Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2488 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2125 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Immacolata Glosemeyer, Holger Ansmann, Marco Brunot- te, Dr. Christos Pantazis, Andrea Schröder-Ehlers, Uwe Schwarz und Dr. Thela Wernstedt (SPD), eingegangen am 26.09.2014 Gibt es Probleme bei der Versorgung mit Muttermilch? Jährlich kommen deutschlandweit ca. 60 000 Kinder zu früh auf die Welt. Die Mütter sind zu die- sem Zeitpunkt selten in der Lage, die Frühchen mit Muttermilch zu versorgen. Wissenschaftlich un- strittig ist, dass aber genau diese Muttermilch die beste Nahrung für Säuglinge ist. Besonders den Frühchen kann damit über den Berg geholfen werden und Folgeschäden können verringert werden. Aber auch Babys, die nach einer gewöhnlichen Schwangerschaft auf die Welt kommen, können nicht immer von der Milch der eigenen Mutter profitieren. Viele Frauen haben Probleme beim Stillen und müssen auf Alternativprodukte zurückgreifen. Auch für diese Babys gibt es keine bessere Nah- rung als Muttermilch, sodass eine Nachfrage immer besteht. In neun deutschen Krankenhäusern (Chemnitz, Cottbus, Dresden, Eisenach, Frankfurt/Oder, Gör- litz, Leipzig, Potsdam, München) gibt es Milchbanken, an denen Frauen, die zu viel Milch produzie- ren, ihre Milch abgeben können und somit als Spenderin fungieren. Die Milch wird steril abge- pumpt, die Mütter auf Krankheiten untersucht. Zudem werden aktiv Hebammen mit in die Arbeit eingebunden, die den Frauen begleitend und beratend zur Seite stehen. Als Alternative zu den Milchbanken florieren Online-„Muttermilchbörsen“, in denen Frauen Milch kaufen und verkaufen können. Dieser Handel basiert aber lediglich auf Vertrauensbasis. Die Frau- en können ihre Milch zwar untersuchen lassen, eine Pflicht dafür besteht allerdings nicht. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Sind der Landesregierung Zahlen bekannt, wie viele Frauen in Niedersachsen eine Unterstüt- zung bei der Versorgung mit Muttermilch benötigen? Wenn ja, wie viele? 2. Sind ihr Problemfälle bekannt, die im Zusammenhang mit den sogenannten Muttermilchbör- sen stehen? 3. Ist der Handel mit Muttermilch in privaten Internetbörsen überhaupt rechtlich erlaubt? 4. Welchen gesundheitlichen Risiken sind Säuglinge bei der Aufnahme von fremder Muttermilch ausgesetzt? 5. Welchen Kontrollen unterliegt Muttermilch, die in privaten Muttermilchbörsen online gehandelt wird? 6. Zu welchen Preisen wird Muttermilch in den Muttermilchbörsen gehandelt? 7. Welchen Kontrollen unterliegt Muttermilch, die in Muttermilchbanken gespendet wird? 8. Erhalten Frauen, die ihre überschüssige Muttermilch in Muttermilchbanken spenden, eine (fi- nanzielle) Gegenleistung? 9. Sind der Landesregierung Überlegungen oder Projekte zur Errichtung von Milchbanken in niedersächsischen Krankenhäusern bekannt? 10. Liegen der Landesregierung Erfahrungen aus anderen Ländern zur Spende von Muttermilch vor? Wenn ja, welche? (An die Staatskanzlei übersandt am 13.10.2014) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2488 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 28.11.2014 für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - 401.2 - 01425/3 - Muttermilch ist die ideale Nahrung für Säuglinge. Sie ist gut verdaulich und so zusammengesetzt, dass sie im ersten Lebenshalbjahr den Bedarf an Nährstoffen und Flüssigkeit deckt. Die Nationale Stillkommission unterstützt es daher, dass Frühgeborene oder kranke Neugeborene die (noch) nicht gestillt werden können, möglichst mit abgepumpter Muttermilch der eigenen Mutter oder ge- gebenenfalls mit gespendeter Frauenmilch ernährt werden. In Deutschland wurde die erste Frauenmilchsammelstelle bereits im Jahr 1919 gegründet. 1959 gab es 86 Frauenmilchbanken, davon 24 in der Bundesrepublik Deutschland und 62 in der DDR. Diese Zahl ging seit den 1970er-Jahren wegen der Verbreitung moderner Säuglingsnahrung und der Furcht vor übertragbaren Infektionskrankheiten stark zurück. Aufgrund besserer Untersu- chungs- und Kontrollmöglichkeiten steigt die Anzahl von Frauenmilchbanken in Deutschland derzeit wieder an. Aktuell gibt es in Deutschland 14 Frauenmilchbanken, die Kinderkliniken angeschlossen sind (Berlin, Chemnitz, Cottbus, Dresden, Eisenach, Frankfurt [Oder], Görlitz, Greifswald, Jena, Leipzig, Magdeburg, München, Neubrandenburg, Potsdam). Das erste deutsche Internetportal für das private Anbieten von Frauenmilch, die Muttermilch-Börse, ging Anfang des Jahres 2014 online. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Der Landesregierung liegen dazu keine Informationen vor. Zu 2: Der Landesregierung sind aus der Lebensmittelüberwachung und der Überwachung des Internet- handels keine Problemfälle bekannt, die im Zusammenhang mit den sogenannten Muttermilchbör- sen stehen. Zu 3: Muttermilch wird als Lebensmittel im Sinne von Artikel 2 VO (EG) Nr. 178/2002 eingestuft. Der Handel mit Lebensmitteln ist grundsätzlich erlaubt. Im Umgang mit Lebensmitteln als Lebensmittel- unternehmer sind jedoch u. a. die rechtlichen Vorgaben der VO (EG) Nr. 178/2002, VO (EG) Nr. 852/2004 sowie gegebenenfalls der Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) 1 zu beachten. Inwieweit Anbieter von Muttermilch in privaten Muttermilchbörsen als Lebensmittelunternehmer einzustufen sind, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen. Zu 4: Für den Säugling können bei der Aufnahme nicht kontrollierter Muttermilch gesundheitliche Risiken bestehen, wenn die spendende Frau an einer übertragbaren Infektionskrankheit wie z. B. HIV, He- patitis oder Zytomegalie leidet. Weitere Risiken können sich aus der Einnahme von Medikamenten ergeben, deren Wirkstoffe in die Milch übergehen. Auch eine Kontamination mit Alkohol, Tabakbe- standteilen oder Drogen würde ein Risiko für den Säugling darstellen. Des Weiteren können die hygienische Beschaffenheit und die Qualität der Milch beeinträchtigt werden durch einen unsach- gemäßen Umgang mit der gespendeten Milch beim Abpumpen, bei der Lagerung, der Kühlung und dem Transport. 1 Lebensmittelhygiene-Verordnung vom 8. August 2007 (BGBl. I S. 1816, 1817) zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 14. Juli 2010 (BGBl. I S. 929) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2488 3 Darüber hinaus ist selbst die hygienisch einwandfreie Frauenmilch nicht in jedem Fall für die Ernäh- rung eines fremden Kindes geeignet, da sich z. B. die Zusammensetzung der Milch im Laufe der Stillzeit ändert. Zu 5: Gegebenenfalls durchgeführte Untersuchungen bezüglich der Qualität und der hygienischen Be- schaffenheit der Muttermilch, die in privaten Muttermilchbörsen online gehandelt werden, gesche- hen nach derzeitigem Kenntnisstand lediglich auf freiwilliger Basis und nicht unter Einbindung der amtlichen Lebensmittelüberwachung. In ihrer Stellungnahme vom 18. Februar 2014 spricht sich die Nationale Stillkommission daher ge- gen die private Vermittlung und Abgabe von Muttermilch aus, da die damit verbundenen gesund- heitlichen Risiken nicht kontrollierbar und insgesamt zu groß seien (siehe Anlage: Stellungnahme der Nationalen Stillkommission vom 18. Februar 2014). Zu 6: Auf der Internetseite des Online-Angebots „Muttermilch-Börse“ (www.muttermilch-boerse.de) waren bei einer Anfang November 2014 durchgeführten Recherche Angebote von bis zu 8 Euro für 100 ml Frauenmilch eingestellt. In einigen Fällen wird die Milch jedoch auch verschenkt. Die Preise werden von der anbietenden Mutter selbst festgesetzt. Zu 7: Aus Sicht der Nationalen Stillkommission müssen bei Muttermilchspenden vergleichbar strenge Hygienevorschriften beachtet werden wie beim Blutspenden. So können bei an Kinderkliniken an- geschlossenen Frauenmilchbanken nur gesunde Frauen nach vorheriger medizinischer Untersu- chung Milch spenden. Die Milch wird vor der Verwendung bakteriologisch untersucht und pasteuri- siert, um eine Übertragung von Infektionen auszuschließen. Nach Kenntnis der Landesregierung existieren bisher keine allgemein empfohlenen Grenz- bzw. Richtwerte für Mikroorganismen in der Spendermilch, sodass die Freigabekriterien der gespende- ten Frauenmilch in den einzelnen Kliniken individuell gehandhabt werden. Laut Angabe der Euro- pean Milk Bank Association halten sich viele der deutschen Frauenmilchbanken jedoch an die „Leit- linie für die Einrichtung und zur Arbeitsweise von Frauenmilchbanken“, 1998 herausgegeben von Frau Dr. Skadi Springer, die auch Hinweise zur bakteriologischen Untersuchung und zu mikrobiolo- gischen Kriterien enthält. Zu 8: Ob Frauen, die ihre Milch einer Frauenmilchbank spenden, dafür eine finanzielle Gegenleistung er- halten, obliegt der Entscheidung der jeweiligen Frauenmilchbank. In Dresden wird z. B. eine Auf- wandsentschädigung in Höhe von 5,65 Euro und in Leipzig in Höhe von 5,67 Euro für einen Liter einwandfreie Muttermilch gezahlt. Zu 9: Der Landesregierung sind keine Überlegungen oder Projekte zur Errichtung von Frauenmilchban- ken in niedersächsischen Krankenhäusern bekannt. Zu 10: Der Landesregierung liegen keine Erfahrungen aus anderen Ländern vor. Cornelia Rundt Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2488 4 Anlage (Ausgegeben am 15.12.2014) Drucksache 17/2488 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2125 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Immacolata Glosemeyer, Holger Ansmann, Marco Bruno-te, Dr. Christos Pantazis, Andrea Schröder-Ehlers, Uwe Schwarz und Dr. Thela Wernstedt (SPD), eingegangen am 26.09.2014 Gibt es Probleme bei der Versorgung mit Muttermilch? Antwort der Landesregierung Anlage