Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2358 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2089 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 26.09.2014 Ludendorffer - Wie gefährlich ist die völkische Gruppierung? Der „Bund für Gotterkenntnis“ (BfG) ist eine völkisch nationale, pseudoreligiöse Gruppierung, die insbesondere antisemitische sowie die Menschen in Rassen (und damit verbundene negative und positive pauschalisierende Merkmale) einteilende Ideologien vertritt. Der Verein beruht im Wesent- lichen auf Schriften und der Ideologie von Erich Ludendorff und seiner zweiten Ehefrau Mathilde Ludendorff. Insbesondere letztere spielte bis zu ihrem Tod eine entscheidende Rolle in dem BfG und etwaigen Vorgängervereinen. Seit 30 Jahren trifft sich der BfG jährlich zu seiner sogenannten Ostertagung im Ort Dorfmark, Landkreis Heidekreis. Bei den Veranstaltungen sind regelmäßig Holocaust-Leugner und NPD- Funktionäre zu Gast. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung den Verein „Bund für Gotterkenntnis“? 2. Wie bewertet die Landesregierung dessen sogenannte Ostertagung, und kam es bei dieser Tagung jemals zu strafrechtlich relevanten Handlungen? 3. Inwieweit wird der BfG von den Verfassungsschutzämtern in Deutschland beobachtet, und inwieweit beobachtet der niedersächsische Verfassungsschutz die Ostertagung des BfG? 4. Inwieweit unterhält der BfG Jugendcamps? 5. Falls ja, wo unterhält der BfG Jugendcamps, und welches Programm gibt es für diese Camps? 6. Wie viele Mitglieder hat der „Bund für Gotterkenntnis“, und wie hat sich die Zahl der Mitglieder in den letzten Jahren entwickelt? 7. Was ist über die Altersstruktur der Mitglieder bekannt? 8. Was ist über die Aktivitäten des „Arbeitskreis für Lebenskunde“ bekannt? 9. Welche völkischen Gruppen gibt es in Niedersachsen, und welche Erkenntnisse des Verfas- sungsschutzes gibt es über sie? 10. Inwieweit sind die Lehrkräfte an Niedersächsischen Schulen darauf vorbereitet, sich mit der Vorstellung einer „Volksgemeinschaft“ auseinanderzusetzen? (An die Staatskanzlei übersandt am 08.10.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 11.11.2014 für Inneres und Sport - 53.14 - Der 1937 gegründete „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V.“ (BfG) sieht sich als Weltan- schauungsgemeinschaft und hat sich der Verbreitung und Pflege der „religionsphilosophischen Einsichten der Gotterkenntnis“ der Mathilde Ludendorff (1877 bis 1966) in Wort und Schrift verpflichtet . Ludendorff vertrat eine antiparlamentarische, rassistische und antisemitische Weltan- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2358 2 schauung. Die Organisation wurde 1951 durch das Bayerische Staatsministerium des Innern verbo- ten. Das Verbot wurde 1976 nach mehrjährigem Rechtsstreit aus formal-juristischen Gründen wie- der aufgehoben. 1977 erfolgte die Neugründung der Organisation. Der Sitz befindet sich in Tutzing/Bayern. Bis 2013 gehörten dem BfG-Bundesvorstand zwei Personen aus Niedersachsen an. Der BfG unterhält keine regionalen Organisationsstrukturen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Der „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V.“ ist eine Organisation, für die eine antidemokrati- sche und antimodernistische Grundausrichtung verbunden mit antisemitischen und rassistischen Positionen charakteristisch ist. Das rechtsextremistische Gedankengut des BfG wird u. a. in der vom „Verlag Hohe Warte“ (Pähl/Bayern) herausgegebenen Schrift „Mensch und Maß“ verbreitet. Dem BfG wird diese Schrift mittelbar zugerechnet. Der BfG ist nicht in rechtsextremistische Netz- werke eingebunden und übt keinen nennenswerten Einfluss auf die ideologische Ausrichtung des Rechtsextremismus aus. Zu 2: Die traditionelle Ostertagung des „Bundes für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V.