Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2310 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2018 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Hermann Grupe (FDP), eingegangen am 12.09.2014 Inwieweit wird der Erlass das Ferkeltöten beenden? Am 03.07.2014 hat das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz einen Er- lass herausgegeben, in dem verbindlich vorgegeben wird, unter welchen Voraussetzungen Ferkel getötet werden dürfen. Weiterhin werden die zuständigen Veterinärämter aufgefordert, die korrekte Betäubung und Tötung von Ferkeln durch Vor-Ort-Kontrollen stichprobenweise zu überprüfen. Bei Verdacht auf tierschutzwidriges Verhalten sollen einige getötete Ferkel auf die korrekte Betäubung und Tötung hin im LAVES untersucht werden Bei den Vor-Ort-Kontrollen sollen auch die sonstige Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorgaben zur Schweinehaltung wie das Gruppenhaltungsgebot von Sauen kontrolliert werden. Auslöser war eine Reportage in der ARD-Sendung „Report/Mainz“, in der gezeigt wurde, dass in Betrieben mit Sauenhaltung sogenannte überzählige Ferkel „massenhaft“ nicht fachgerecht getötet worden seien. Der Bericht „Die brutale Praxis, überflüssige Ferkel loszuwerden“ besagte, dass „massenhaft Ferkel kurz nach der Geburt totgeschlagen werden, indem Mitarbeiter der Unternehmen die kleinen Körper mit brutaler Gewalt auf den Boden oder die Banden der Ferkelbuchten knallen.“ Unter anderem wurde darin auch ein Betrieb im Goldenstedter Ortsteil Lutten (Landkreis Vechta) gezeigt, der Tiere ohne vernünftigen Grund getötet und dies zudem nicht tiergerecht durchgeführt haben soll. Berichten des NDR zufolge wurde das Bildmaterial der Staatsanwaltschaft übergeben. Experten wie der Leiter des Schweinegesundheitsdienstes Niedersachsen Josef Schulte-Wülwer kritisieren besonders die Regelung des Erlasses, dass die Ferkel nach der Betäubung mittels eines Schnitts ausbluten gelassen werden müssen. Seiner Aussage nach habe sein Haus „große Beden- ken, dass Seuchen leichter als bisher verschleppt werden“. Nach Aussage Schulte-Wülwers könnten „Krankheiten wie Schweinepest oder Maul- und Klauenseuche durch Blutspritzer, die auf den Stiefeln oder dem Overall des Landwirts landen, auf andere Bestände übertragen werden“. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche Gruppen wurden bei der Erstellung des Erlasses konsultiert, und welche Vorschläge welcher Gruppen wurden berücksichtigt? 2. Was kostet die Obduktion eines Ferkelkadavers? 3. Mit wie vielen Obduktionen pro Jahr rechnet die Landesregierung? 4. Wie viele neue Stellen müssen beim LAVES geschaffen werden? 5. Was kosten diese neuen Stellen? 6. Welche Vorteile sieht die Landesregierung beim Ausbluten der Ferkel? 7. Wie bewertet die Landesregierung die Kritik von Schulte-Wülwer, dass durch das Ausbluten Seuchen leichter als bisher verschleppt werden können? 8. Welche Krankheiten oder Seuchen könnten nach Auffassung der Landesregierung durch das Schweineblut übertragen werden? 9. Welche Verbände haben das Ausbluten der Tiere empfohlen? 10. Weshalb verbietet der Erlass die Tötung der Ferkel durch einen zweiten Schlag? 11. Wie ist der aktuelle Stand der staatsanwaltlichen Ermittlungen zu den Vorkommnissen in dem Stall im Goldenstedter Ortsteil Lutten? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2310 2 12. Wie viele Verstöße gegen das Tierschutzgesetz sind der Landesregierung in Bezug auf das Ferkeltöten in Niedersachsen bekannt? 