Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2295 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/1905 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 26.08.2014 Fan-Sonderzüge in Niedersachsen In der Diskussion um die Sicherheit im Fußball wurde in den letzten Wochen und Monaten auch vermehrt über die Reisewege von Fußballfans diskutiert. Nach Schätzungen sind an jedem Spiel- tag 100 000 Fans auf der Schiene unterwegs. Bei der Planung der Spieltage werden bereits heute potenzielle Aufeinandertreffen rivalisierender Fangruppen an Autobahnraststätten und Unterwegs- bahnhöfen zu minimieren versucht. Die Innenministerkonferenz hat zudem auf ihrer Sitzung in Bonn in diesem Jahr über das umstrittene Kombiticket diskutiert, welches in Niedersachsen beim Derby Eintracht Braunschweig gegen Hannover 96 für die Gästefans eingesetzt wurde. Neben Zwangsmaßnahmen, die immer Akzeptanzprobleme mit sich bringen, gibt es allerdings auch positi- ve Anreize, welche zu einem reibungsloseren Reiseverlauf an Spieltagen der ersten drei Ligen bei- tragen könnten. In Nordrhein-Westfalen soll es beispielsweise in Zukunft mehr Fan-Sonderzüge geben. Ziel ist es, einem Teil der Fans eine zusätzliche, attraktive und bezahlbare Option für die Anreise zu Auswärtsspielen zu bieten. Nebenbei wird der normale Reiseverkehr von Nicht-Fuß- ballfans weniger beeinträchtigt. Überfüllte Züge im Nahverkehr sind insbesondere an den Wochen- enden vielfach schon heute eine Zumutung für Fans und sonstige Reisende. Bereits in der Fort- schreibung 2012 des „Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit“ hieß es: „Bei der Planung der Sonderzugfahrten sind die seitens des Bestellers gewählten An- und Abfahrtbahnhöfe mit den Si- cherheitsbehörden abzustimmen und vor Festschreibung des Fahrplans zwischen diesen festzule- gen.“ Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Auf dem sogenannten Fangipfel der Deutschen Bahn im Dezember 2012 in Frankfurt am Main waren mit Lorenz Caffier und Joachim Hermann auch zwei Innenminister vertreten, die sich mit Redebeiträgen an der Diskussion um mehr Fan-Sonderzüge beteiligt haben. Wurde das Thema daraufhin in der Innenministerkonferenz diskutiert, und welche Beschlüsse und praktischen Maßnahmen wurden daraufhin getroffen? 2. Inwieweit hat der Ausschuss Sport und Sicherheit Fan-Sonderzüge in Niedersachsen thema- tisiert, und wurde vonseiten des Ausschusses und/oder des Innenministeriums Kontakt mit der Deutschen Bahn und privaten Bahnbetreibern wegen der Erörterung der Möglichkeit des Einsatzes von Sonderzügen für Fanreisende, insbesondere mit Blick auf die Netzkapazitäten, gesucht? Die Deutsche Bahn hatte sich beim Fangipfel 2012 schließlich sehr offen für zusätz- liche Sonder- und Entlastungszüge gezeigt. 3. Wie viele Sonderzüge für Fußballfans wurden in Niedersachsen in den letzten Jahren einge- setzt, und inwieweit war die Landesregierung an dem Einsatz der Züge durch Gespräche oder Koordinierung eingebunden? 4. Wurde der Einsatz von Sonderzügen auch bei den beiden Niedersachsenderbys zwischen Braunschweig und Hannover in der letzten Saison geprüft? 5. Wie bewertet die Landesregierung grundsätzlich den Einsatz von Fan-Sonderzügen und den aktuellen Vorstoß aus Nordrhein-Westfalen? Kann sich die Landesregierung Sonderzüge auch in den Ligen unterhalb der ersten drei Bundesligen vorstellen, wenn es das Fanaufkom- men als realistisch erscheinen lässt? 