857 verwiesen. Zu 4: Es gab und gibt keine nachträglichen Genehmigungen von Dienstwagenfahrten durch eine Mittel- behörde. Zu 5: Die Landesregierung hat keine Erkenntnisse über weitere unerlaubte Privatfahrten von Behörden- leiterinnen und Behördenleitern, die über diejenigen hinausgehen, die bereits auf die Dringliche An- frage der CDU (Drs. 17/1653) in der Plenarsitzung im Juni bekanntgegeben worden sind. Zu 6: a) Im Geschäftsbereich des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) hat der Präsident des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Le- bensmittelsicherheit mit Erlass des ML vom 8. Februar 2002 eine Genehmigung erhalten, das Dienstfahrzeug auch für regelmäßige Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle nutzen zu dürfen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2179 4 Die Behördenleitung des mit Wirkung vom 1. Juli 2001 neu errichteten Landesamtes wurde mit Zustimmung des Finanzministeriums denen in der Aufzählung unter Nr. 2.1.1.2 der seinerzeit gültigen Kfz-Richtlinie gleichgestellt. Der Geschäftsführer der Niedersächsischen Landgesellschaft mbH ist aufgrund seines Dienst- vertrages mit dem ML berechtigt, den betrieblichen Personenkraftwagen auch privat zu nutzen. b) Im Geschäftsbereich des Ministeriums für Inneres und Sport ist ausschließlich den neun Behör- denleitern der Polizei die Einwilligung für Fahrten zwischen Wohnung und Dienststätte nach den Bedingungen der Kfz-Richtlinie erteilt worden. Die Einwilligung gemäß Nr. 6.2.2 der Kfz-Richtlinie wurde durch den Landespolizeipräsidenten in der 43. Behördenleitertagung der Polizei am 23. April 2012 mündlich erteilt und ist entspre- chend protokolliert worden. Die diese Einwilligung tragenden Gründe lagen und liegen insbe- sondere in den besonderen Aufgabenstellungen dieser Behördenleiter. c) Durch das Ministerium für Wissenschaft und Kultur sind im Hochschulbereich in drei Fällen Hochschulpräsidenten Genehmigungen nach Nr. 6.2.2 der Kfz-Richtlinie erteilt worden, in Aus- nahmefällen ein Dienstkraftfahrzeug für Fahrten zwischen Dienststelle und Wohnort nutzen zu dürfen (TU Braunschweig in 2007, HS Hildesheim/Holzminden/Göttingen in 2007, HS Wilhelms- haven/Oldenburg/Elsfleth in 2013). In einem Fall wurde einem Präsidiumsmitglied der Medizini- schen Hochschule Hannover in seinem (vertraulichen) Dienstvertrag im Rahmen einer einzel- vertraglichen Regelung die Nutzung eines Dienstkraftfahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle zugestanden. Dem Dienstvertrag und damit auch der Ausnahmeregelung wur- de durch das Finanzministerium zugestimmt. Darüber hinaus wurde dem Präsidenten der Klos- terkammer Hannover 2012 ebenfalls eine Ausnahmegenehmigung nach Nr. 6.2.2 der Kfz- Richtlinie erteilt. d) Dem Präsidenten des Landgerichts Braunschweig wurde auf seinen Antrag hin 2014 durch das Justizministerium die Erlaubnis erteilt, den Dienstwagen des Landgerichts für Fahrten zwischen seiner Wohnung und seiner Arbeitsstätte zu nutzen. Anlass hierfür ist eine Erkrankung des Prä- sidenten des Landgerichts Braunschweig. Antje Niewisch-Lennartz (Ausgegeben am 21.10.2014) Drucksache 17/2179 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Mechthild Ross-Luttmann (CDU), eingegangen am 07.08.2014 Hat Justizministerin Niewisch-Lennartz in der Plenarsitzung vom 26. Juni 2014 falsch infor-miert? Antwort der Landesregierung