13. Gegen wie viele Betriebe in Niedersachsen wird wegen Verstößen gegen das Tierschutzge- setz in Bezug auf das Ferkeltöten aktuell ermittelt? 14. Gegen wie viele Betriebe in Niedersachsen wurde wegen Verstößen gegen das Tierschutzge- setz in Bezug auf das Ferkeltöten in den vergangenen Jahren ermittelt? 15. Wie viele Betriebe in Niedersachsen wurden wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz in Bezug auf das Ferkeltöten in den vergangenen Jahren geschlossen? 16. Inwieweit ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Veterinärämter die nötigen Kapa- zitäten für regelmäßige Kontrollen, gerade in Gebieten mit viel Schweinehaltung, haben? (An die Staatskanzlei übersandt am 23.09.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 31.10.2014 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 204.1-42503/4-164 (E) 204.101425-300 (N) - Am 10.12.2013 wurden Bilder von Ferkeltötungen in einer ARD/SWR-Reportage ausgestrahlt. Auf die Hinweise in der Reportage auf einen niedersächsischen Erzeugerbetrieb hin wurden unverzüg- lich per Erlass vom 10.12.2013 Ausführungshinweise an den zuständigen Landkreis gegeben und die Untersuchung von getöteten Ferkeln veranlasst; dieser Fall ist Gegenstand von staatsanwalt- schaftlichen Ermittlungen. Im Vorfeld der Erstellung des Runderlasses des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) vom 03.07.2014 u. a. zur „Betäubung und Tötung von nicht überlebens- fähigen Ferkeln mit einem Lebendgewicht von bis zu 5 kg durch Tierhalterinnen und Tierhalter“ fand am 10.01.2014 eine Besprechung u. a. zwischen Vertreterinnen und Vertretern landwirtschaft- licher Interessenverbände (Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands e. V.(ISN), Landvolk Niedersachsen - Landesbauernverband e. V.), Sachverständigen und Wissenschaftlern (z. B. Beratungs- und Schulungsinstitut für Tierschutz bei Transport und Schlachtung (bsi Schwar- zenbek), Tierärztliche Hochschule Hannover, Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e. V. (TVT) sowie des Niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LA- VES) und des ML zum Thema „Ferkeltötung“ statt. Ziel dieser Besprechung war es, rechtlich zuläs- sige, geeignete und praktikable Betäubungs- und Tötungsverfahren für „nicht überlebensfähige Ferkel mit einem Lebendgewicht von bis zu 5 kg“ abzustimmen. Im Ergebnis erfolgte Ende Juni 2014 als Sachverständigenäußerung eine Stellungnahme der TVT und am 03.07.2014 die Veröffentlichung des o. g. Erlasses. Durch den vorgenannten Erlass erfolgt eine Klarstellung und Erläuterung der geltenden Sach- und Rechtslage. Insbesondere wird neben Erläuterungen zum „vernünftigen Grund“ für eine Ferkeltö- tung dargelegt, dass von den zulässigen Betäubungs- und Tötungsverfahren die Tötung durch an- schließenden Blutentzug - im Anschluss an den stumpfen Schlag auf den Kopf zur Betäubung - ein sicheres und gut zu kontrollierendes Verfahren ist. Zudem werden die Landkreise/kreisfreien Städte gebeten, die Betäubung und Tötung von Ferkeln durch Vor-Ort-Kontrollen in den Erzeugerbetrie- ben stichprobenweise zu überprüfen und bei Verdacht auf tierschutzwidriges Verhalten Tierkörper im LAVES auf die Einhaltung tierschutzrechtlicher Bestimmungen hin untersuchen zu lassen. Nach derzeitigem Kenntnisstand haben inzwischen weitere Länder einen entsprechenden Erlass herausgegeben; auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bestätigt mit dorti- gem Schreiben vom 28.08.2014 die Ausführungen im niedersächsischen Erlass. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2310 3 Am 15.09.2014 fand in Niedersachsen ein Treffen einer Expertengruppe in einem Erzeugerbetrieb zum Thema „Ferkeltötung“ und zur „Erarbeitung von Inhalten zu Sachkunde-Schulungen zum Tö- ten von nicht überlebensfähigen Saugferkeln unter 5 kg Gewicht“ statt. Teilnehmer waren insbe- sondere Vertreterinnen und Vertreter des ML, des LAVES, des Friedrich-Loeffler-Instituts, der Tier- ärztlichen Hochschule Hannover, des Landvolks Niedersachsen - Landesbauernverband e. V., der ISN-Projekt GmbH, der Agri Kontakt, einer Tierarztpraxis, der Tierärztekammer Niedersachsen, des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte e. V., der Hochschule Osnabrück, des bsi Schwarzen- bek sowie der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Im Vorfeld der Erstellung des Runderlasses des ML vom 03.07.2014 wurden die in den Vorbemer- kungen aufgeführten Institutionen, Verbände bzw. Gruppen konsultiert bzw. eingebunden. Einver- nehmlich wurde sich auf die Verwendung eines Sachverständigengutachtens als Basis für das wei- tere Vorgehen verständigt. Zu 2: Für die Untersuchung der in Rede stehenden Ferkel ist mit folgenden Kosten zu rechnen: – Einfache Obduktion (makroskopisch): 12,50 Euro, – Histologie (zusätzlich): 27,00 Euro, – Zusätzlicher zeitlicher Mehraufwand (falls erforderlich): 34,50 Euro/30 Minuten. Zu 3: Die Landesregierung bat in dem o. g. Erlass die Landkreise/kreisfreien Städte, sowohl „die Betäu- bung und Tötung von Ferkeln durch Vor-Ort-Kontrollen in den Erzeugerbetrieben stichprobenweise zu überprüfen“ als auch „bei Verdacht auf tierschutzwidriges Verhalten, nach vorheriger Abstim- mung mit den Pathologen des LAVES, möglichst ca. fünf ,frische‘, d. h. max. ein bis zwei Tage tote Ferkel mit Verletzungen im Kopfbereich und ohne Anzeichen einer Entblutung im LAVES auf die Einhaltung tierschutzrechtlicher Bestimmungen einschließlich der Vorgaben zur tierschutzgerech- ten Betäubung und Tötung hin untersuchen zu lassen.“ Die Landesregierung rechnet nur mit einer geringen Zahl von Obduktionen pro Jahr. Zu 4 und 5: Für die anlassbezogenen Untersuchungen von Ferkeln sind gegenwärtig keine zusätzlichen Stellen vorgesehen. Zu6: Der stumpfe Schlag auf den Kopf ist in der nationalen Tierschutz-Schlachtverordnung als soge- nanntes einfaches Betäubungsverfahren aufgeführt, weshalb unmittelbar anschließend nach des- sen Anwendung (und Überprüfung des Betäubungserfolges) das Tier durch ein geeignetes Verfah- ren zu töten ist, bevor Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit zurückkehren. Unter Praxisver- hältnissen kommt hier derzeit vor allem die Tötung durch Blutentzug als sicheres, wirksames und gut zu kontrollierendes Verfahren in Betracht. Zu 7 und 8: Das Blutvolumen „lebensschwacher“, meist moribunder und größtenteils untergewichtiger Ferkel (< 1 000 g) ist gering. Laut Merkblatt der Landwirtschaftskammer Niedersachsen ist das Töten die- ser Tiere durch Blutentzug z. B. in einem Eimer oder in einer Schüssel, in dem/der sich ein Plastik- beutel befindet, ein praktikables und aus hygienischer Sicht akzeptables Verfahren. Diese Sach- verständigenäußerung erfolgt im Lichte der einzuhaltenden Anforderungen der Schweinehaltungs- hygieneverordnung. In der Schweinehaltungshygieneverordnung sind Biosicherheitsmaßnahmen vorgegeben, die so- wohl die bauliche Beschaffenheit der Stallgebäude, die Beschaffenheit von Auslaufhaltungen und Freilandhaltungen, den Betriebsablauf