6. Fanvertreter haben beim Fangipfel der Deutschen Bahn vor zwei Jahren in Frankfurt bekun- det, dass für den Einsatz von Fan-Sonderzügen auch ausrangierte Züge infrage kommen, um Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2295 2 Kosten und Kapazitätsengpässe bei der Bahn zu vermeiden. Inwieweit wurde dieser Vor- schlag bei den Gesprächen der Landesregierung mit der Deutschen Bahn aufgegriffen? 7. Beim Fangipfel der Deutschen Bahn wurde auch das Thema der selbstverwalteten Fan- Sonderzüge diskutiert. Dabei sind die Fußballfans in die Organisation von Sonderzügen ein- gebunden (Preise, Ticketing, Verpflegung etc.) und in Absprache mit ihrem Verein und dem Ordnungsdienst auch weitgehend und - soweit rechtlich möglich - für die Sicherheit im Zug verantwortlich. Dadurch würde die von der Politik häufig eingeforderte Selbstregulierung ge- stärkt. Wie bewertet die Landesregierung dieses Modell, und wie schätzt die Landesregierung den Erfolg des in der Praxis bereits mehrfach umgesetzten Modells ein? 8. Nordrhein-Westfalen plant, Fan-Sonderzüge einzusetzen, die zu Auswärtsspielen nach Nie- dersachsen fahren. Inwieweit sind die Landesregierung und die Landespolizei in die Planung dieser Sonderzüge auf niedersächsischem Terrain eingebunden? 9. Wie schätzt die Landesregierung die Wirkung von Fan-Sonderzügen auf die Reduzierung von Einsatzstunden der Polizei ein? 10. Hat die Landesregierung Gespräche mit dem Deutschen Fußballbund über den Einsatz von Sonderzügen geführt, da dieser doch in Nordrheinwestfalen entsprechende Planungen auch finanziell unterstützt? 11. Wichtig bei der Ausweitung eingesetzter Sonderzüge wäre die frühzeitige Einbindung der Fans. Werden Fanvertreter in den Ausschüssen Sport und Sicherheit mittlerweile eingebun- den, und wenn nicht, hat die Landesregierung entsprechende Vorschläge gegenüber den Netzwerkpartnern des NKSS bezüglich der Einbindung der Fans unternommen? Wenn nicht, aus welchen Gründen nicht? (An die Staatskanzlei übersandt am 02.09.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 29.10.2014 für Inneres und Sport - 24.16-12310/5-11866/14 - Der Fußball in Deutschland erfreut sich seit Jahren eines unverminderten Zuschauerzuspruchs. Allein in der höchsten deutschen Spielklasse besuchten in den letzten Spielzeiten jeweils mehr als 13 Mio. Zuschauerinnen und Zuschauer die Bundesligaspiele, was einem Durchschnittsbesuch von mehr als 42 000 Personen je Spiel entspricht. Mit diesen hohen Besucherzahlen ist verbunden, dass eine Vielzahl von Fans ihre Vereine zu deren Auswärtsspielen begleiten. Abhängig von der Größenordnung sowie der Verbreitung ihrer Fanszenen mobilisieren Vereine bundesweit oder regi- onal mehr oder weniger Anhänger. Je nach Entfernung und Erreichbarkeit werden dabei unter- schiedliche Verkehrsmittel genutzt. Neben der weit verbreiteten Anreise auf der Straße, ob individuell oder organisiert mit Pkw bzw. Bussen, ist gerade die Bahn das Verkehrsmittel, mit dem an den Spieltagen bis zu 100 000 Men- schen zu und von den Spielstätten reisen. Fahrten zu den Auswärtsspielen sind für viele Fans, ins- besondere Angehörige der Ultragruppierungen, ein fester Bestandteil der Fankultur und erstrecken sich zum Teil über mehrere Wochentage. Dabei nutzen die üblicherweise in Gruppen reisenden Fußballanhänger überwiegend günstige Angebote. Der zunehmenden Bedeutung des Themas Fanreiseverkehr haben sich die Beteiligten im Netzwerk Fußball in den zurückliegenden Jahren angenommen. So wurde im Rahmen der Fortschreibung des Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit im Jahr 2012 der „Fanreiseverkehr“ als zusätzli- ches Handlungsfeld aufgenommen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2295 3 Darüber hinaus wurde 2013 auf Basis der Handlungsempfehlungen der Task Force Sicherheit beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) im Nationalen Ausschuss Sport und Sicherheit (NASS) der Unter- ausschuss „Fanreiseverkehr“ eingerichtet. Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senato- ren der Länder (IMK) wird im NASS durch den Vorsitzenden vertreten. Weiterhin findet sich das Thema in den Spitzengesprächen der IMK mit Vertretern des DFB und der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH. Die Vereine und Verbände sind sich auch in diesem Handlungsfeld ihrer Verantwortung zuneh- mend bewusst. So standen die diesjährigen Regionalkonferenzen der DFL und des DFB unter dem Motto „Reisemanagement Fußballfans: Eine Reise gemeinsam gestalten!“. Im Rahmen von vier Veranstaltungen tauschten sich u. a. Vertreterinnen und Vertreter der Verbände und Vereine, der Fanprojekte, der Deutschen Bahn AG sowie der Polizeien der Länder und des Bundes aus und entwickelten verschiedene Lösungsansätze. Niedersachsen war auf den Regionalkonferenzen Ost in Dresden und Nord in Hamburg vertreten. Die Ergebnisse der Regionalkonferenzen 2014 werden derzeit in der AG Regionalkonferenz beim DFB ausgewertet und im kommenden Jahr vorgestellt. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die IMK hat unter dem Vorsitz des Ministeriums für Inneres und Sport das Thema Fanreiseverkehr im Rahmen ihrer 198. Sitzung vom 4. bis 6. Dezember 2013 in Osnabrück im Zusammenhang mit dem Tagesordnungspunkt 51, Sachstand der Umsetzung der von DFB und DFL geforderten Maß- nahmen, erörtert. In dem entsprechenden Beschluss heißt es auszugsweise: „Die IMK … erachtet darüber hinaus auch die Umsetzung von Maßnahmen zur Organisation des Fanreiseverkehrs ge- mäß Ziffer 4.2 des Nationalen Konzepts Sport und Sicherheit (NKSS) als weiteren bedeutsamen Lösungsansatz zur Reduzierung von Sicherheitsstörungen im Zusammenhang mit Fußballspie- len …“. Darüber hinaus fanden 2013 und 2014 zwei Sitzungen des Unterausschusses „Fanreiseverkehr“ des NASS statt, in denen u. a. über das nordrhein-westfälische Projekt „Länderübergreifende Zu- satzzüge“ berichtet worden ist. Eine Befassung ist für die kommende IMK vorgesehen. Im Übrigen siehe Vorbemerkungen. Zu 2 und 3: Der Niedersächsische Ausschuss Sport und Sicherheit hat sich u. a. im Rahmen der Erörterungen zu der Rahmenkonzeption für den bundesweit einheitlichen Umgang mit Fangruppen sowie der Fortschreibung des NKSS mit dem Thema Fanreiseverkehr befasst. In dem Ausschuss ist auch die Bundespolizeidirektion Hannover vertreten. Gesonderte Gespräche des Innenministeriums mit der DB Regio AG in Hannover bzw. niedersächsischen Eisenbahnverkehrsunternehmen werden nach der Befassung in der IMK initiiert. Im Rahmen von Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern der niedersächsischen Fanprojekte und der niedersächsischen Vereine der Bundesligen und 3. Liga wurde dieses Thema erörtert. Da- bei zeigte sich die Bedeutung einer aktiven Rolle der Verbände und Vereine im Zusammenhang mit der Bereitstellung eines verlässlichen Reisemanagements und attraktiver Reisemöglichkeiten. Deutlich wurde dabei aber auch, dass sich die „Bahnlandschaft“ durch eine Zunahme der