Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2355 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2104 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Lutz Winkelmann (CDU), eingegangen am 30.09.2014 Altlasten im Dethlinger Teich Der Dethlinger Teich ist eine ehemalige Kieselgurgrube bei Dethlingen in der Nähe von Munster. Von 1942 bis 1952 wurden diverse Kampf- und Sprengmittel in Bomben und Fässern hier versenkt. 1952 wurde der Teich mit Bauschutt aufgefüllt und mit Mutterboden bedeckt. Die genaue Art und Menge der Kampfmittel sind unbekannt, lediglich Vermutungen existieren. Die Kosten für die Auf- schüttung hat die Polizeidirektion Hannover übernommen. Begründung: „Nur auf diesem Wege können etwaige später auftretende Gefahren für die Allgemeinheit beseitigt werden.“ Vermutung der PD Hannover zum Inhalt des Teiches (Mindestwerte): ca. 100 000 Zündladungen C-98, ca. 3 000 Kampstoffgranaten, 300 Fässer mit je 250 l Flüssigphosgen, 100 Fässer mit je 100 l Lost. Der damalige Eigentümer hat der Inanspruchnahme seiner Fläche als Deponie von Kampfstoffen damals vehement widersprochen. Seit 1957 gibt es Grundwassermessstellen im Bereich des Deth- linger Teiches, und seit 1971 gibt es Untersuchungen auf Arsen. Ende der 1980er-Jahre gab es ei- ne starke Aufmerksamkeit in Gesellschaft, Politik und Verwaltung. Im Jahr 1989 wurde das Gefähr- dungspotenzial unterschiedlich eingeschätzt. Der Wehrwissenschaftliche Dienst war der Ansicht, dass die Stoffe unschädlich seien, das Umweltministerium in Hannover kam zu der Ansicht, dass ein dringender Handlungsbedarf bestehe. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie schätzt die Landesregierung Umweltrisiken im Hinblick auf den Inhalt des Dethlinger Tei- ches aktuell ein? 2. Hat sich die Beurteilung der Gefährdungslage im Hinblick auf den Dethlinger Teich seit den frühen 1990er-Jahren verändert? Wenn ja, woraus ergeben sich diese neuen Erkenntnisse? 3. Welche möglichen Maßnahmen sieht die Landesregierung zur Reduzierung der Gefahr der Grundwasserkontamination durch mögliche Altlasten? 4. Beabsichtigt die Landesregierung, auf eine Beseitigung der Altlasten im Dethlinger Teich hin- zuwirken? (An die Staatskanzlei übersandt am 09.10.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 11.11.2014 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - MinBüro-01425/17/7/04-0015 - In der Luftmunitionsanstalt Oerrel (Luftmuna) bei Munster lagerte und verfüllte die Luftwaffe etwa ab dem Jahr 1942 chemische Kampfstoffe in Luftwaffenmunition. Die Kampfstoffe wurden dazu in Kesselwagen per Bahn angeliefert. Die hoch kontaminierten Abwässer, die aus der Reinigung der Kesselwagen resultierten, entsorgte die Luftwaffe damals ortsnah in einem ehemaligen Kieselgur- abbau, dem Dethlinger Teich. Im April 1945 übernahmen die Briten die Luftmuna. Die Briten fuhren in der Folgezeit laborierte und transportsichere Kampfstoffmunition ab und versenkten diese in der Nord- und Ostsee. Nicht trans- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2355 2 portsichere Kampfstoffmunition und unverfüllter Kampfstoff waren befehlsgemäß vor Ort zu ver- nichten. In Oerrel hieß das vermutlich im Regelfall Versenkung im Dethlinger Teich. Wie mehrere Zeitzeugenaussagen bestätigen, nutzte das Bombenräumkommando der Polizei Hannover den Teich dann noch etwa bis zum Jahr 1952 als Entsorgungsanlage für Kampfstoffmu- nition, bevor der Teich mit Bauschutt der Luftmuna verfüllt wurde. Die Teichfläche ist noch heute als Geländesenke mit spärlichem Bewuchs erkennbar. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die wenigen Informationen zum Inhalt des Dethlinger Teiches werden als Beleg für ein großes Schadstoffpotenzial gewertet. Es bestehen allerdings erhebliche Unsicherheiten bei der Bewertung des Umweltrisikos aufgrund der schlechten Datenlage über Art und Menge der versenkten Kampf- stoffe. Die Vielzahl an möglichen Stoffen und deren chemisches Verhalten, auch untereinander, lassen eine seriöse Beschreibung des Teichinhalts derzeit nicht zu. Dass trotz des Schadstoffpotenzials bisher keine deutlichen Befunde im Grundwasser-Abstrom festgestellt werden konnten, wird maßgeblich auf die verbliebenen Kieselgurreste zurückgeführt. Der Kieselgur ist einerseits ein relativ wasserundurchlässiges Material und andererseits in der La- ge, Schadstoffe zu binden. Da keine ausreichenden Erkenntnisse über das Potenzial vorliegen, ist aktuell die zeitliche Dauer des Bindungsvermögens nicht abschätzbar. Vor diesem Hintergrund kommt dem Grundwasser- Monitoring eine große Bedeutung zu. Zu 2: Im Rahmen der landesweiten Gefährdungsabschätzung empfahlen die Gutachter Ende 1996 die Errichtung von schräg angeordneten Grundwasser-Messstellen unterhalb des Teiches, um damit etwaige Undichtigkeiten der Teichsohle erkennen zu können. Der damalige Landkreis Soltau-Fal- lingbostel, heute Heidekreis, hatte im Jahr 1999 eine solche Schrägbohrung durchführen lassen. Hinweise auf chemische Kampfstoffe wurden bisher bei keiner Beprobung dieser Messstelle gefun- den. Es wird daher davon ausgegangen, dass der Dethlinger Teich im Wesentlichen nur oberflä- chennah Schadstoffe an das benachbarte Grundwasser abgibt. Seit 2010 unterstützt das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ Leipzig) den Heidekreis bei der Festlegung der optimalen Standorte für ein zeitgerechtes Grundwasser-Kontrollsystem. Die in diesem Zusammenhang durchgeführten geophysikalischen Untersuchungen im Umfeld des Dethlinger Teiches bestätigen die Einschätzung eines lediglich oberflächennahen Schadstoffaus- trags. Zu 3 und 4: Der Landkreis Heidekreis als zuständige untere Bodenschutzbehörde strebt die Durchführung wei- terer Detailuntersuchungen an. Im Rahmen dieser Untersuchungen sollen u. a. die Wissensdefizite über die Verhältnisse im Dethlinger Teich durch die Entnahme von Feststoff- und Flüssigkeitspro- ben beseitigt werden. Nach den durchgeführten Detailuntersuchungen will der Landkreis Heidekreis dann in einem nächsten Arbeitsschritt mit den neuen Informationen eine Machbarkeitsstudie erstel- len, d. h. die technische Realisierbarkeit verschiedener Sanierungsverfahren (einschließlich Kos- tenschätzung) im Detail untersuchen. Das dargestellte Vorgehen des Heidekreises ist nicht zu beanstanden. Insofern besteht für die Landesregierung kein Anlass, fachaufsichtlich tätig zu werden. Die Landesregierung bietet im Rahmen der Förderrichtlinie Altlasten-Gewässerschutz Fördermittel für orientierende Untersuchungen und für Sanierungsmaßnahmen von Grundwasserkontaminatio- nen durch Altlasten an. Zuwendungsempfänger können hier insbesondere die kommunalen Ge- bietskörperschaften in Niedersachsen und damit im Ergebnis auch die Unteren Bodenschutzbehör- den sein. Anders als vorgesehen wird diese Fördermaßnahme nicht auslaufen, sondern bis 2020 fortgeführt. Darüber hinaus ist vorgesehen, die Förderung ab 2016 auf Detail- und Sanierungsun- tersuchungen auszuweiten. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2355 3 Neben diesen Fördermöglichkeiten stehen die Fachbehörden des Landes den unteren Boden- schutzbehörden im Rahmen der personellen Möglichkeiten für eine Beratung zur Verfügung. Stefan Wenzel (Ausgegeben am 20.11.2014) Drucksache 17/2355 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2104 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Lutz Winkelmann (CDU), eingegangen am 30.09.2014 Altlasten im Dethlinger Teich Antwort der Landesregierung