Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2363 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/1963 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Jens Nacke (CDU), eingegangen am 04.09.2014 Wie kann die Bevölkerung besser vor entwichenen Sexualstraftätern geschützt werden? In den vergangenen Monaten gab es vermehrt Berichte über Entweichungen von Sexualstraftätern aus dem Maßregelvollzug oder aus der Sicherungsverwahrung. Insbesondere bei im Maßregelvollzug untergebrachten psychisch kranken Straftätern, die wegen verminderter Schuldfähigkeit bei Begehung der Straftat zu einer Unterbringung in einer psychiatri- schen Klinik verurteilt wurden, ist es wiederholt vorgekommen, dass sie die ihnen eingeräumten Freigänge zur Entweichung genutzt haben, wie häufige Mitteilungen des Sozialministeriums an den Landtag über derartige Vorfälle zeigen. Um dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung zu tragen, ist von Interesse, wie im Falle einer Entweichung die Bevölkerung informiert wird und ob es Mittel gibt, mit denen das Risiko einer Entweichung reduziert werden kann. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele wegen einer Sexualstraftat verurteilte Personen sind aktuell in niedersächsischen Maßregelvollzugskliniken untergebracht? 2. Nach welchen Kriterien erhalten im Maßregelvollzug untergebrachte Sexualstraftäter die Mög- lichkeit zu Freigängen? 3. Wie viele wegen einer Sexualstraftat verurteilte Personen sitzen in Niedersachsen derzeit in Sicherungsverwahrung ein? 4. Nach welchen Kriterien erhalten in der Sicherungsverwahrung einsitzende Sexualstraftäter die Möglichkeit zu Freigängen? 5. Wann werden Personen, die im Maßregelvollzug oder in Sicherungsverwahrung unterge- bracht sind, Freigänge unbegleitet gestattet, wann nur begleitet? 6. In wie vielen Fällen wurden Personen, die - auch - wegen eines Sexualdelikts in Sicherungs- verwahrung oder im Maßregelvollzug untergebracht sind, 2013 und 2014 begleitete Freigänge gewährt, in wie vielen Fällen unbegleitete? 7. Wird nach unbegleiteten Freigängen kontrolliert, was die Freigänger während ihrer Freigänge gemacht und wo sie sich aufgehalten haben? Falls nein, weshalb nicht? 8. Gibt es in den niedersächsischen Maßregelvollzugskliniken und Gefängnissen ein standardi- siertes Verfahren, mit dem nach Verstreichen der für die Rückkehr vereinbarten Zeit der Straf- täter der Polizei gemeldet und die Bevölkerung gewarnt wird? Falls nein, weshalb nicht? 9. Wird vor dem Freigang eines Sexualstraftäters durch das Klinik- bzw. Gefängnispersonal eine aktuelle Personenbeschreibung bzw. ein Foto angefertigt? Falls nein, weshalb nicht? 10. Ließe sich nach Auffassung der Landesregierung durch den vermehrten Gebrauch elektroni- scher Fußfesseln das Risiko einer Entweichung verringern? Falls nein, weshalb nicht? 11. Ließe sich nach Auffassung der Landesregierung durch den Gebrauch elektronischer Fußfes- seln bei Freigängern aus dem Maßregelvollzug und der Sicherungsverwahrung feststellen, wo sich diese Personen während ihrer Freigänge aufgehalten haben? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2363 2 12. Kann der Einsatz von elektronischen Fußfesseln bei Freigängern aus dem Maßregelvollzug und der Sicherungsverwahrung im Fall von Straftaten während der Freigänge zu deren Auf- klärung beitragen, und kann das Wissen um diese Möglichkeit Freigänger davon abhalten, während eines Freigangs Straftaten zu begehen? 13. Erhalten bereits einmal entwichene und wieder aufgegriffene Sexualstraftäter nach einer ge- wissen Zeit erneut die Möglichkeit zum Freigang? Falls ja, weshalb? (An die Staatskanzlei übersandt am 04.09.