Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2202 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Burkhard Jasper, Petra Joumaah, Volker Meyer, Gudrun Pieper und Annette Schwarz (CDU), eingegangen am 07.08.2014 „Mitten drin!“ statt „DabeiSein!“ - Wie profitieren Kinder aus finanziell benachteiligten Fami- lien? Mit Pressemitteilung vom 29.07.2014 hat Sozialministerin Rundt angekündigt, dass die Landesre- gierung mit dem neuen Projekt „Mitten drin!“ für drei Jahre insgesamt 1,2 Mio. Euro bereitstelle, um Kindern und Jugendlichen aus finanziell benachteiligten Familien landesweit den Weg in die Mitte der Gesellschaft zu ebnen. „Mitten drin!“ sei der Nachfolger des 2013 ausgelaufenen Sonderfonds „DabeiSein!“, mit dem Niedersachsen fünf Jahre lang Bildungs- und Freizeitmaßnahmen für Kinder aus finanziell benachteiligten Familien mit insgesamt 2 Mio. Euro förderte. In der Pressemitteilung heißt es, anstelle von kurz wirksamer Hilfe im Einzelfall setze das neue Pro- jekt auf strukturelle, nachhaltige Angebote. Auch würden zahlreiche Leistungen des 2008 eingerich- teten Sonderfonds mittlerweile durch das Bildungs- und Teilhabepaket zum SGB II abgedeckt. Als Projektträger für „Mitten drin!“ habe man den Landesverband des Kinderschutzbundes gewonnen. Weiterhin sei es Ziel des Projektes, Mädchen und Jungen, die aufgrund unterschiedlicher Problem- lagen ihrer Familien am Rand stehen, zu fördern und sie zu ermutigen, ihr Lebensumfeld aktiv mit- zugestalten. Da positive Erfahrungen und die Stärkung eigener Kompetenzen wesentlich seien, um Benachteiligung ausgleichend entgegenzuwirken, ziele „Mitten drin!“ besonders auf die Förderung von Mobilität und Vernetzung im strukturschwachen Raum, die Förderung von Sprach- und sozialer Kompetenz und die Förderung von Projekten ab, die Kindern und Jugendlichen die Erfahrung er- möglichen, mit eigenem Handeln etwas bewirken und verändern zu können. Insofern könnten kon- krete Gruppenangebote von der mobilen Fahrradwerkstatt über Lernbetreuung und Lesepatenmo- delle bis zur Jonglagegruppe reichen. Gefördert würden Mikroprojekte mit 2 000 Euro und Mak- roprojekte mit bis zu 10 000 Euro, so die Pressemitteilung. Im Unterschied zum Sonderfonds „DabeiSein!“ sollen die finanziell benachteiligten Familien bei „Mitten drin!“ jedoch nicht als Antragsteller auftreten. Antragsteller können nur freie Träger der Jugendhilfe , gemeinnützige Vereine und Verbände sein. Wie Kinder konkret von den geförderten An- geboten profitieren können, bleibt unklar. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie erfahren Kinder aus finanziell benachteiligten Familien davon, dass ihnen mit „Mitten drin!“ der Weg in die Mitte der Gesellschaft geebnet werden soll, bzw. auf welche Weise so l- len die geförderten Projekte zielgruppenspezifisch beworben werden? 2. Wer bearbeitet die Anträge auf Projektförderung, zahlt die Mittel aus und prüft die bestim- mungsgemäße Mittelverwendung? 3. Können nur Kinder aus finanziell benachteiligten Familien von den geförderten Angeboten profitieren, oder stehen die Angebote allen interessierten Kindern und Jugendlichen offen? 4. Falls nur Kinder aus finanziell benachteiligten Familien von den geförderten Angeboten profi- tieren können, wie und gegenüber wem muss die finanzielle Bedürftigkeit nachgewiesen wer- den? 5. Ist die Teilnahme an den geförderten Angeboten für die Kinder und Jugendlichen kostenlos? 6. Ist eine mobile Fahrradwerkstatt als Projekt förderungsfähig, weil die Kinder und Jugendlichen durch ihre Mitarbeit in der Fahrradwerkstatt „etwas bewirken oder verändern können“, oder sollen sie lediglich ihr defektes Fahrrad dorthin zur Reparatur bringen, um anschließend von wiedergewonnener „Mobilität und Vernetzungsmöglichkeiten im strukturschwachen Raum“ zu profitieren? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2202 2 7. Können auch die Familienverbände mit konkreten Projekten, die sich von den mit der RL Fa- milienerholung geförderten Maßnahmen unterscheiden, als Antragsteller auftreten? 8. Welche Leistungen des 2013 ausgelaufenen Sonderfonds „DabeiSein!“ werden mittlerweile durch das Bildungs- und Teilhabepaket zum SGB II abgedeckt? (An die Staatskanzlei übersandt am 13.08.2014 - II/725 - 891) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 14.10.2014 für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - 101.22/43190/14-04 - Die Förderung von Kindern aus benachteiligten Familien durch das Projekt „Dabei sein!“ ist ursprünglich auf die Kinder und Jugendlichen ausgerichtet gewesen, die jetzt berechtigt sind, Leis- tungen des Bildungs- und Teilhabepakets zu beziehen. Von daher hatte sich mit dessen Inkrafttre- ten der ursprüngliche Zweck erledigt. Die verbleibenden Mittel sind durch eine Ausweitung des an- spruchsberechtigten Personenkreises weitgehend verausgabt worden. Erfahrungen aus der Bewil- ligungspraxis der Teilhabeleistungen zeigen, dass die Teilhabehindernisse für die Kinder aus be- nachteiligten Familien nur zum Teil über die Zuerkennung individueller Leistungsansprüche besei- tigt werden können. Deshalb hat es nahe gelegen, sich stärker auf die strukturellen Bedingungen und die Angebotsseite zu fokussieren. Aus diesem Grund wird die Förderung künftig so gestaltet, dass die Möglichkeiten, Teilhabeangebote in Anspruch zu nehmen - vor allem auch im ländlichen Raum - gestärkt werden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die regionalen Akteure entwickeln strukturelle Angebote und bewerben diese dann entsprechend vor Ort. Abhängig von der Art des Angebots und der konkreten Zielgruppe erfolgt eine passende Bewerbung, z. B. über die Schulen, die Familienbüros, Jobcenter oder andere Kooperationspartner in der Jugendarbeit bzw. Jugendhilfe. Eine Zusammenarbeit mit der örtlichen Jugendhilfe ist jedenfalls wünschenswert, damit das Ange- bot in die Strukturen vor Ort und die örtliche Jugendhilfeplanung aufgenommen werden kann. Zu 2: Die Antragstellung erfolgt elektronisch direkt beim Deutschen Kinderschutzbund Landesverband Niedersachsen e. V. (DKSB), der die Mittel an die örtlichen Akteure weiterleitet. Die Erstprüfung er- folgt durch den DKSB, der die ordnungsgemäße Mittelverwendung dem Niedersächsischen Lan- desamt für Soziales, Jugend und Familie (LS) im Rahmen der vorgeschriebenen Verwendungs- nachweisprüfung darlegt. Zu 3: Zielgruppe der Aktionen sind sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche. Grundsätzlich soll eine Gleichstellung und gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht werden, allerdings nicht durch Stigmati- sierung oder Ausschluss bestimmter Kinder, sondern durch eine gezielte Ansprache von offensicht- lich benachteiligten Kindern durch die örtlichen Einrichtungen, damit diese die neuen Angebote auch wahrnehmen. Der DKSB verlässt sich dabei auf die Kompetenz der Jugendhilfe bzw. der Ak- teure vor Ort, die im Rahmen der Jugendhilfe und Jugendarbeit in der Regel schon über gute Kon- takte zur Zielgruppe verfügen. Zu 4: Entfällt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2202 3 Zu 5: Eine geregelte Vorgabe gibt es dazu nicht, allerdings sollen die Angebote vor Ort niedrigschwellig sein und sich gezielt an benachteiligte Kinder bzw. deren Eltern richten, sodass sich schon vom Sinn und Zweck von „Mitten drin!