Niedersächsischer Landtag −−−− 17. Wahlperiode Drucksache 17/2364 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2105 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Gerd Will (SPD), eingegangen am 26.09.2014 Auswirkungen des Klassenfahrtenboykotts für Schülerinnen und Schüler an Gymnasien in Niedersachsen ab 2014 Im letzten Quartal des Jahres 2013 wurde an vielen Gymnasien in Niedersachsen von vielen Personalräten bzw. Lehrern der Schulen ein Aussetzen der Klassenfahrten (außer Austauschfahrten) beschlossen. Diesem von der Lehrerschaft so bezeichneten Boykott wird anscheinend durchaus in vielen Bereichen gefolgt. Laut Medienberichten wird an Gymnasien in Niedersachsen der „Protest auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler ausgetragen“ (z. B. Nordwest-Zeitung vom 06.06.2014). Schülerinnen und Schüler organisieren ihrerseits den Protest gegen den Boykott der Klassenfahrten . Klassenfahrten bilden in der Schullaufbahn Highlights. Sie stärken die Gemeinschaft und fördern die Selbstverantwortung. Sie sind nach Auffassung pädagogischer Experten wichtig - ja, unverzichtbar . Gleichzeitig wird durch den Boykott ein wirtschaftlicher Schaden für Niedersachsens Fremdenverkehrs - und Tourismuseinrichtungen verursacht. Er betrifft daher auch viele Arbeitnehmer und Unternehmen in Niedersachsen. Jugendherbergen und Freizeiteinrichtungen wie Walsrode und Soltau melden durch ausfallende Klassenfahrten nach eigenen Angaben erhebliche finanzielle Einnahmeausfälle (bis zu 25 %) und reduzieren das Personal in der Hauptsaison zum Teil um über 20 % des letztjährigen Bestands. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche Schulformen fallen unter die Regelungen des Landes über die Durchführung von Klassenfahrten? 2. Wie viele Schulen haben regelmäßig vor dem Boykott Klassenfahrten durchgeführt? 3. Welcher Ausgleich wurde den durchführenden Lehrerinnen und Lehrern gewährt? 4. Wie viele Verfügungsstunden wurden dafür niedersachsenweit, nach Schulformen getrennt, gewährt? 5. Gibt es weitere unterstützende Regelungen z. B. finanzieller Art, die den Schulen für die Durchführung von Klassenfahrten gewährt werden? 6. Was geschieht mit den freiwerdenden Mitteln an den Schulen, an denen der Boykott durchge- führt wird? 7. Werden diese Schulen gegenüber den Schulen, die weiterhin Klassenfahrten durchführen, bessergestellt, bzw. wie wird eine Gleichstellung aller Schulen sichergestellt? 8. Wie viele Gymnasien in Niedersachsen beteiligen sich weiter an Klassenfahrten? 9. Wie viele Gymnasien (Personalvertretungen) beteiligen sich an diesem Boykott? 10. Gibt es bereits eine erste Erfassung der wirtschaftlichen Auswirkungen/Schäden durch den Klassenfahrtenboykott? 11. Welche Bereiche betrifft er über die touristischen Einrichtungen hinaus? (An die Staatskanzlei übersandt am 10.10.2014) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2364 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Kultusministerium Hannover, den 12.11.2014 - 01-0 420/5-2105 - Schulfahrten sind pädagogisch sinnvolle Schulveranstaltungen, die den Schulunterricht ergänzen; sie gehören zum pädagogischen Konzept einer Schule. Die Schulen in Niedersachsen legen im Rahmen ihres jeweiligen Schulprogramms selbst fest, wann Schulfahrten, Schullandheimaufenthalte und Praktika als wichtige soziale Lernerfahrungen durchgeführt werden. Die mit der Schulfahrt verfolgten Bildungs- und Erziehungsziele werden von Schülerinnen und Schülern sowie von den Erziehungsberechtigten in der Regel unterstützt und auch als Bereicherung empfunden. Mit dem Internetportal „Schule entdeckt Niedersachsen“ bietet das Kultusministerium den Schulen in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kooperationspartnern Informationen zu Reise- und Bildungszielen in Niedersachsen an und lädt Schulen ein, Niedersachsen als Reise- und Bildungsland zu entdecken. Mit dem Portal wird den Schulen ein Angebot gemacht, das sowohl die Organisation von Klassenfahrten und Klassenausflügen als auch die Auswahl von außerschulischen Lernorten erleichtert. In dem Reiseatlas sind alle Jugendherbergen, fast alle Schullandheime, viele Freizeitund Kultureinrichtungen und viele Museen aufgelistet. Eine Schulfahrt sorgt für Gruppenerlebnisse jenseits des Schulalltags und fördert die soziale Kompetenz von Kindern und Jugendlichen. Dabei erleben Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte neue Formen des Miteinanders. Sie müssen sich in ganz neuen Situationen bewähren, haben ungewohnte Aufgaben zu meistern und lernen ihre Gegenüber häufig von bisher unbekannten Seiten kennen. Gerade gemeinschaftliche Erfahrungen helfen, Regeln und Umgangsformen zu erkennen und einzuüben . Somit stärken Schulfahrten die soziale Kompetenz, fördern Kommunikation und erproben die Konfliktfähigkeit - allesamt Fähigkeiten, die in unserer modernen Wissensgesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen. Das Kultusministerium misst Schulfahrten daher einen hohen Stellenwert bei. Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt: Zu 1: Unter die Regelungen des Landes über die Durchführung von Schulfahrten fallen alle öffentlichen allgemeinbildenden Schulen sowie alle öffentlichen berufsbildenden Schulen. Zu 2: Es ist anzunehmen, dass bisher alle Schulen regelmäßig Schulfahrten durchgeführt haben. Um quantifizierbare Erkenntnisse darlegen zu können, müsste eine nach Art und Umfang der Veranstaltungen differenzierende Abfrage bei mehr als 3 000 öffentlichen Schulen durchgeführt werden. Der Aufwand einer solchen Abfrage steht jedoch nicht im Verhältnis zu dem zu erwartenden Erkenntnisgewinn . Zu 3 und 4: Nach der Mitteilung des Kultusministeriums „Flexibler Unterrichtseinsatz der Lehrkräfte gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen“ (SVBl. 10/2007, S. 355) gelten für die Lehrkräfte bei der Teilnahme an einer Schulfahrt neben dem stundenplanmäßigen Unterricht je Tag eine Unterrichtsstunde zusätzlich als erteilt, höchstens jedoch vier Unterrichtsstunden wöchentlich. Diese Regelung ist im Zusammenhang mit der anlässlich einer Schulfahrt gegebenen zeitlichen Inanspruchnahme einer Lehrkraft zu sehen. Der Begrenzung des Überschreitens der Unterrichtsverpflichtung auf wöchentlich höchstens vier Unterrichtsstunden liegt die entsprechende verordnungsrechtliche Regelung zugrunde, die die zugelassenen Mehrstunden auf dieses Maß beschränkt. Für die Dauer einer Schulfahrt wird davon ausgegangen, dass Lehrkräfte die individuell nach § 4 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Verordnung über die Ar- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2364 3 beitszeit der Beamtinnen und Beamten an öffentlichen Schulen (Nds. ArbZVO-Schule) höchstmögliche Unterrichtsleistung (Unterrichtsverpflichtung nach § 4 Abs. 1 zuzüglich vier Unterrichtsstunden nach Absatz 2 Satz 1 Nds. ArbZVO-Schule) erbringen. Im Rahmen der Erhebung zur Unterrichtsversorgung an allgemeinbildenden Schulen wird der Inhalt bzw. die Verwendung einer Verfügungsstunde nicht erhoben. Zu 5 bis 7: Nach Nummer 2.2 des Erlasses „Haushaltswirtschaftliche Vorgaben für das Budget der Schule“ vom 14.12.2007 (SVBl. 1/2008, S. 7) sind Schulfahrten aus dem Schulbudget zu finanzieren. Die Schulleiterin oder der Schulleiter ist gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 4 NSchG eigenverantwortlich für die Bewirtschaftung des Budgets (§ 32 Abs. 4 NSchG) zuständig; sie oder er hat die Kompetenzen des Schulvorstandes (§ 38 a Abs. 3 Nr. 2 NSchG) zu beachten. Weitere Landesmittel sind für Schulfahrten bzw. nicht durchgeführte Schulfahrten im Haushaltsplan nicht veranschlagt. Zu 8 und 9: Nach Medienberichten sowie Verbändeangaben beteiligen sich etwa zwei Drittel der Gymnasien an dem sogenannten Klassenfahrtenboykott. Allerdings ist ebenfalls bekannt, dass an einigen dieser Schulen nicht vollständig auf die Durchführung von Schulfahrten verzichtet wird. Zum Teil sind von den Maßnahmen nur bestimmte Jahrgänge berührt, zum Teil werden schuleigene Schullandheime angefahren. Ferner werden gleichwohl Schüleraustauschfahrten durchgeführt. Um quantifizierbare Erkenntnisse darlegen zu können, müsste eine nach Art und Umfang von durchgeführten Veranstaltungen differenzierende Abfrage bei mehr als 250 öffentlichen Gymnasien durchgeführt werden. Der Aufwand einer solchen Abfrage steht jedoch nicht im Verhältnis zu dem zu erwartenden Erkenntnisgewinn. Zu 10: Wissenschaftliche Erfassungen und betriebswirtschaftliche Berechnungen hinsichtlich möglicher wirtschaftlicher Schäden durch die sogenannten Klassenfahrtenboykotte sind nicht bekannt. Pressemitteilungen ist zu entnehmen, dass die niedersächsischen Landesverbände des Deutschen Jugendherbergswerks Rückgänge der Gästezahlen erwarten, die sie den Boykottmaßnahmen zuschreiben . Zu 11: Im Rahmen von Schulfahrten entstehen Ausgaben für die Unterkunft und Verpflegung, aber auch für eine Reihe von anderen Aktivitäten, wie z. B. für den Besuch von Museen und Ausstellungen oder für Ausflüge. So können vom sogenannten Klassenfahrtenboykott nicht nur die Jugendherbergen und deren Lieferanten, sondern auch der regionale Einzelhandel, Bus- und Reiseunternehmen etc. betroffen sein. Aufgrund der Relevanz dieser und ähnlicher Ausgaben sind Schulfahrten generell auch als Wirtschaftsfaktor zu sehen. Eine belastbare Datengrundlage über die wirtschaftliche Entwicklung im Zusammenhang mit Schulfahrten, insbesondere zu Schullandheim- oder Jugendherbergsbesuchen , liegt der Landesregierung nicht vor. In Vertretung des Staatssekretärs Michael Markmann (Ausgegeben am 20.11.2014) Drucksache 17/2364 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage- Drucksache 17/2105 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Gerd Will (SPD), eingegangen am 26.09.2014 Auswirkungen des Klassenfahrtenboykotts für Schülerinnen und Schüler an Gymnasien inNiedersachsen ab 2014 Antwort der Landesregierung