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 10.11.2014 für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - 406 - Das Strafgesetzbuch (StGB) 1 sieht drei Formen einer Maßregel der Besserung und Sicherung vor. Dies sind die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB), die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) sowie die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB). Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt erfolgt mit dem Ziel, die Untergebrachte oder den Untergebrachten soweit wie möglich zu heilen oder den Zustand so weit zu bessern, dass sie oder er nicht mehr gefährlich ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nieder- sächsisches Maßregelvollzugsgesetz (Nds. MVollzG) 2 ). Dies wird im Zuständigkeitsbereich des Mi- nisteriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vollzogen. Der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dient dem Ziel, die Gefährlichkeit der Sicherungsverwahrten für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Unterbrin- gung möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder für erledigt erklärt werden kann (vgl. § 66 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB und § 2 Abs. 1 des Niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvoll- zugsgesetzes (Nds. SVVollzG) 3 . Im Vollzug sollen die Sicherungsverwahrten befähigt werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (vgl. § 2 Abs. 2 Nds. SVVollzG). Der Erreichung dieser Vollzugsziele dienen neben Maßnahmen insbesondere der Be- treuung und Behandlung auch vollzugsöffnende Maßnahmen, auf die Sicherungsverwahrte einen Anspruch haben, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen (vgl. § 66 c Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StGB und § 16 Abs. 1 Nds. SVVollzG). In diesem Zusammenhang wird ergänzend auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Mechthild Ross- Luttmann und Jens Nacke (CDU): „Hat Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz im Fall des soge- nannten Sextäters aus Lingen die Öffentlichkeit falsch informiert und versucht, Ermittlungspannen zu vertuschen?“ (Drs. 17/1823) Bezug genommen. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird im Zuständigkeitsbereich des Justizministeri- ums vollzogen. Beide Formen der Unterbringung dienen also dazu, die jeweiligen Untergebrachten dazu zu befähi- gen, künftig ein Leben in Freiheit ohne Straftaten zu führen. Vollzugsöffnende Maßnahmen beziehungsweise Lockerungen des Vollzuges in Form begleiteter und unbegleiteter Ausgänge sind dabei ein gesetzlich vorgesehener Teil der zur Erreichung dieses Ziels zu ergreifenden Maßnahmen. 1 Strafgesetzbuch vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. April 2014 (BGBl. I S. 410) 2 Nds. GVBl. 1982, S. 131 3 Nds. GVBl. 32/2012, S. 566 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2363 3 Sowohl die Unterbringung im Maßregelvollzug als auch die Unterbringung in der Sicherungsver- wahrung ist nicht auf Sexualstraftaten bzw. -täterinnen und -täter beschränkt. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: In den Maßregelvollzugseinrichtungen des Landes Niedersachsen sind aktuell 258 Patientinnen und Patienten untergebracht, deren Unterbringung wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbe- stimmung von einem Gericht angeordnet worden ist. Dies entspricht einer Quote von etwa 20 % al- ler im Maßregelvollzug untergebrachten Patientinnen und Patienten. Zu 2: Grundlage für die Gewährung von Vollzugslockerungen im Maßregelvollzug (der Freigang ist dabei eine mögliche Form der gesetzlich vorgegebenen Formen der Vollzugslockerungen) ist § 15 Nds. MVollzG in Verbindung mit den Ausführungsbestimmungen zu § 15 Abs. 5 Nds. MVollzG (Gem. RdErl. d. MS u. d. MJ vom 20.12.2013 4 ). Diese Regelungen gelten für alle untergebrachten Patien- tinnen und Patienten im Maßregelvollzug, unabhängig vom Einweisungsdelikt. Nach § 15 Abs. 1 Nds. MVollzG können der bzw. dem Untergebrachten Lockerungen des Vollzu- ges oder