Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2433 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2232 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Hillgriet Eilers und Dr. Gero Hocker (FDP), eingegangen am 20.10.2014 Unfall bei einer Hochspannungsleitung in Wiesmoor Am 9. Januar riss in Wiesmoor (Landkreis Aurich) ein Starkstromkabel von einer Hochspannungs- leitung und fiel in den Vorgarten eines von einer Familie bewohnten Hauses. Nur durch Zufall kam keiner der Anwohner zu schaden. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Zuständigkeit hat das Land hinsichtlich der energieaufsichtlichen Behandlung des Vorfalls in Wiesmoor, und welche Aktivitäten oder Prüfungen wurden unternommen? 2. Wie bewertet die Landesregierung die Gefahren von Hochspannungsleitungen in der näheren Umgebung von Wohnbebauungen? 3. Wie oft kam es Niedersachsen schon zu Zwischenfällen wie in Wiesmoor? 4. Was sind die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen einer Erdverkabelung auf der 110-kV-Ebene? 5. Welche Erdverkabelungen sind nach Ansicht der Landesregierung „ökologisch sinnvoll“ im Sinne von Seite 88 des Koalitionsvertrages? 6. Ist die Landesregierung bereit und hat sie die rechtlichen Möglichkeiten, bei einer erwiesenen Gefährdung der Anwohner vom Netzbetreiber eine Verlegung der Leitung unter die Erde zu verlangen? (An die Staatskanzlei übersandt am 24.10.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 25.11.2014 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - MinBüro-01425/17/7/11-0037 - Am 9. Januar 2014 kam es in der Gemeinde Wiesmoor an einer bestehenden 110-kV-Hochspan- nungsfreileitung zu einem Leiterseilbruch über bebautem Gebiet. Dabei ist das gerissene Leiterseil- ende in einen Vorgarten gefallen, wobei kein Personenschaden entstanden ist. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: In Niedersachsen wird die Energieaufsicht gemäß § 49 Abs. 5 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) vom MU wahrgenommen. Danach kann die nach Landesrecht zuständige Behörde im Einzelfall die zur Sicherstellung der Anforderungen an die technische Sicherheit von Energieanlagen erforderli- chen Maßnahmen treffen. Nachdem das MU Kenntnis von dem Vorfall in Wiesmoor erlangt hat, wurde unverzüglich Kontakt mit dem zuständigen Netzbetreiber E.ON Netz GmbH aufgenommen und sichergestellt, dass So- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2433 2 fortmaßnahmen eingeleitet wurden. Zu den sofort durchgeführten Maßnahmen zählten das Ab- schalten der Anlage und das Absichern der Fehlerstelle, um Schäden von Personen und Sachen abzuwenden. Als weitere Maßnahme wurde mit dem Netzbetreiber abgestimmt, das komplette Lei- terseil auszutauschen und den Bruch des defekten Seils in einem Labor untersuchen zu lassen. Zudem wurde vereinbart, dass auch die nicht beschädigten Seile überprüft werden. Nach Kennt- nisnahme des Untersuchungsergebnisses im Hinblick auf das defekte Anlagenteil wurde der Netz- betreiber von der Energieaufsichtsbehörde angewiesen, die in Wiesmoor vorgefundene technische Ausführung der Freileitung über bebautem Gebiet nicht mehr einzusetzen. Zu 2: Gemäß § 49 Abs. 1 EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die techni- sche Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allge- mein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Freileitungen sind nach der Freileitungsnorm „Errichtung von Freileitungen über 45 KV“ DIN EN 50341 (VDE 0210) zu errichten sowie entsprechend der Norm „Instandhaltung von Betriebsmitteln und Anlagen in Energieversorgungsnetzen“ DIN V VDE V 0109-1 (VDE V 0109-1) und DIN V VDE V 0109-2 (VDE V 0109-2) zu betreiben. Wei- terhin gilt die technische Richtlinie für „Instandhaltungsmaßnahmen von Betriebsmitteln und Anlagen in Elektrizitätsversorgungsnetzen“ vom Verband der Netzbetreiber (VDN), November 2006. Zudem sind die Grenzwerte der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutz- gesetzes für elektromagnetische Felder grundsätzlich einzuhalten. Werden der Energieaufsicht Sachverhalte bekannt, die Verstöße gegen die technischen Sicherheitsstandards vermuten lassen, ist die Behörde befugt, die zur Sicherstellung