“ ein hoher Teilnehmerbetrag verbietet. Im Rahmen von Gesprächen mit örtlichen Akteuren der Jugendarbeit/Jugendhilfe wurde der Eindruck gewonnen, dass ge- ringe Teilnehmerbeiträge für eine verlässlichere Teilnahme sorgen. Die örtlichen Akteure können - entsprechend ihres geplanten Angebotes - am besten einschätzen, ob das Angebot kostenfrei oder mit einem symbolischen Teilnehmerbetrag verbunden sein soll. Finanzielle Hürden für eine Teil- nahme soll es nicht geben. Zu 6: „Mitten drin!“ soll die Aktivität von Kindern und Jugendlichen fördern und ihnen Teilhabemöglichke i- ten durch strukturelle Angebote bieten. Bei einer mobilen Fahrradwerkstatt würde es also darum gehen, die Kinder zu befähigen, ihr Fahrrad selbst zu reparieren, wobei auch Aspekte des gegen- seitigen Helfens, der Selbstorganisation, des Selbstvertrauens und einer Selbstwirksamkeit hinein fließen. „Mitten drin!“ zielt darauf ab, benachteiligte Kinder und Jugendliche in gemeinschaftlichen Aktionen klar zu fördern und zu stärken, nicht passive Hilfsmöglichkeiten anzubieten. Zu 7: Antragsberechtigt sind auch gemeinnützige Vereine und Verbände in Niedersachsen. Eine Beteili- gung der niedersächsischen Familienverbände - als Akteur vor Ort, Multiplikator oder Partner eines örtlichen Angebotes - ist nicht ausgeschlossen. Der DKSB plant Regionalveranstaltungen, um über „Mitten drin!“ zu informieren und würde auch die Familienverbände über die Arbeitsgemeinschaft der Familienverbände in Niedersachsen dazu einladen. Zu 8: Das Bildungs- und Teilhabepaket, das mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch zum 01.01.2011 eingeführt wurde, verschafft Kindern und Jugendlichen aus bedürftigen Haushalten einen Rechtsanspruch auf Leis- tungen für Schulausflüge und Klassenfahrten, Pauschalzahlungen für Schulbedarf, Schülerbeförde- rungskosten, außerschulische Lernförderung, gemeinschaftliches Mittagessen sowie Teilhabean- gebote z. B. von Sportvereinen, Musikschulen und die Teilnahme an Freizeiten. Hierbei handelt es sich - bis auf Leistungen für gemeinschaftliches Mittagessen - um solche, die bis Ende 2013 die Stiftung „Familie in Not“ durch den Sonderfonds „Dabei sein!“ in vergleichbarer Weise gewährt hat. Die in den Förderungsgrundsätzen genannten Aktivitäten und Leistungen werden ausnahmslos durch das Bildungs- und Teilhabepaket abgedeckt, soweit die in § 28 des Sozialgesetzbuch Zwei- tes Buch (SGB II) 1 bzw. § 34 des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) 2 näher bestimmten Voraussetzungen im jeweiligen Einzelfall vorliegen und eine Leistungsberechtigung nach dem SGB II, dem SGB XII, dem Asylbewerberleistungsgesetz 3 oder § 6 b Bundeskindergeldgesetz 4 be- steht. Cornelia Rundt 1 Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. Juli 2014 (BGBl. I S. 1306) 2 Das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022, 3023), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 21. Juli 2014 (BGBl. I S. 1133) 3 Asylbewerberleistungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997 (BGBl. I S. 2022), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22. November 2011 (BGBl. I S. 2258) 4 Bundeskindergeldgesetz in der Fassung vom 28. Januar 2009 (BGBl. I S. 142, 3177), zuletzt geändert durch Artikel 21 des Gesetzes vom 25. Juli 2014 (BGBl. I S. 1266) (Ausgegeben am 23.10.2014) Drucksache 17/2202 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Burkhard Jasper, Petra Joumaah, Volker Meyer, Gudrun Pieper und Annette Schwarz (CDU), eingegangen am 07.08.2014 „Mitten drin!“ statt „DabeiSein!“ - Wie profitieren Kinder aus finanziell benachteiligten Familien? Antwort der Landesregierung