und den Umgang mit kranken Tieren betreffen. Jede Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2310 4 Schweinehalterin oder jeder Schweinehalter ist danach verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen die Gesundheit der von ihm gehaltenen Tiere sicherzustellen. Dies schließt das Wechseln der Klei- dung und die Möglichkeit der Reinigung und Desinfektion von Schuhzeug und Gerätschaften wie auch den Umgang mit Exkrementen, Nachgeburten und Blut ein, soweit dieses im Bestand anfällt. Im neuen Tiergesundheitsgesetz wird diese Verpflichtung durch § 3 „Allgemeine Pflichten des Tier- halters“ vorgegeben: „Jeder Tierhalter hat zur Vorbeugung vor Tierseuchen und zu deren Bekämp- fung dafür Sorge zu tragen, dass Tierseuchen weder in seinen Bestand eingeschleppt noch aus seinem Bestand verschleppt werden; im Hinblick auf die Übertragbarkeit anzeigepflichtiger Tier- seuchen bei den von ihm gehaltenen Tieren, hat er sich sachkundig zu machen.“ Im Falle des Verdachts einer anzeigepflichtigen Tierseuche hat die Tierhalterin oder der Tierhalter als Sofortmaßnahmen verdächtige Tiere abzusondern sowie dafür Sorge zu tragen, dass keine Tie- re aus dem Bestand verbracht werden und keine fremden Personen Zutritt haben. Der zuständigen Behörde ist unverzüglich der Verdacht anzuzeigen. Eine Tötung von seuchenverdächtigen Ferkeln durch die Tierhalterin oder den Tierhalter ist nicht zulässig und auch nicht durch den Erlass erfasst. Insofern ist nicht von einer höheren Gefahr der Seuchenverschleppung bei der Tötung von Ferkeln durch Blutentzug auszugehen. Zu 9: Siehe Antwort zu Frage 1. Zu 10: Die Tötung durch einen zweiten Schlag auf dem Kopf ist nach der Tierschutz-Schlachtverordnung nicht zulässig. Der „stumpfe Kopfschlag“ ist lediglich ein einfaches Betäubungsverfahren, dem ein geeignetes Verfahren zur Tötung folgen muss. Der Schlag auf den Kopf, auch mehrfach angewen- det, zerstört nicht sicher das Stammhirn und führt somit nicht sicher zum Tod der Tiere (siehe auch Stellungnahmen zum „Töten von Ferkeln“ des Friedrich-Loeffler-Instituts vom 02.10.2014 und zum „Nottöten von Ferkeln: Indikationen und Methoden“ des bsi Schwarzenbek vom 09.10.2014). Zu 11: Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dauern an. Zu 12: Insgesamt 13 Verstöße gegen das Tierschutzgesetz in Bezug auf das Ferkeltöten wurden bisher festgestellt. Zu 13: Gegen vier Betriebe wird in Bezug auf das Ferkeltöten aktuell ermittelt. Zu 14: In den vergangenen Jahren wurde gegen neun Betriebe in Bezug auf das Ferkeltöten ermittelt. Zu 15: Von keiner Veterinärüberwachungsbehörde wurde die Schließung von Betrieben in Bezug auf das Ferkeltöten veranlasst. Zu 16: Die Überwachung der Schweinehaltung auf die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorgaben bei- spielsweise bei der Ferkeltötung gehört zu den Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises, die in die Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte fällt. Im vorliegenden Fall hat die Landes- regierung keine Erkenntnisse darüber, dass die kommunalen Veterinärbehörden diese Aufgabe nicht wie rechtlich vorgegeben risikoorientiert - aufgrund unzureichender Ressourcen - durchführen können. Christian Meyer (Ausgegeben am 06.11.2014) Drucksache 17/2310 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2018 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Hermann Grupe (FDP), eingegangen am 12.09.2014 Inwieweit wird der Erlass das Ferkeltöten beenden? Antwort der Landesregierung