der Anforderungen an die technische Sicherheit von Energieanlagen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Der Bundesgesetzgeber hat im Jahr 2009 auf Initiative Niedersachsens und anderer Bundesländer die Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes für den Neubau von Hochspannungsleitungen mit einer Nennspannung von 110 kV oder weniger modifiziert. Gemäß § 43 h EnWG sind Hochspan- nungsleitungen mit einer Nennspannung von 110 kV oder weniger auf neuen Trassen als Erdkabel auszuführen, soweit die Gesamtkosten für Errichtung und Betrieb des Erdkabels die Gesamtkosten der technisch vergleichbaren Freileitung den Faktor 2,75 nicht überschreiten und naturschutzfachli- che Belange nicht entgegenstehen; die für die Zulassung des Vorhabens zuständige Behörde kann auf Antrag des Vorhabenträgers die Errichtung als Freileitung zulassen, wenn öffentliche Interes- sen nicht entgegenstehen. Diese Regelung gilt jedoch nicht für Bestandsleitungen, sodass eine nachträgliche Erdverkabelung nicht durch die Energieaufsicht vom Netzbetreiber gefordert werden kann. Nach Analyse des Schadens und dessen Ursachen ist festzustellen, dass auch ein anderes Sys- tem der staatlichen Aufsicht nicht zur Früherkennung und zur Vermeidung dieses Schadensereig- nisses hätte führen können. Weitergehende rechtliche Rahmenbedingungen für eigenständige Ge- fahrenbewertungen liegen der Landesregierung nicht vor. Zu 3: Es gibt keine statistische Erfassung von derartigen Schadensereignissen, sodass der Landesregie- rung insoweit keine belastbaren Erkenntnisse vorliegen. Nach Kenntnis der Landesregierung hat es neben dem Vorfall in Wiesmoor in der jüngeren Vergangenheit vergleichbare Ereignisse in Nieder- sachsen nicht gegeben. Zu 4: Gemäß § 43 h EnWG sind Hochspannungsleitungen auf neuen Trassen mit einer Nennspannung von 110 kV oder weniger als Erdkabel auszuführen, soweit die Gesamtkosten für Errichtung und Betrieb des Erdkabels die Gesamtkosten der technisch vergleichbaren Freileitung den Faktor 2,75 nicht überschreiten und naturschutzfachliche Belange nicht entgegenstehen; die für die Zulassung des Vorhabens zuständige Behörde kann auf Antrag des Vorhabenträgers die Errichtung als Frei- leitung zulassen, wenn öffentliche Interessen nicht entgegenstehen. Zu 5: Ob eine Erdverkabelung ökologisch sinnvoll ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Erdverkabelung kann beispielsweise dazu beitragen, Naturschutzkonflikte (z. B. Konflikte mit dem Vogelschutz) zu min- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2433 3 dern. Im Hochspannungsnetz bis 110 kV ist die Erdverkabelung inzwischen die Regelbauweise. Im Höchstspannungsnetz hingegen können Teilverkabelungen bisher nur in wenigen Pilotprojekten bei unvermeidlichen Siedlungsannäherungen eingesetzt werden. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, die Teilverkabelungsoption auf alle neuen Projekte im Höchstspannungsnetz auszuweiten. Die Landesregierung Niedersachsen hat dazu im Mai im Zusammenhang mit dem Erneuerbare-Ener- gien-Gesetz im Bundesrat beantragt 1. erdverlegte Übertragungssysteme, wie z. B. Teilerdverkabelung bei allen Leitungsprojekten im Höchstspannungsnetz zu ermöglichen, 2. erdverlegte Übertragungssysteme auch bei Trassenverkürzungsoption und zur Minderung von Naturschutzkonflikten einzuführen, 3. Ausnahmen von der Bindungswirkung des ca. 1 km breiten Trassenkorridors bei den Lei- tungsprojekten nach dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz im Planfeststellungsverfahren zuzulassen. Zu 6: Die Energieaufsicht des Landes hat bei bestehenden Freileitungen kein Instrument, um bei Versa- gen eines Betriebsmittels über den Ersatz des defekten Bauteils hinausgehend weitere Forderun- gen gegenüber dem Netzbetreiber durchzusetzen. Für die Forderung einer Erdverkabelung im vor- genannten Fall gibt es keine rechtliche Grundlage. Stefan Wenzel (Ausgegeben am 02.12.2014) Drucksache 17/2433 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2232 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Hillgriet Eilers und Dr. Gero Hocker (FDP), eingegangen am 20.10.2014 Unfall bei einer Hochspannungsleitung in Wiesmoor Antwort der Landesregierung