Urlaub dann gewährt werden, wenn zu erwarten ist, dass dadurch das Ziel der Unterbrin- gung gefördert wird und wenn nicht zu befürchten ist, dass die bzw. der Untergebrachte die ihr bzw. ihm eingeräumten Möglichkeiten missbrauchen, insbesondere sich oder die Allgemeinheit gefähr- den wird. Zu beachten sind dabei insbesondere vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Vor- gaben, wonach die uneingeschränkte Versagung jeglicher Vollzugslockerungen regelmäßig nicht zulässig ist (vgl. 2 BvR 865/11). Zu 3: Gegenwärtig sind 23 Sicherungsverwahrte in Niedersachsen untergebracht, deren Unterbringung wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung angeordnet worden ist. Dies entspricht ei- ner Quote von ca. 56 % der derzeit in Niedersachsen untergebrachten Sicherungsverwahrten. Zu 4: Aus dem Zusammenhang des Textes der Kleinen Anfrage ist zu schließen, dass sich die Frage nicht nur auf Freigang nach § 16 Abs. 2 Nr. 4 Nds. SVVollzG, sondern auch auf sonstige vollzugs- öffnende Maßnahmen nach § 16 Abs. 2 SVVollzG bezieht. Die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen setzt nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nds. SVVollzG voraus, dass die Anordnung zur Erreichung der Vollzugsziele erforderlich ist. Vollzugsöffnende Maßnahmen dürfen nicht angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass die oder der Sicherungsverwahrte sich dem Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsver- wahrung entziehen oder die vollzugsöffnende Maßnahme zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Besteht keine entsprechende Missbrauchs- oder Fluchtgefahr, haben Sicherungsverwahrte einen Rechtsanspruch auf die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen. Die Prüfung, ob eine er- hebliche Missbrauchs- oder eine Fluchtgefahr nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nds. SVVollzG besteht, rich- tet sich insbesondere nach den bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften sowie den Nieder- sächsischen Ausführungsvorschriften für den Strafvollzug. Diese Regelungen sind mit Inkrafttreten des Nds. SVVollzG zum 01.06.2013 für entsprechend anwendbar erklärt worden. Nach der Auf- nahme von Sicherungsverwahrten hat nach § 8 Nds. SVVollzG durch das Prognosezentrum des niedersächsischen Justizvollzuges eine Behandlungsuntersuchung nach wissenschaftlichen Maß- stäben sowie regelmäßig auch sogleich eine Begutachtung nach § 19 Nds. SVVollzG zur Eignung für vollzugsöffnende Maßnahmen nach § 16 Abs. 2 Nds. SVVollzG zu erfolgen. Vor der Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen nach § 16 Abs. 2 Nds. SVVollzG werden die Feststellungen und Ergebnisse der Behandlungsuntersuchung, gegebenenfalls weiterer vorliegender Sachver- ständigengutachten zur Frage der Eignung für vollzugsöffnende Maßnahmen sowie anderer vor- handener Gutachten ausgewertet, das soziale Umfeld erkundet und die von Polizei und Staatsan- 4 Nds.MBl. 9/2014, S. 188 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2363 4 waltschaft eingeholten Stellungnahmen einbezogen. Diese Informationen sowie die aktuellen Er- kenntnisse des Sicherheitsdienstes der Vollzugsbehörde, der an der Behandlung beteiligten ärztli- chen, psychologischen und sozialen Fachdienste und Bediensteten des allgemeinen Vollzugs- dienstes über die Verhaltensentwicklung des Sicherungsverwahrten werden im Rahmen einer Ein- zelfall- oder Vollzugsplankonferenz erörtert und fließen in die zu dokumentierenden Entscheidun- gen ein. Zu 5: Im Maßregelvollzug stellen begleitete Außenmaßnahmen die erste Stufe von Vollzugslockerungen dar. Später können dann auch unbegleitete Maßnahmen gewährt werden. Die Grundlage für die Gewährung von Vollzugslockerungen im Maßregelvollzug ist in der Antwort zu Frage 2 dargestellt. Für Sicherungsverwahrte stellen begleitete Ausgänge in der