Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2485 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2299 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Hillgriet Eilers, Björn Försterling und Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 30.10.2014 Wird es einen schiitischen Religionsunterricht in Niedersachsen geben? Insgesamt leben momentan in Deutschland ca. 4,3 Mio. Muslime. Die größte konfessionelle Grup- pe darunter bilden die Sunniten, die größtenteils aus der Türkei stammen. Dieser Umstand hat zur Folge, dass auch die Religionslehre in Deutschland, beispielsweise in den Universitäten wie in Os- nabrück, ausschließlich nach sunnitischer Prägung erteilt wird. Folge dessen ist, dass Gläubige schiitischen Glaubens in Deutschland lediglich am Unterricht oder Studium nach sunnitischer Prä- gung teilnehmen können, selbst aber aus religiösen Gründen nicht lehren dürfen. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wird es einen schiitischen Religionsunterricht in Niedersachsen geben? 2. Mit welchen schiitischen Verbänden wurde über einen schiitischen Religionsunterricht, bei- spielsweise bei Gesprächen im Rahmen der Ausarbeitung eines Staatsvertrags mit den Mus- limen, gesprochen? 3. Inwieweit ist nach Auffassung der Landesregierung ein eigener schiitischer Religionsunterricht notwendig? 4. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass Schiiten in Deutschland nicht Religi- onslehrer werden können? 5. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag eines überkonfessionellen islamischen Re- ligionsunterrichts in Deutschland? 6. Wie viele Muslime in Niedersachsen werden tatsächlich von den türkisch geprägten Dachver- bänden vertreten? (An die Staatskanzlei übersandt am 06.11.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Kultusministerium Hannover, den 28.11.2014 - 01-0 420/5-2299 - In Niedersachsen bestehen zwei islamische Dachverbände, die zusammen 159 Moscheevereine repräsentieren. Hierbei vertritt die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. (DITIB) - Landesverband Niedersachsen und Bremen - vorzugsweise türkisch-sunnitische Musliminnen und Muslime. Der Landesverband der Muslime in Niedersachsen e. V. (Schura Niedersachsen), her- vorgegangen aus dem 2001 von mehreren nicht-staatlichen muslimischen Verbänden und Organi- sationen gegründeten „Arbeitskreis Islamischer Religionsunterricht“, vertritt alle Moscheegemeinden vorwiegend afghanischer, arabischer, bosnischer, pakistanischer, iranischer und deutscher Zu- sammensetzung und hat das ausdrückliche Mandat, auch für die schiitischen Gemeinden zu ver- handeln. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2485 2 Seit Januar 2012 besteht als Vertretungsorgan der niedersächsischen Moscheegemeinden der Bei- rat für den Islamischen Religionsunterricht, der zugleich Ansprechpartner des Kultusministeriums in allen Fragen des Islamischen Religionsunterrichts ist. Das niedersächsische „Kerncurriculum Islamische Religion für den Sekundarbereich I“ wurde von Vertreterinnen und Vertretern des Beirats mit konzipiert. In ihm heißt es, der Islamische Religions- unterricht behalte die „religiöse Vielgestaltigkeit innerhalb der islamischen Religion im Blick. Er ist Referenzrahmen für die religiöse Bildung, die die religiöse Pluralität auch innerhalb der muslimi- schen Gemeinschaften nicht ausblendet“. Zu den prozessbezogenen Kompetenzen gehört des- halb, „unterschiedliche muslimische Positionen im Hinblick auf Bekenntnis, Glaubenspraxis und Ethik (zu) vergleichen“. So wird bei den inhaltsbezogenen Kompetenzen an geeigneter Stelle auch auf die Besonderheiten schiitischer Anschauungen hingewiesen. Religion wird durch das religiöse Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft definiert. Daher können muslimische Gemeinden selbst darüber entscheiden, ob Angehörige einer bestimmten Glaubensrichtung ihnen angehören oder nicht. Die Beschränkung auf die Anerkennung von Koran und Sunna als gemeinsame Glaubensgrundlage reicht aus. Eine weitergehende vollständige kon- fessionelle Homogenität der Gemeinschaft ist für den Religionsunterricht nicht erforderlich (vgl. hierzu die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG, Urteil vom 23.02 2005, 6 C 2/04, E 123, 49, 64 f.). Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt: Zu 1: An die Landesregierung sind keine Anträge hinsichtlich der Einrichtung eines schiitischen Religi- onsunterrichts herangetragen worden. Zu 2: Da kein schiitischer Verband an die Landesregierung mit der in der Anfrage genannten Zielsetzung herangetreten ist, haben auch keine dementsprechenden Gespräche stattgefunden. Zu 3: Die Landesregierung unterstützt einen überkonfessionellen islamischen Religionsunterricht, wie er in Zusammenarbeit mit sunnitischen und schiitischen Interessensvertreterinnen und Interessens- vertretern erarbeitet und im Kerncurriculum manifestiert wurde. Eine Notwendigkeit zur Revision der bislang erreichten Kooperation der Konfessionen besteht aus Sicht der Landesregierung zurzeit nicht. Zu 4: An der Universität Osnabrück werden zurzeit neben dem Bachelorstudiengang „Islamische Theologie “ der Studiengang „Islamische Religion“ (Bachelorstudiengang als Zwei-Fach-Studiengang für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen) und der Studiengang „Islamische Religionspäda- gogik“ (Erweiterungsfach im Masterstudiengang) angeboten. Die Studiengänge stehen neben sunnitischen auch schiitischen Studierenden offen. Aufgrund der akademischen und institutionellen Voraussetzungen und der Tatsache, dass der Bei- rat für den Islamischen Religionsunterricht auch religiöse Lehrbefugnisse an Schiiten vergibt, ist es für diese sehr wohl möglich, in Niedersachsen auch an staatlichen Schulen als Religionslehrerin- nen und Religionslehrer zu arbeiten. Zu 5: Auf die Antwort zu 3 wird verwiesen. Zu 6: Nach Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung ordnet und verwaltet jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Damit unterliegt auch die innere Ordnung einer Religionsgemein- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2485 3 schaft ihrem Selbstbestimmungsrecht, sodass für Religionsgemeinschaften weder Melde- noch Registrierungspflichten bestehen. Daher kann auch die Landesregierung nur in beschränktem Um- fang Einblick in die Strukturen von Religionsgemeinschaften nehmen. Angaben zu den angefragten Zahlen liegen der Landesregierung nicht vor. In Vertretung des Staatssekretärs Michael Markmann (Ausgegeben am 16.12.2014) Drucksache 17/2485 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2299 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Hillgriet Eilers, Björn Försterling und Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 30.10.2014 Wird es einen schiitischen Religionsunterricht in Niedersachsen geben? Antwort der Landesregierung