“ im Hotel „Deutsches Haus“ in Dorfmark dient der Pflege seiner Gemeinschaft. Sie wird als geschlossene, interne Veranstaltung durchgeführt. Volkstanz und Gesang sowie zahlreiche Vorträge, teilweise mit revisi- onistischer Ausrichtung, bestimmen die Tagesordnung. Der Teilnehmerkreis umfasst überwiegend Familien mit Kindern jeden Alters sowie Personen im Rentenalter aus dem gesamten Bundesgebiet und dem europäischen Ausland. Straftaten innerhalb oder aus der Ostertagung heraus wurden mit Ausnahme einer Sachbeschädi- gung während eines Disputes eines Teilnehmers mit Pressevertretern im Jahr 2012 polizeilich nicht bekannt. In den Jahren 2009 bis 2011 wurden insbesondere politisch motivierte Straftaten im Zusammen- hang mit Protesten gegen die Tagung des BfG polizeilich registriert. So wurde im Jahr 2009 ein Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung in Verbindung mit der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten eingeleitet. Im Jahr 2010 wurden zwei Verfahren wegen Widerstandes gegen Vollstre- ckungsbeamte eröffnet. Weiterhin kam es im Jahr 2011 zu einer Sachbeschädigung in Form eines Farbanschlages auf das Hotel „Deutsches Haus“. Ferner wurde im Zusammenhang mit der Ostertagung im Jahr 2011 gegen einen alkoholisierten ortsansässigen Bürger nach Zeigen des Hitlergrußes ein Ermittlungsverfahren wegen des Verwen- dens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie wegen Widerstand gegen Voll- streckungsbeamte eingeleitet. In den Jahren 2013 und 2014 wurden anlässlich der Ostertagung keine Straftaten festgestellt. Zu 3: Die niedersächsische Verfassungsschutzbehörde beobachtet den BfG und die in Dorfmark alljähr- lich stattfindende Ostertagung im Rahmen der bundesweiten Beobachtung. Zu 4: Siehe Antwort zu Frage 8. Zu 5: Siehe Antwort zu Frage 8. Zu 6: Genaue Angaben zur Mitgliederzahl und Mitgliederentwicklung liegen nicht vor. Geschätzt dürfte bundesweit die Mitgliederzahl bei etwa 200 bis 250 Personen liegen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2358 3 Zu 7: Angaben zur Altersstruktur der Mitglieder sind nicht möglich. Bundesweit sind Familien und Perso- nen im Rentenalter im „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V.“ aktiv. Zu 8: Der „Arbeitskreis für Lebenskunde e. V.“ führt seit vielen Jahrzehnten Familienfreizeiten, Kinder- und Jugendlager in Deutschland und dem europäischen Ausland, Volkstanz- und Musikwochenen- den sowie Veranstaltungen zur Erwachsenbildung durch. In den Ferienlagern und Wochenendfrei- zeiten wird „Lebenskunde“ in den Tagesablauf eingebunden und in Gesprächskreisen vertieft. Da- neben finden Fortbildungsveranstaltungen (Tagungen) für Erzieher statt. Aufgrund der gemeinsa- men weltanschaulichen Orientierung an der Gedankenwelt der Mathilde Ludendorff besteht eine enge Verbindung zum BfG. Zu 9: Der völkische Kollektivismus ist in unterschiedlicher Ausprägung ein für viele rechtsextremistische Organisationen charakteristisches Ideologieelement. Zusammenschlüsse mit einer ausschließlich völkischen Ausrichtung werden von der niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde, abgesehen vom „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e. V.“, derzeit nicht beobachtet. Zu 10: Alle Lehrkräfte der Fächer Geschichte und Politik studieren den Inhaltsbereich Nationalsozialismus und sind zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem ideologischen Versatzstück „Volksgemeinschaft “ in der Lage. Darüber hinaus klärt die niedersächsische Verfassungsschutzbehörde im Rahmen ihrer Präventi- onsarbeit in der Ausstellung „Gemeinsam gegen Rechtsextremismus“, in Vorträgen und in Veranstaltungen zur Lehrerfortbildung regelmäßig über die Bedeutung des Begriffs „Volksgemeinschaft“ im heutigen Rechtsextremismus auf. Boris Pistorius (Ausgegeben am 20.11.2014) Drucksache 17/2358 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2089 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 26.09.2014 Ludendorffer - Wie gefährlich ist die völkische Gruppierung? Antwort der Landesregierung