Regel die erste spürbar „gelockerte“ Stufe vollzugsöffnender Maßnahmen dar. Im Gegensatz zur Ausführung nach § 16 Abs. 4 Satz 1 Nds. SVVollzG, bei der die Begleitung durch Vollzugsbedienstete zur Vermeidung von Flucht und Missbrauch erfolgt, dient sie beim Ausgang zuvorderst der Unterstützung. Zudem können die Be- obachtungen der Begleitpersonen für die künftige Gestaltung vollzugsöffnender Maßnahmen und für die weitere Vollzugsgestaltung von Bedeutung sein (vgl. dazu auch die Begründung zu § 14 des Gesetzentwurfs zum Nds. SVVollzG, Drs. 16/4873, S. 62). Die Begleitung erfolgt bis oder soweit eine entsprechende Unterstützung nicht mehr erforderlich ist. Unbegleitete Ausgänge werden nur gewährt, wenn dies zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 Nds. SVVollzG erfor- derlich ist. Dafür ist zunächst deren Zweck zu bestimmen. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu Frage 4 verwiesen. Zu 6: In den Niedersächsischen Maßregelvollzugseinrichtungen werden jedes Jahr etwa 35 000 bis 40 000 unbegleitete Vollzugslockerungen durchgeführt. Etwa 50 % aller im Maßregelvollzug unter- gebrachten Patientinnen und Patienten haben die Genehmigung, unbegleitete Vollzugslockerungen wahrzunehmen. Hinzu kommen noch ca. 5 000 begleitete Vollzugslockerungen pro Jahr. Diese Form der Vollzugslockerung ist für weitere 25 % aller im Maßregelvollzug untergebrachten Patien- tinnen und Patienten genehmigt. In dem Zeitraum vom 01.01.2013 bis 30.09.2014 wurden 19 Sicherungsverwahrten, bei denen die Anordnung der Sicherungsverwahrung auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beruht, insgesamt 1 438 Ausgänge in Begleitung und fünf Sicherungsverwahrten 493 Ausgänge ohne Be- gleitung gewährt. Die Personenzahlen beider Kategorien überschneiden sich teilweise, da ein Teil der letztgenannten Gruppe zuvor Ausgänge in Begleitung erhalten hat. Anzumerken ist, dass rund 57 % der Ausgänge in Begleitung und 45 % der Ausgänge ohne Begleitung auf Sicherungsver- wahrte entfallen, die bis zum 06.08.2014 in der sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugs- anstalt Lingen untergebracht waren und die sich nunmehr in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf, Ab- teilung für Sicherungsverwahrung, befinden. Bei den Ausgängen handelte es sich zum überwie- genden Teil um sogenannte Kurzausgänge, die z. B. für Einkäufe gewährt worden sind. Seit dem 06.08.2014 befinden sich in der dortigen sozialtherapeutischen Abteilung keine Sicherungsverwahr- ten mehr. Zu 7: Unbegleitete Vollzugslockerungen werden im Maßregelvollzug vor- und nachbereitet. Dies ge- schieht entsprechend dem Ziel der gewährten Vollzugslockerungen. So werden z. B. beim Aufsu- chen von Kontaktpersonen mit diesen regelmäßige Gespräche geführt sowie Arbeits- und Fortbil- dungsstätten werden verpflichtet, Unregelmäßigkeiten oder Auffälligkeiten unverzüglich der Maßre- gelvollzugseinrichtung zu melden. Im Vollzug der Sicherungsverwahrung werden unbegleitete vollzugsöffnende Maßnahmen in der Regel von Bediensteten im Gespräch mit dem Sicherungsverwahrten vor- und nachbereitet. Bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln sind die entwerteten Fahrscheine vorzulegen. Eine Vielzahl von Ausgängen wird zum Einkauf gewährt. Ob diese Ausgänge entsprechend genutzt worden sind, wird anhand der eingekauften Sachen und vorzulegenden Belege überprüft. Sofern die vollzugsöffnende Maßnahmen dazu dienen, an Gruppenveranstaltungen teilzunehmen, Ämter, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2363 5 Arztpraxen oder Beratungseinrichtungen aufzusuchen, haben die Sicherungsverwahrten die Ter- minwahrnehmung durch schriftliche Bestätigungen nachzuweisen. Bei Teilnahme an kulturellen oder anderen öffentlichen Freizeitveranstaltungen sind, sofern möglich, Eintrittskarten vorzulegen. Werden im Rahmen der Ausgänge