beteiligten Eisenbahnverkehrsunternehmen in den Ländern maßgeblich verändert hat. Die Gesamtanzahl der in den vergangenen Jahren in Niedersachsen eingesetzten zusätzlichen Züge im Fußballfanreiseverkehr ist nicht bekannt. Im Übrigen siehe Vorbemerkungen. Zu 4: Anlässlich der Begegnung zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig am 8. Novem- ber 2013 wurden ein Fanzug sowie ein Entlastungszug mit Halt am Bahnhof Linden/Fischerhof ein- gesetzt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2295 4 Für das Rückspiel in Braunschweig am 6. April 2014 wurde der Einsatz entsprechender Züge nicht weiter geprüft, da gerade der Hauptbahnhof in Braunschweig als neuralgischer Punkt für ein unkon- trolliertes Aufeinandertreffen von gewaltbereiten Anhängern verfeindeter Gruppierungen einzustu- fen war. Dabei stand eine sichere Reise friedlicher Fans und Unbeteiligter im Vordergrund. Die Prüfung des Einsatzes von Fanzügen bzw. zusätzlichen Zügen obliegt grundsätzlich der Bun- despolizei, die die einsatzführende niedersächsische Polizeibehörde über einen solchen Einsatz im Rahmen der Sicherheitsbesprechungen informiert. Zu 5: Nordrhein-Westfalen wird im Rahmen der kommenden IMK über die gemachten Erfahrungen be- richten. Grundsätzlich ist es denkbar, Fanzüge und/oder zusätzliche Züge bei entsprechender Nachfrage und Erforderlichkeit auch z. B. in der Regionalliga Nord einzusetzen. Nach Ansicht der Landesregierung sind für Angebote an reisende Fans, unabhängig von den Li- gen, die Vereine und Verbände gefordert. Hier muss ein Reisemanagement entstehen, welches in den Anhängerschaften Akzeptanz findet und eine verlässliche Alternative bietet. Dabei kann es sich jedoch in der Regel nur um unverbindliche Angebote handeln. Insofern sind hier intensive Gesprä- che zwischen den Beteiligten zu führen. Zu 6: Dieser Vorschlag wäre in die vorstehend genannten Gespräche aufzunehmen. Zu 7: Mehr Eigenverantwortung der Fußballfans wird von der Landesregierung grundsätzlich begrüßt. Das gilt auch für von den Vereinen bestellte und von Fans „selbstverwaltete“ Fanzüge, da diese im Einzelfall geeignet sind, die Akzeptanz dieses Reisemittels bei der Zielgruppe zu fördern. Zu 8: Das Projekt in Nordrhein-Westfalen betrifft länderübergreifende Fanzüge. Über eine Abstimmung mit der zuständigen Bundespolizei liegen derzeit noch keine Informationen vor. Zu 9: Fanzüge befördern Fußballanhänger zu den und von den Spielorten. Falls die Art eines Verkehrs- mittels Einfluss auf die Lagebeurteilung des polizeilichen Einsatzleiters haben könnte, so wird sich dieses Lagefeld sicherlich auf die Kräftedisposition auswirken. Insgesamt ist von eher geringen Wirkungen auszugehen. Zu 10: Nein. Zu 11: Nach derzeitigem Informationsstand werden Fans in die Planungen der Vereine vor der Bestellung von Fanzügen durch ihre Fanbeauftragten sowie durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fanprojekte eingebunden. Im Übrigen hat die Vertreterin oder der Vertreter der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) im NASS den Status eines Fachberaters und die Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) nimmt in Person ihres Leiters als ordentliches Mitglied an den Sitzungen teil. Boris Pistorius (Ausgegeben am 05.11.2014) Drucksache 17/2295 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/1905 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 26.08.2014 Fan-Sonderzüge in Niedersachsen Antwort der Landesregierung