Kontaktpersonen besucht, finden in angemessenen Abständen - gegebenenfalls im Rahmen von Hausbesuchen - Kontaktgespräche mit diesen statt. In Einzelfäl- len erfolgt eine telefonische Nachfrage am Zielort. Sofern die vollzugsöffnenden Maßnahmen der Wahrnehmung von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen dienen, finden in unregelmäßigen Abstän- den Anwesenheitskontrollen statt. Die Fortbildungsstätten werden zudem verpflichtet, Unregelmä- ßigkeiten oder Auffälligkeiten unverzüglich mitzuteilen. Zu 8: Im Bereich des Maßregelvollzugs gibt es ein standardisiertes, durch Erlasse geregeltes Verfahren zur Meldung von Entweichungen an die Polizei und die zuständige Vollstreckungsbehörde. Diese entscheiden dann in der Folge in ihrer jeweiligen Zuständigkeit über Art und Umfang der Fahn- dungsmaßnahmen. Hierzu gehört auch die Entscheidung, ob und in welcher Form die Öffentlichkeit unterrichtet wird. Das weitere Vorgehen zur Informationsweitergabe und Fahndungseinleitung bei nicht rechtzeitiger Rückkehr einer Sicherungsverwahrten oder eines Sicherungsverwahrten von einer unbegleiteten vollzugsöffnenden Maßnahme regelt Nummer 40 Abs. 3 der bundeseinheitlichen Vollzugsge- schäftsordnung (VGO, vgl. AV d. MJ v. 02.05.2011 [1464 - 303.25], Nds. Rpfl. 2011, 195). Danach ist unverzüglich die Entscheidung der Anstaltsleitung über Art und Umfang der zu treffenden Maß- nahmen herbeizuführen. Hierzu gehört nach der VGO auch die unverzügliche Entscheidung über die Unterrichtung der Vollstreckungsbehörde und gegebenenfalls Polizei nach Maßgabe der Num- mer 40 Abs. 2 VGO. Nach Unterrichtung entscheiden Polizei und Vollstreckungsbehörde in ihrer jeweiligen Zuständigkeit über Art und Umfang der Fahndungsmaßnahmen, wozu auch die Ent- scheidung gehört, ob und in welcher Form die Öffentlichkeit unterrichtet wird. Zu 9: Ja. Zu 10: Der Einsatz technischer Mittel für eine elektronische Überwachung des Aufenthaltsortes bei voll- zugsöffnenden Maßnahmen von Sicherungsverwahrten würde eine Änderung des Nds. SVVollzG voraussetzen. Gesetzessystematisch würde es sich um eine Weisung für eine vollzugsöffnende Maßnahme handeln, die wegen ihrer Eingriffsschwere einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfte. Die Landesregierung steht dem Einsatz sogenannter elektronischer Fußfesseln im Vollzug der Sicherungsverwahrung bislang skeptisch gegenüber. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nds. SVVollzG sind Sicherungsverwahrten die zur Erreichung der Vollzugsziele erforderlichen vollzugsöffnenden Maß- nahmen zu gewähren, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere nicht konkre- te Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass die oder der Sicherungsverwahrte sich dem Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entziehen oder die vollzugsöffnende Maßnahme zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Liegen solche konkreten Anhaltspunkte für eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr vor, darf eine vollzugsöffnende Maßnahme nicht gewährt werden. Da eine elektronische Fußfessel weder die Flucht noch die Begehung einer Straftat verhindern kann, ist nur schwer zu ermessen, wie eine solche Weisung einer derart konkreten Flucht- oder Missbrauchsgefahr durchgreifend entgegenwirken könnte. Im Gesetzgebungsverfahren zum Nds SVVollzG hat das Fachministerium darauf hingewiesen, dass zunächst Erfahrungen aus dem Bereich der Weisungen bei Führungsaufsicht nach § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB sowie aus Bundesländern abgewartet werden sollen, die solche Weisungen in ihre Ländergesetze für den Vollzug der Sicherungsverwahrung aufgenommen haben (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 9 des Hessischen SVVollzG). Bislang liegen dem Fachministerium keine Erfahrungsberichte vor, die eine Gesetzes- initiative der Landesregierung zur Änderung des erst am 1. Juni 2013 in Kraft getretenen Nds. SVVollzG rechtfertigen würden. Diese Ausführungen treffen im Kern auch auf den Maßregel- vollzug zu. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2363 6 Zu 11: Mit einem Gerät zur elektronischen Überwachung des Aufenthalts (EAÜ), wie es bereits nach gel- tender Rechtslage im Rahmen einer Führungsaufsichtsweisung einsetzbar ist, erfolgt keine Echt- zeitüberwachung. Vielmehr werden mithilfe der von der verurteilten Person mitgeführten techni- schen Mittel automatisiert Daten über deren Aufenthaltsort erhoben und gespeichert, zudem wird bei der Beschädigung der sogenannten Fußfessel oder bei Verlassen eines eingestellten Kontroll- bereichs Alarm ausgelöst. Zu 12: Zunächst wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. Die Frage, inwieweit das Wissen um diese Möglichkeit Sicherungsverwahrte während eines Aus- oder Freiganges zurück- oder untergebrach- te Patienten im Maßregelvollzug, denen Vollzugslockerungen oder Urlaub gewährt wurden, von der Begehung von Straftaten abhalten könnte, vermag die Landesregierung nicht zu beantworten, da die Antwort spekulativ wäre. Zu 13: Eine nicht rechtzeitige Rückkehr oder Flucht stellt im Maßregelvollzug kein dauerhaftes Aus- schlusskriterium für die erneute Gewährung von Vollzugslockerungen dar. Dies würde dem Ziel der Unterbringung im Maßregelvollzug widersprechen. Das Fehlverhalten der Maßregelvollzugspatien- tin bzw. des Maßregelvollzugspatienten werden innerhalb der jeweiligen Einrichtung bearbeitet. So- fern in der Folge der Untergebrachte die vorhandenen Vorgaben zur Gewährung von Vollzugslo- ckerungen wieder erfüllt, kann er solche erneut beantragen. Im Vollzug der Sicherungsverwahrung ist die nicht rechtzeitige Rückkehr oder Flucht bei vollzugs- öffnenden Maßnahmen kein dauerhaftes Ausschlusskriterium für die Gewährung oder Nichtgewäh- rung von vollzugsöffnenden Maßnahmen. Ein solches Verhalten ist allerdings in der Prognose bei Entscheidungen über künftige vollzugsöffnende Maßnahmen zu berücksichtigen. Der dauerhafter Entzug vollzugsöffnender Maßnahmen nach einer Entweichung bzw. nach einer nicht rechtzeitigen Ausgangsrückkehr würde den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u. a.) und den bundes- und landesgesetzlichen Bestimmungen wider- sprechen, wonach der Vollzug der Sicherungsverwahrung freiheitsorientiert und therapiegerichtet auszugestalten ist. Der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zufolge sind „Vollzugslockerungen zum Zwecke der Erprobung (…) von besonderer Bedeutung für die Progno- se, weil sie deren Basis erweitern und stabilisieren (…). Die Konzeption der Sicherungsverwahrung muss Vollzugslockerungen vorsehen und Vorgaben zur Entlassungsvorbereitung enthalten, wobei der Freiheitsorientierung möglichst weitgehend Rechnung zu tragen ist. So muss sichergestellt werden, dass Vollzugslockerungen nicht ohne zwingenden Grund - etwa auf der Grundlage pau- schaler Wertungen oder mit dem Hinweis auf eine nur abstrakte Flucht- oder Missbrauchsgefahr - versagt werden können“ (a. a. O. Rn 116). Auch die Gesetzesmaterialen zum Niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz be- tonen unter Bezugnahme auf die vorgenannte Entscheidung die Bedeutung vollzugsöffnender Maßnahmen, durch die die Sicherungsverwahrten in der Regel stufenweise in größeren Freiheits- graden erprobt und so kontinuierlich an ein Leben in Freiheit herangeführt werden sollen (vgl. Drs. 16/4873, S. 62). Cornelia Rundt (Ausgegeben am 20.11.2014) Drucksache 17/2363 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/1963 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Jens Nacke (CDU), eingegangen am 04.09.2014 Wie kann die Bevölkerung besser vor entwichenen Sexualstraftätern geschützt werden? Antwort der Landesregierung